Landtagssitzung 9. Juni 2020

Die Lehren aus der Corona-Krise - Was sind die Konsequenzen für den Regionalen Strukturplan Gesundheit und für die Spitalspläne der Steiermärkischen Landesregierung?

Aktuelle Stunde (§ 71 GeoLT)

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig eine dezentrale, dichte medizinische Versorgung ist. Gerade die – ob ihrer Anzahl an Spitalsbetten und Spitalsdichte in der Vergangenheit vielgescholtenen - Staaten waren es, die der Corona-Krise offenkundig besser trotzen konnten. GesundheitsexpertInnen haben im Verlauf der Covid19-Krise immer wieder erleichtert darauf hingewiesen, dass Österreich im OECD-Schnitt vergleichsweise gut dastehe, wenn es um Akut- und Intensivbetten in Krankenhäusern geht. Bei den Akutbetten liegt Österreich bei den verfügbaren Betten pro Einwohnerzahl auf Platz fünf der untersuchten Länder, bei den Intensivbetten mit 28,9 Intensivbetten pro 100.000 Menschen gar auf Platz zwei hinter Deutschland (33,3 Intensivbetten pro 100.000 Menschen). Der OECD-Schnitt liegt bei 15,9. Schlusslicht ist unter anderen Italien, mit nur 8,6 Intensivbetten pro 100.000 Einwohnern.

Jahrzehntelang verlangten neoliberale PolitikerInnen eine Senkung der Anzahl an (Intensiv-)Betten in Österreichs Krankenhäusern. Der Rechnungshof hat immer wieder auf den EU-Schnitt hingewiesen und auf Einsparungen gedrängt. Eine ausreichende Bettenanzahl wurde als Geldverschwendung dargestellt. Die Strukturpläne Gesundheit wurden dementsprechend auf eine Schrumpfung des Spitalsbereichs ausgerichtet. Der „Regionale Strukturplan Gesundheit Steiermark 2025“ sieht die Reduktion von 800 Spitalsbetten in den steirischen Spitälern bis zum Jahr 2025 vor. Im Bezirk Liezen sollen durch die Schließung der bestehenden Krankenhausstandorte in Rottenmann, Bad Aussee und Schladming zulasten des Spitalneubaus in Stainach-Pürgg mehr als 100 Betten eingespart werden.

Doch in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass Österreich von der noch nicht vollständigen Umsetzung der Sparpläne profitiert hat. Denn die hohe Zahl an Intensivbetten in Österreich federt die Corona-Krise im Vergleich zu anderen Staaten ab. Staaten, die bei Bettenabbau, Privatisierungen und Kürzungen im Gesundheitssystem weiter gegangen sind als Österreich, haben in den letzten Wochen sehr bittere Erfahrungen gemacht.

Auch der Rechnungshof hat die Zeichen der Zeit erkannt. Ganz Österreich werde seine Lehren aus der Corona-Krise ziehen müssen, sagte der Sprecher des Rechnungshofes, Christian Neuwirth. „Der Staat werde definieren müssen, was ihm für die Versorgung der Bevölkerung besonders wichtig ist und was vorher nicht so gesehen wurde. Und auch wir als Rechnungshof werden die richtigen Schlüsse ziehen.“

Und in einer jüngst veröffentlichten Studie der OECD heißt es: „Die Erfahrungen in China und Italien haben gezeigt, wie wichtig es ist, eine ausreichende Kapazität der Krankenhausbetten im Allgemeinen und der Intensivbetten im Speziellen sicherzustellen, um insbesondere einer Zunahme schwerkranker Patienten aufgrund einer Infektionskrankheit zu begegnen.“

Sogar GesundheitsökonomInnen müssen nun zugeben, dass die oft kritisierte traditionelle "Spitalslastigkeit" des österreichischen Gesundheitswesens in SARS-CoV-2-Epidemiezeiten ihr Gutes hat: "Die österreichischen Krankenanstalten sind im europäischen Vergleich überdurchschnittlich gut mit Betten ausgestattet. Was in anderen Zeiten für Kritik gesorgt hat, ist während der Covid-19-Epidemie heilsam und sichert das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsversorgung", sagte etwa Maria Hofmarcher-Holzhacker von der Austrian Health Academy.

Doch auch Österreich hat in den vergangenen Jahren schon zahlreiche Spitalsbetten – darunter auch Intensivbetten – eingespart und Krankenhäuser geschlossen. Politikerinnen und Politiker haben das als Fortschritt verkauft.  Und auch in Österreich musste in den letzten Wochen die medizinische Versorgung zugunsten der Behandlung von Corona-Infektionen stark eingeschränkt werden.

Jetzt gilt es, die richtigen Lehren aus den aktuellen Erfahrungen zu ziehen. Während Landesrätin Bogner-Strauß verlauten lässt, an den geplanten Kürzungen, Bettenreduktionen und Spitalsschließungen festhalten zu wollen, formiert sich dagegen breiter Widerstand in der Bevölkerung.

Die unterfertigten Abgeordneten verlangen gemäß § 71 Abs 1 GeoLT die Abhaltung einer Aktuellen Stunde zum oben angeführten Betreff.

Auflassung der Unfallchirurgie am LKH Deutschlandsberg

Befragung eines Mitgliedes der Landesregierung (§ 69 GeoLT) (LR Juliane Bogner-Strauß)

Am Standort Deutschlandsberg des LKH Weststeiermark besteht eine chirurgische Abteilung mit umfassendem Versorgungsangebot. Unfallchirurgisch reicht das Spektrum von der operativen Versorgung bei Extremitätenfrakturen bis zur arthroskopischen Exploration und Therapie von Kniegelenkstraumen und Erkrankungen.

Ebenso ist die notwendige Nachbehandlung von Extremitäten- und Wirbelsäulenverletzungen durch einen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft eingerichteten und geführten hysiotherapeutischen Arbeitsbereich gesichert, der auch die konservative Therapie von degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates mit einschließt.

Eine modernst ausgestattete Röntgenabteilung, die ohne Verwendung von Röntgenfilmen in rein digitaler Technik das Anfertigen von Bildern zulässt und die noch von einem Computertomographen ergänzt wird, wertet die praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten auf.

In Ergänzung des stationären Bereiches stehen neben einer allgemeinen und einer onkologischen Ambulanz auch eine unfallchirurgische Ambulanz für PatientInnen zur Verfügung. 

Nun wird dem Vernehmen nach seit Kurzem jungen UnfallchirurgInnen nahegelegt, sich nicht mehr am LKH Deutschlandsberg zu bewerben, weil geplant sei, die Unfallchirurgie in Deutschlandsberg in absehbarer Zeit aufzulassen. 

Damit würde wieder ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung in der Weststeiermark reduziert, mit drastischen Folgen für die Bevölkerung.

Es wird daher folgende Anfrage gestellt:

Welche Kürzungen oder Streichungen des chirurgischen oder unfallchirurgischen Angebots, stationär bzw. ambulant, sind am LKH Weststeiermark, Standort Deutschlandsberg, geplant?

Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Elementarpädagogik

Unselbstständiger Entschließungsantrag (§ 51 GeoLT) (abgelehnt von SPÖ, ÖVP)

Eine gute Kinderbetreuung und frühe Förderung für alle Kinder gehören zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben in der Steiermark. Die Qualität der Betreuung wird durch die hervorragende Arbeit der ElementarpädagogInnen in den Kinderbetreuungseinrichtungen sichergestellt.

Eine Studie, die im Auftrag der Arbeiterkammer die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen von KindergartenpädagogInnen in der Steiermark untersucht hat, zeigt auf, dass die Arbeitsbedingungen für die PädagogInnen leider sehr belastend sind. 30 % der befragten PädagogInnen sind ernsthaft Burnout-gefährdet, weitere 21,8 % leiden bereits an Burnout, etwa 3 % sind aufgrund von Burnout bereits arbeitsunfähig.

Als Grund für die Überlastung werden u.a. folgende Gründe angegeben:

  • zu wenig Vertretungspersonal
  • zu wenig Personal insgesamt
  • nicht genügend Vorbereitungszeit
  • Mehrarbeit/Überstunden.

Alarmierend sollte gerade für politische VerantwortungsträgerInnen sein, dass die PädagogInnen speziell von Trägern und Politik nicht viel Rückhalt erleben; es gibt viele Vorgaben, aber wenig empathische Unterstützung.

Die ElementarpädagogInnen fordern daher, wie auch Eltern und ExpertInnen, kleinere Gruppen in den Einrichtungen. 

Je jünger die Kinder sind, desto geringer sollte die Zahl an Kindern je Betreuungsperson sein. In der Steiermark überschreitet der Betreuungsschlüssel (PädagogInnen und Hilfskräfte zusammengezählt) die von ExpertInnen empfohlenen Grenzen bei weitem! Es verwundert daher nicht, dass die PädagogInnen massiv unter Stress und Lärm leiden - bei den (nicht befragten) Kindern wird es wohl ähnlich sein.

Abgesehen davon, dass ExpertInnen überzeugt sind, dass die derzeitigen Gruppengrößen zu hoch angesetzt sind und der Personalschlüssel unbedingt verbessert werden sollte, damit für 15 Kindergartenkinder bzw. für 7 Krippenkinder immer zwei ausgebildete Pädagoginnen verfügbar sind, ist die Situation in der Steiermark auch aus einem anderen Grund problematisch:

Fällt eine Pädagogin aus, wird sie in der Praxis meist durch eine Betreuerin ersetzt. Eine Hilfskraft, die statt einer ausgebildeten Kindergartenpädagogin bis zu einer Woche lang eine ganze Gruppe von 25 Kindern betreut, ist kein Einzelfall. Gesetzlich besteht sogar die Möglichkeit, diese Vertretung noch weiter auszudehnen.

Leider finden sich immer weniger junge Menschen, die den Beruf der Kindergartenpädagogik ausüben wollen. Die Einkommenssituation wird als sehr unbefriedigend empfunden. Das Problem der Personalknappheit kann nur gelöst werden, wenn endlich die Rahmenbedingungen (Arbeitssituation, Gehalt) verbessert werden. Anständig bezahlte Vollzeitarbeitsplätze über dem Mindestlohntarif sollten in der mit öffentlichen Geldern finanzierten Elementarpädagogik die Regel und nicht die Ausnahme sein!  

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, alle nötigen Maßnahmen zu treffen um

  • sowohl die Gruppengröße als auch den Betreuungsschlüssel in Kindergärten und Kinderkrippen zu senken,
  • die Anstellung nach dem BAGS/SWÖ-Kollektivvertrag als Mindeststandard für die Auszahlung der Personalförderung des Landes vorzusehen und die Personalförderung der Höhe nach an das Dienstalter bzw. der Lohnstufe der Beschäftigten anzupassen, sowie
  • Vorsorge für qualitativ hochwertige Vertretungslösungen in Kinderbildungs- und betreuungseinrichtungen zu treffen.

Förderung des Vereins „Stop AIDS“

Selbstständiger Antrag von Abgeordneten (§ 21 GeoLT)

Dem Verein „Stop AIDS – Verein zur Förderung von sicherem Sex“ soll laut eigener Aussage die finanzielle Unterstützung seitens des Landes Steiermark gestrichen werden. Dies ist nicht nur angesichts der wichtigen Arbeit des Vereines im Hinblick auf die HIV-Prävention unverständlich. Auch die Fördersumme von 3.000 Euro jährlich fällt angesichts anderer Fördersummen kaum ins Gewicht.

Der Verein „Stop AIDS“ versteht sich laut Vereinszweck „als Initiative zur Hebung des Problembewusstseins in Zusammenhang mit HIV und AIDS speziell im Bereich MSM. Mit dem Verbreiten von Präventionsbotschaften und einer positiven Bewertung von Safer Sex in der Öffentlichkeit tragen wir dazu bei, HIV-Neuinfektionen zu verhindern.“  Er stellt seine Angebote kostenlos zur Verfügung, wie dem Jahresbericht 2019 zu entnehmen ist: „Mit verschiedenen Maßnahmen erreichen wir die Zielgruppe MSM (Männer, die Sex mit Männern haben). Ziel ist immer die Präventionsarbeit im Bereich HIV/AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Alle unsere Services können kostenlos in Anspruch genommen werden.“

In einer Aussendung betont der Vorsitzende des Vereines die Wichtigkeit dieser Präventionsarbeit: „Traurige Tatsache ist, dass mehr 50% aller HIV Neuinfektionen in Österreich die Gruppe schwuler Männer betrifft. Genau diese Risikogruppe spricht der Verein Stop AIDS mit seinen Aktivitäten zur HIV-Prävention an – sensible und tabuisierte Themen, mit denen sich andere Organisationen gar nicht erst ‚anpatzen‘ wollen.“

Während die Landesregierung ihre Förderung einstellen will, wurde die Förderung des Gesundheitsamtes der Stadt Graz im vergangenen Jahr sogar erhöht. Angesichts der wichtigen Arbeit des Vereines muss es im Interesse des Landes sein, dass dieser seinen Aufgaben auch weiterhin nachkommen kann.

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass der Verein „Stop AIDS“ auch weiterhin eine Förderung der Stmk. Landesregierung zumindest in Höhe der bisherigen Förderung erhält.

Spitalsreform in der Steiermark: Zurück an den Start!

Unselbstständiger Entschließungsantrag (§ 51 GeoLT)

Die Menschen im Bezirk Liezen haben im April 2019 bei einer Volksbefragung ein deutliches Signal gegen die Schließung der drei bestehenden Spitäler in Rottenmann, Schladming und Bad Aussee gesetzt.

Im heurigen Jahr hat sich im Zuge der Covid19-Pandemie gezeigt, wie wichtig eine dezentrale, dichte medizinische Versorgung ist. Gerade die – ob ihrer Anzahl an Spitalsbetten und Spitalsdichte in der Vergangenheit vielgescholtenen – Staaten waren es nämlich, die der Corona-Krise offenkundig besser trotzen konnten. GesundheitsexpertInnen haben im Verlauf der Covid19-Krise immer wieder erleichtert darauf hingewiesen, dass Österreich im OECD-Schnitt vergleichsweise gut dastehe, wenn es um Akut- und Intensivbetten in Krankenhäusern geht.

Trotzdem beharrt die Regierung darauf, die Schließung aller drei Standorte durchzuziehen und ein gänzlich neues Zentralkrankenhaus in Stainach auf der grünen Wiese zu errichten.

Dabei zeichnet sich ab, dass die Kosten für das von der Landesregierung gewünschten einzigen Zentralkrankenhaus für den Bezirk Liezen völlig aus dem Ruder laufen. Die – ohnehin schon immensen – Kosten von 250 Millionen Euro (auf Preisbasis 2018!) könnten sich aufgrund der Bodenbeschaffenheit (Altlasten, Hochwassergefahr) des von der Regierung als „bestgeeignet“ gelobten Grundstücks durchaus verdoppeln.

Die Bevölkerung erwartet sich jetzt ein Einlenken und Überdenken der Schließungspläne. Schließlich wurden alle Einwände, die gegen ein Zentralkrankenhaus im flächenmäßig größten Bezirk der Steiermark sprechen, bisher vom Tisch gewischt:

Die Anzahl der Nebeltage in Stainach, die an durchschnittlich etwa 100 Tagen im Jahr den Einsatz von Notarzt-Hubschraubern zumindest fraglich macht.

  • Die Verlängerung der Wege zum Spital, die sich für alle BewohnerInnen Liezens - mit Ausnahme des Raumes Stainach – deutlich verlängern.
  • Das erhöhte Verkehrsaufkommen zu gewissen Zeiten, das die Schätzungen der Landesregierung, was die Erreichbarkeit betrifft, zudem noch in Frage stellt.
  • Die Versorgung durch die angekündigten Gesundheitszentren, die ein drastischer Rückschritt in Bezug auf Qualität, Ausstattung und Öffnungszeiten bedeutet.
  • Mangelnde notärztliche und fachärztliche Versorgung durch Wegfall der Spitalstandorte in weiten Teilen des Bezirkes.
  • Am Standort Rottenmann steht ein vollwertiges und neuwertiges Krankenhaus zur Verfügung, dessen Schließung wirtschaftlich und gesundheitspolitisch unsinnig erscheint.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um zurück an den Start zu gehen und einen ehrlichen und ergebnisoffenen Dialog mit der Bevölkerung zu starten. Die Landesregierung ist aufgefordert, auch auf Bundesebene im Rahmen der partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit sowie landesintern im Rahmen des RSG die nötigen Schritte zu setzen, um die regionale stationäre Versorgung weiterhin wohnortnah sicherzustellen.    

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

  • einen sofortigen Stopp der Planungs- und Vorbereitungsarbeiten für ein Zentralspital im Bezirk Liezen zu verfügen, um eine ergebnisoffene Diskussion und Neu-Planung der Spitalsversorgung unter Einbindung der Bevölkerung sowie unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Volksbefragung vom 7. April 2019 zu ermöglichen,
  • die vorliegenden Planungen bezüglich der Verringerung und Verkleinerung bestehender Spitalsstandorte in der Steiermark zurückzunehmen und den Regionalen Strukturplan Gesundheit im Hinblick auf die Lehren aus der Covid-19-Pandemie gänzlich im Sinne einer regionalen und wohnortnahen stationären Versorgung neu aufzustellen und
  • entsprechende Schritte auf Bundesebene im Rahmen der partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit zu setzen. 

9. Juni 2020