Landtagssitzung 18. Mai 2010

Anträge und Initiativen der KPÖ

 

"Ist die Einführung der Mindestsicherung ein Rückschritt in der Sozialgesetzgebung?"

Dringliche Anfrage an LHStv. Siegfried Schrittwieser

Seit Jahren wird nun schon von der Einführung einer Mindestsicherung in Österreich gesprochen. Laut Ex-Sozialminister Buchinger sollte mit der Mindestsicherung die Armut in Österreich vermindert, die neun verschiedenen Sozialhilfegesetze harmonisiert und eine bundesweit einheitliche Mindestsicherung eingeführt werden. Die Höhe der Mindestsicherung sollte sich am Ausgleichszulagenrichtsatz orientieren, die Auszahlung sollte 14 Mal jährlich erfolgen. Es sollte einen One-Stop-Shop geben, der einerseits die Non-Take-Up-Rate vermindern und andererseits die Verwaltung vereinfachen sollte.

 

Was ist übrig geblieben von der viel gepriesenen Mindestsicherung? Eine §15a-Vereinbarung wurde getroffen, der alle 9 Bundesländer zugestimmt haben. Diese §15a-Vereinbarung regelt den Mindeststandard in ganz Österreich. Dieser Mindeststandard weicht weit ab von den o.g. Versprechungen, teilweise ist er viel geringer als die derzeit geltende Sozialhilfe. Die Mindestsicherung stellt für einen großen Personenkreis keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung gegenüber der jetzigen Sozialhilfe dar.

 

Der steirische Entwurf eines Mindestsicherungsgesetzes lag bis 20. April 2010 zur Begutachtung auf. Wurde in dem Entwurf des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, das dem derzeit geltenden Sozialhilfegesetz nachfolgen soll, das Verschlechterungsverbot umfassend umgesetzt? Die Antwort ist: Nein!

In den Erläuterungen wird zwar Bezug darauf genommen, dass eine lediglich zwölfmalige Auszahlung der Mindeststandards der Verpflichtung zur Erreichung des Leistungsniveaus der bisherigen Sozialhilfe nicht entsprechen würde, weshalb eine vierzehnmalige Auszahlung verankert ist. Eine systematische Anpassung der Beitragssätze zur Vermeidung von Verschlechterungen ist nicht erfolgt. Auch ist das Verschlechterungsverbot im Gesetzselbst nicht verankert.

 

Der steirische Entwurf ist leider so gehalten, dass es viele Verliererinnen und Verlierer gegenüber der jetzigen Sozialhilfe geben wird. Dies bestätigen die Stellungnahmen zum Entwurf des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes von verschiedenen Einrichtungen, (wie z.B. Caritas, Kinder- und Jugendanwaltschaft, Interact usw.).

 

- Dies liegt einerseits daran, dass die Kinderrichtsätze zu niedrig sind. Derzeit beträgt der Richtsatz für ein Kind € 169,--, in Zukunft 19 % des Ausgleichszulagenrichtsatz für die ersten 4 Kinder (das sind € 141,36) und 23 % ab dem fünften Kind (das sind € 171,12). Um keine Verschlechterung beim Kinderrichtsatz zu haben, müssten 22,6 % ab dem 1. Kind gewährt werden.

 

- Andererseits wird auf die Höhe der Miete nicht mehr individuell eingegangen, wie dies derzeit im Sozialhilfegesetz der Fall ist. In den Mindestsicherungsrichtsätzen sind 25 % für die Miete vorgesehen.

 

- Es wird keinen One-Stop-Shop geben. Das AMS wird Anträge annehmen und ohne Prüfung auf Vollständigkeit an die zuständigen Stellen des Landes weiterleiten. Dies bedeutet zusätzliche bürokratische Schritte und Verzögerungen in der Bearbeitung und ist daher für die rasche Beseitigung von Notlagen ungeeignet, denn nach Weiterleitung der Anträge durch das AMS wird eine zusätzliche Vorsprache bei der BH oder dem Magistrat zu erfolgen haben.

 

Zwei  Beispiel illustrieren deutlich die Verschlechterung:

 

Sozialhilfegesetz (derzeit)

 

 

€          500,--   Lebensbedarf Hauptunterstützte (Alleinerzieherin)

€          169,--   Lebensbedarf für Kind 1

€          169,--   Lebensbedarf für Kind 2

€          228,--   Wohnaufwand Hauptunterstützte

€            44,--   Wohnaufwand Kind 1

€            44,--   Wohnaufwand Kind 2

€       1.154,--   Sozialhilferichtsatz

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

€          744,--   Mindestsicherung Alleinerzieherin

€          141,36  Mindestsicherung Kind 1

€          141,36  Mindestsicherung Kind 2

€       1.026,72  Richtsatz Mindestsicherung

 

In Summe gerechnet erhält eine Alleinerzieherin mit 2 Kindern nach Einführung der Mindestsicherung monatlich um € 127,28 weniger als mit der derzeitigen Sozialhilfe. Dies stellt eindeutig eine Verschlechterung dar.

 

- Verschlechtern wird sich die Situation auch für erwachsene Personen, die in einer Wohngemeinschaft wohnen. Es wird eine Wirtschaftsgemeinschaft angenommen und jeder erhält nur mehr 75 % der Mindestsicherung, auch dazu ein Beispiel:

 

 

Zwei Frauen, die sich nach gewalttätigen Beziehungen im Frauenhaus kennengelernt haben, beschließen nach Auszug aus dem Frauenhaus, um Mietkosten zu sparen, gemeinsam in einer Wohnung zu leben. Eine der beiden Frauen geht arbeiten und hat ein Einkommen. Die andere Frau hat kein Einkommen und bezieht Sozialhilfe. Die Miete beträgt € 430, monatlich, d.h. jede der beiden Frauen muss monatlich € 215,-- an Miete bezahlen. Die Frau ohne Einkommen bezieht derzeit Sozialhilfe in folgender Höhe:

 

Sozialhilfegesetz (derzeit)

 

€          500,--  Lebensbedarf Hauptunterstützte

€          215,--  vertretbarer Aufwand für Unterkunft

€          715,--  Sozialhilferichtsatz

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

€          558,--  Mindestsicherung 75 % von € 744,--

 

€          715,--  derzeitige Sozialhilfe

€          558,--  Mindestsicherung

€          157,--- verliert die Frau monatlich nach Einführung der Mindestsicherung.





 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgende Dringliche Anfrage:

1.) Wie erklären Sie sich, dass in den Stellungnahmen der Caritas, der Stadt Graz, der Kinder- und Jugendanwaltschaft und der KPÖ zahlreiche Berechnungsbeispiele vorgelegt wurden, die deutlich machen, dass offensichtlich  große Personengruppen die im zur Begutachtung ausgesendeten Mindestsicherungsgesetz finanziell massiv schlechter gestellt werden?

 

2.) Derzeit beträgt der Richtsatz für ein Kind € 169,--, in Zukunft 19 % des Ausgleichszulagenrichtsatz für die ersten 4 Kinder (das sind € 141,36) und 23 % ab dem fünften Kind (das sind € 171,12). Um keine Verschlechterung beim Kinderrichtsatz zu haben, müssten 22,6 % ab dem 1. Kind gewährt werden. Warum bleiben die Kinderrichtsätze für die ersten vier Kinder im Entwurf des Mindestsicherungsgesetzes deutlich unter den gesetzlichen Richtlinien des Sozialhilfegesetzes?

 

3.) Wie beurteilen sie die Tatsache, dass im geplanten Entwurf für die Umsetzung der Mindestsicherung nur alleinstehende Personen und AlleinerzieherInnen den Ausgleichszulagenrichtsatz bekommen? Wie begründen sie, dass volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gleichen Haushalt leben nur 75 % davon erhalten únd Kinder gar nur 18 % (ab dem 4. Kind nur mehr 15 %) vom Ausgleichszulagenrichtsatz bekommen? 

 

4.) Ist geplant die Sonderregelungen des Sozialhilfegesetzes über die Bestattungskosten und den Entbindungskostenbeitrag beizubehalten?

 

5.)Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es keine Verschlechterung für Menschen, die in Wohngemeinschaften leben gibt?

 

6.) Warum setzt die Steiermark im Entwurf des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, das Verschlechterungsverbot der zugrundeliegenden Art. 15a Vereinbarung (Art. 2 Abs 4, letzter Satz) nicht um?

 

7.) Wie wird in Zukunft  für Hilfe in besonderen Lebenslagen (zur Abdeckung von Mietenrückständen, Stromrückständen, Übernahme von Kautionen etc.) gesorgt?

 

8.) Werden Sie für die Umsetzung des Verschlechterungsverbotes  durch Beseitigung der oben aufgezeigten Mängel und Schlechterstellung im Entwurf des von Ihnen vorgelegten Mindestsicherungsgesetzes sorgen?

Bei Politikergehältern zuerst sparen!

Entschließungsantrag; von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt

Die KPÖ fordert seit Jahren, dass die Mitglieder der Landesregierung und des Landtages einen wirksamen Beitrag gegen das Auseinanderklaffen der Einkommensschere zwischen Bevölkerung und Politikern leisten. Alle diesbezügliche Anträge wurden bisher von allen anderen im Landtag vertretenen Parteien einmütig abgelehnt, obwohl die Einsparungen die dadurch erreicht würdenn, einen signifikanten Beitrag zu Konsolidierung des Landeshaushalts leisten könnten. 

In jüngsten Medienberichten ließ allerdings Landeshauptmann Mag. Franz Voves mit dem bemerkenswerten Vorschlag, mit einer radikale Verkleinerung des Landtages zur Budgetkonsolidierung beizutragen. Der Vorschlag des Landeshauptmannes hat nicht nur den Nachteil, dass er nur ein begrenztes Einsparungspotenzial eröffnet, sondern ist wegen der daraus resultierenden Eliminierung der im Landtag vertretenen Opposition demokratiepolitisch mehr als bedenklich. Die Vorschläge der KPÖ würden eine Verschlankung der gesamten Gehaltspyramide bedeuten und gleichzeitig auch eine stärkere Begrenzung der Bezüge von GeschäftsführerInnen von Gesellschaften im Einflussbereich des Landes mit sich bringen.

 

Arbeitslosigkeit und Einkommenseinbußen bestimmen den Alltag der steirischen Bevölkerung im Gefolge einer Wirtschaftskrise, deren Verursacher mit Steuergeldern zunächst vor dem finanziellen Kollaps bewahrt und danach in die Gewinnzone gelotst worden sind. Die öffentlichen Kassen sind von den mit der Krise verbundenen Einnahmeausfällen und zusätzlichen Belastungen erschöpft.

 

Schon jetzt klafft die Schere zwischen dem Einkommen von PolitikerInnen und jenem der Masse der Beschäftigten und PensionistInnen zu stark auseinander. Entscheidungsträger, die durch ihre hohen Bezüge von der Lebensrealität der Bevölkerung weit entfernt sind, können erfahrungsgemäß die Folgen ihres Handelns für diejenigen, die mit einem durchschnittlichen Einkommen das Auslangen finden müssen, schwer abschätzen. Es sollte daher ein Grundprinzip sein, bei der Festlegung von PolitikerInnenbezügen darauf Bedacht zu nehmen, dass ein nachvollziehbares Verhältnis zu einem durchschnittlichen Arbeitseinkommen gewahrt bleibt.

 

Arbeitslosigkeit und Lohndruck werden in Folge dieser Politik im Interesse von Banken und Spekulanten weiter zunehmen. Die Bevölkerung wird zusätzlich durch Sparpakete belastet werden. Dadurch wird sich die Einkommensdifferenz zwischen den politischen VertreterInnen und ihren WählerInnen weiter vergrößern.

 

Die im Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre festgelegten Höchstgrenzen müssen keineswegs ausgeschöpft werden. Hier könnte die Steiermark mit gutem Beispiel vorangehen. So könnte eine Koppelung der Politikerbezüge an den Ausgleichszulagenrichtsatz für PensionistInnen eine sinnvolle Verknüpfung mit den sozial Schwächsten herstellen. Wenn der höchste Politikerbezug in der Steiermark beispielsweise das Fünfzehnfache des Ausgleichzulagenrichtsatzes betragen würde, so wären das immer noch ca. 11.200 Euro. Selbstverständlich müssten alle Politikerbezüge entsprechend der Gehaltspyramide gekürzt werden. Dies würde eine Einsparung in diesem Topf des öffentlichen Haushalts von zirka 30 Prozent bedeuten und daher auch aus dieser Perspektive als wünschenswertes Ziel erscheinen.

 

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

1.     dem Landtag binnen drei Monaten eine Novelle des Steiermärkischen Bezügegesetzes vorzulegen, wodurch die Bezüge der Mitglieder der Landesregierung und des Landtages um mindestens 30 Prozent reduziert werden; der höchste Bezug soll dabei das Fünfzehnfache des Ausgleichszulagensatzes für MindestpensionistInnen nicht überschreiten;

2.     ab dem Landesvoranschlag 2011 die jeweiligen Bezüge um 30 Prozent zu kürzen und den eingesparten Betrag zur Senkung des allgemeinen Abganges heranzuziehen.

 

Tariferhöhungen des Steirischen Verkehrsverbundes

Entschließungsantrag; mehrheitlich (gegen ÖVP) angenommen

Der Steirische Verkehrsverbund hat für 1. Juli wieder Tariferhöhungen angekündigt, und das, obwohl die Fahrpreise in der jüngeren Vergangenheit immer wieder kräftig erhöht wurden. Vergleicht man die aktuellen Preise mit jenen von 1999, also vor 10 Jahren, so muss man feststellen, dass die Preisentwicklung weit über jene der allgemeinen VerbraucherInnenpreissteigerungen im genannten Zeitraum hinausgeht: Stunden- und Jahreskarten wurden seit 1999 um rund ein Drittel teurer, bei den Monats- und Wochenkarten erfolgten noch wesentlich drastischere Preiserhöhungen: Bei Monatskarten beträgt die Verteuerung 39,9 Prozent, bei Wochenkarten gar 46,2 Prozent. Im selben Zeitraum sind die allgemeinen VerbraucherInnenpreise ‚nur’ um 22,4 Prozent gestiegen.

Eine Erhöhung der Tarife für den Öffentlichen Verkehr stellt angesichts der Feinstaubbelastung und der damit verbundenen Umweltschädigung und Gesundheitsgefährdung für die Steirerinnen und Steirer ein völlig falsches Signal dar. An Tagen erhöhter Feinstaubbelastung sollte die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel überhaupt zum Nulltarif möglich sein.

 

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Steiermärkische Landesregierung wird aufgefordert, durch Verhandlungen mit dem Verkehrsverbund und die Bereitstellung ausreichender Mittel zu veranlassen, dass

1.  die geplante Erhöhung der Verbund-Tarife per 1. Juli nicht in Kraft tritt

2.  an Tagen mit erhöhter Feinstaubbelastung die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos ist und

3.  in Zukunft Tariferhöhungen des Steirischen Verkehrsverbundes maximal in Höhe der VerbraucherInnenpreissteigerung erfolgen.

20. Mai 2010