Zum siebzigsten Todestag von Richard Zach

26. 10. Richard Zach Denkmalenthüllung in St. Radegund

Von Werner Lang. Gekürzter Text eines Artikels über Richard Zach, erschienen in der Zeitschrift „Tarantel“, Jänner 2013.

 

Richard Zach kam am 23. 3. 1919 in Graz als zweiter Sohn einer steirischen Arbeiterfamilie zur Welt. Richards Vater Rupert war als Fassbinder in der Brauerei Göß/Puntigam in Graz beschäftigt. Seine Mutter arbeitete neben Haushalt und Familie an den Wochenenden als Aushilfe in einem Gasthaus. Von 1926 bis 1930 besuchte Richard Zach die Volksschule und danach vier Jahre die Hauptschule in Graz.


Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 1929 und seine sozialpolitischen Folgen verschlechterten auch die Lebensbedingungen der Familie Zach. 1931 mussten Sie nach einer Räumungsklage ihre enge Wohnung verlassen und in eine Kellerwohnung umziehen.
Der darauf folgende Tod seiner Mutter 1932 war für Richard Zach wohl das erste große einschneidende Erlebnis in seinem Leben. Sie starb ein Jahr nach dem Umzug.
In dem Gedicht „Aus meiner Jugend“ schildert er die neuen Wohnverhältnisse, die die Mutter, neben unermüdlichem Arbeiten, in den Tod trieb:
Dann klebte auf den Scheiben eine braune Kruste.
Die Füße ohne Körper glitten schnell vorbei.
Wir kauerten am Ofen, eingetaucht in Blei.
Bei Güssen sickerte aus Bodenfugen
das Wasser. Ein Kanalschacht lief darunter.
Da wurden wir dann wieder etwas munter,
wenn wir die vollen Eimer aus der Stube trugen.
Die Straßenköter schauten durch das Fenster zu.
Sonst ließ die fromme Mitwelt uns in Ruh`.1

Nach dem Tod seiner Mutter wurde Richard Zach von seinem Bruder getrennt. Richard kam in Obhut von Verwandten.


Von 1934 bis 1938 besuchte Richard Zach die Bundeslehrerbildungsanstalt am Hasnerplatz in Graz.
Für ihn dürften die gesellschaftspolitischen Februarereignisse 1934 das zweite einschneidende Ereignis gewesen sein. Danach trat er aktiv in das politische Geschehen ein.
Die Arbeiterbewegung wurde 1934 mit einem Schlag vernichtet. Davon unterrichtet uns sein in diese Zeit entstandenes Gedicht, „Ballade vom Februar 1934“, genannt Poem2. Der Inhalt des Gedichts verkörpert die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der damaligen Zeit. Es könnte auch stellvertretend für die Niederlage der österreichischen Arbeiterbewegung stehen.
Ab 1935, also bald nach Richard Zachs Eintritt in die Lehrerbildungsanstalt kam es mit Hilfe von Kontakten zu älteren Studienkollegen und Freundschaften, wie dem Jungkommunisten Josef Martin Presterl und dem ehemaligen sozialistischen Mittelschüler Adolf Strohmaier, zur Gründung einer Widerstandsgruppe gegen die Willkürherrschaft des faschistischen Ständestaates. Richard Zach war damals 16 Jahre alt.
Zu dieser Zeit wurde die antifaschistische Arbeit noch im Rahmen einer politisch-kulturellen Tätigkeit in der christlichen Arbeiterbewegung gestaltet.
Als er die Matura mit Auszeichnung bestand, war die politisch-kulturelle antifaschistische Tätigkeit der halblegalen Jugendorganisation „Jung-Freiheitsbund“ und später „Studentenarbeitsbund“ voll im Gang. Und Richard Zach war aktiv daran beteiligt.
Im Herbst 1937 wurde zusätzlich für das Studium der Theorie und Praxis des „Wissenschaftlichen Sozialismus“ ein geheimer Marxistischer Arbeitskreises gegründet, AK genannt.


Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde neben Bildungs- und Schulungsarbeit der Aufbau von antifaschistischen Gruppen in Graz und Steiermark verstärkt.
Die Gruppe, der Zach angehörte, expandierte um einen beständigen Kern herum und umfasste in der NS-Zeit bis zu 50 Menschen. Im Herbst 1938 rückte er freiwillig zum deutschen Heer ein. Er wollte den Militärdienst schnell hinter sich bringen. Aber der Krieg begann dann früher als von Richard Zach erwartet mit dem 1. September 1939. Er musste als Kanonier und Chauffeur mit seinem Regiment am „Polenfeldzug“ der Nationalsozialisten teilnehmen. Bei seinem Urlaubsaufenthalt in Graz fingierte er einen Unfall und entzog sich so der Rückkehr zum Militärdienst. Er erzwang 1940 einen Spitalsaufenthalt. In dieser Zeit verfasste er Aufsätze und Schriften und erörterte mit seinen Besuchern politische Fragen. Diese Zusammenkünfte an seinem Krankenbett wurden auch für neue Kontakte genützt. Die Widerstandsgruppe um Zach ging dazu über, nach außen zu wirken, Schmieraktionen zu unternehmen und Flugzettel zu verfassen und zu drucken, die auch vor den Grazer Industriebetrieben verteilt wurden.


Richard Zach erreichte mit verschiedensten Aktionen und auch durch Beharrlichkeit den Ärzten gegenüber am 21. Jänner 1941 die Dienstuntauglichkeit aus der Wehrmacht. Er wurde entlassen und am 1. Februar 1941 wieder als Lehrer in Graz eingesetzt.
Im Frühjahr 1941 begann eine groß angelegte Verhaftungswelle, die auch die Leute um Richard Zach erfasste. Elfriede Neuhold wurde am 3. Februar als erstes von der Widerstandsgruppe um Zach festgenommen. Für kurze Zeit übernahm Erich Neuhold die Aufgabe seiner älteren Schwester in der Gruppe. Daraufhin wurden weiter Flugzettel und die regelmäßig erscheinende Zeitschrift „Der Rote Stoßtrupp“ hergestellt und verbreitet, auch um die Verhafteten zu entlasten. Richard Zach arbeitete an seinen literarischen Tätigkeiten und Studien, die von Störungsversuchen der Kriegsmaschinerie begleitet wurden, bis zu seiner Verhaftung weiter.
Nur durch seine Verhaftung am 31. Oktober 1941 konnten er und die bis zu diesem Zeitpunkt von ihm betriebene Aufklärungs-und Organisationstätigkeiten gegen den Nazismus und Krieg gestoppt werden.
15 Monate verbrachte der Dichter und Lehrer ab diesem Zeitpunkt im nationalsozialistischen Kerker.


Inhaftiert im Polizeigefängnis Graz versuchte er, so bald als möglich, Informationen über den Stand der polizeilichen Ermittlungen gegen seine Gruppe zu sammeln. Diese wurden u.a. über seine Freundin Hermine Kohlhauser aus dem Polizeigefängnis geschmuggelt, die ihn anfangs noch des öfteren im Gefängnis besuchte. Auch versteckte Richard Zach im Gummizug seiner Schmutzwäsche kleine Zettel, die dann aus der Haftanstalt in Wäschepaketen zu seiner Freundin oder zu seinen Verwandten geliefert wurden. Nicht wenige Zellengedichte gelangten später auf diese Weise ins Freie.


So entstanden die Kassiber.


Als am 17. Dezember 1941 sein Freund Alois Geschwinder in das Polizeigefängnis eingeliefert wurde, wies man ihm die Zelle neben Richard Zach zu. Zuerst unterhielten sich die beiden, ohne sich sehen zu können über Fragen und Aussagen in den Verhören. Später gingen sie dazu über, die Informationen durch die Wand zu morsen. Geschwinder hatte einen Bleistift mit in die Zelle geschmuggelt. Er übertrug die Mitteilungen von Richard Zach auf Zeitungsränder. Auf diese Weise brachte Alois Geschwinder einige Zachsche Gedichte zu Papier. Einige Gedichte von Richard Zach wurden weiterhin mittels verschmutzter Wäsche oder von verlässlichen Besuchern mitgenommen.
Seine brieflichen und lyrischen Aufzeichnungen setzt Richard Zach auch im Zuchthaus Berlin Brandenburg fort, in das er am 14. Februar 1942 eingeliefert worden war.
Dann von Berlin-Moabit aus wurde er mit drei weiteren mitangeklagten Wehrmachtsangehörigen als Hauptangeklagter vor ein Militärtribunal in Berlin gestellt.
Die Anklagepunkte waren: „Wehrkraftzersetzung“, „Hochverrat“, Versuch der „Lostrennung eines zum Reich gehörigen Gebietes“ (Österreich).


Am 18. 8. 1942 wurde Richard Zach zum Tode verurteilt.
In der gesamten Haftzeit, die er in Berlin verbrachte, verlor er nahezu 20 kg. Körpergewicht. In einem Brief, vom 3. 9. 1942, schrieb er: „… Schlaff, müde, fast täglich, stündlich bin ich matt, weil ich nichts leiste?“3
Und in einer Äußerung im „Kassiber“ heißt es: „In Berlin ist es ja – abgesehen von allem anderen – ein langsames Verhungern!4
In der Haftzeit zwischen 31. Oktober 1942 und 27. Jänner 1943 entstanden so unter schwierigsten Bedingungen nahezu 800 Gedichte und etwa 100 Seiten Briefe und Notizen, flüchtig in Themenkreisen geordnet, niedergeschrieben und auf Umwegen in Sicherheit gebracht.


Des Weiteren beschrieb er die räumlichen Verhältnisse in den Zellen, das schwache Licht darin, das den Gefangenen in einen Dämmerzustand versetzte. Der „lampengelben Nacht“, dem „fahle“(n) Flimmern, folgt der graue, leblose Zellentag, die Verhöre, die meist unter schwerer Folter stattfanden.
„Eingeschachtelt zwischen Mauern, die Stunden durchhungern(t) (23.9. 1942) … eingeschraubt zwischen Wänden und Todesgewissheit … (1. 9. 1942) … Düster jede Stunde, kein freundlicher Schimmer durch die dicken Scheiben, kein belebender Fleck Helle auf den fahlen Wänden, die Luft fast wie ein zäher Dunst vor den Augen, um die Stirn, hinter der Stirn …“ (2.11. 1942).
Etwa Ende November/Anfang Dezember 1942 holte man Richard Zach noch einmal nach Graz. Er soll als Zeuge bei einer Verhandlung seines antifaschistischen Freundes Friedrich Grießl aussagen.


Sein Bruder Alfred konnte ihn noch einmal sehen. Er berichtete von einer Gegenüberstellung mit seinem Bruder bei der Grazer Gestapo: „Stelzl und Komplizen hatten meinen Bruder durch Misshandlungen derart zugerichtet, sein Gesicht war zerschlagen, verkrustet von alten Wunden, körperlich völlig heruntergekommen. Er erhielt vier Wochen Dunkelhaft, wurde täglich geprügelt und hat in meiner Anwesenheit durch Stelzl Faustschläge ins Gesicht erhalten“.
Am 14. Jänner 1943 wurde Richard Zach überraschend von Graz weggeholt und wieder nach Berlin gebracht.
Den Aufenthalt in seiner Geburtsstadt sowie den Transport von Graz über Wien nach Berlin im Jänner 1943 nützte er noch einmal zum Verfassen und Weitergeben von Kassibern.
Mit seinen Gedichten versucht er seine Lebens- und Haftzeit, nicht nur den Menschen, denen er sich bis zu seinem Tod verbunden fühlte, sondern allen Menschen dieser Zeit, in der so viele in Gefangenschaft und Konzentrationslagern umkamen, so lebendig wie möglich zu beschreiben und näherzubringen. Aus seinen Gedichten liest man die Aufforderung, nicht blind und taub gegenüber seiner Umwelt zu sein, heraus. Es ist auch eine Kritik an das sozialpolitische Untätigsein so vieler Menschen überhaupt. Dem gegenüber steht sein Appell zum Schauen, Hören und Tätigsein für die Menschen. Denn in 130 Gedichten von Richard Zach steht eindeutig der Mensch im Mittelpunkt der Betrachtungen, sowohl in seiner Endlichkeit und Beschränktheit, als auch im Hinblick auf die Möglichkeiten seiner Höherentwicklung. Richard Zach dichtete auch in der Tradition der Arbeiterliteratur und wurde daher von vielen als Arbeiterlyriker bezeichnet. Dafür ist der politische Standpunkt des Autors Richard Zach entscheidend, welcher sich durch Sozialisation in der Arbeiterbewegung ausgebildet hat.
Sein literarischer und nicht-literarischer Nachlass besteht aus etwa 1500 beschriebenen Seiten in verschiedenster Form. Etwa 120 Gedichte wurden vor der Haftzeit geschrieben. Auch die wesentlichen epischen Niederschriften stammten aus dieser Zeit.
Richard Zach: „… der“ selbst nach seinen eigenen Angaben „so gern lebte,“ sagte zum Schluss: „Sie sollen uns nicht zittern sehen.“


Am Mittwoch, den 27. Jänner 1943 um 19 Uhr wird im Zuchthaus Brandenburg das Urteil vollstreckt. „Grüße mir die Welt, grüße mir die Gefährten, die Sonne und den Grashalm und das All“! Schrieb er, als er sich auf seine Hinrichtung vorbereitete, an seine Freundin Herma.
Richard Zach wurde in den Abendstunden des 27. Jänner hingerichtet.


Es wurden insgesamt 2700 Österreicher als Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt und hingerichtet. Viele andere verloren in den Gefängnissen und Konzentrationslagern ihr Leben.

 

 

Die Biografie über Richard Zach stützt sich im Wesentlichen auf Texten, Büchern und Forschungsarbeiten von Christian Hawle. Weitere Zahlen, Daten und frei zitierte Literatur entnommen aus unten angeführter Quellennachweise.
Der Nachlass Richard Zachs, befindet sich heute im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Wien. (Unter der Nr. 19.455).
Gerhard Jaschke u. Ingrid Wald: >Richard Zach<, „Zellengedichte“, Verleger und Herausgeber: freibord 11 und 12, alle: 1180 Wien, Theresiengasse 53, Sept./Okt. 1978
Christian Hawle: >Richard Zach<, „streut die Asche in den Wind“, ausgewählte Gedichte, herausgegeben und eingeleitet. Verlag Hans-Dieter Heinz, „Akademischer Verlag“ Stuttgart 1988. Darin sind die restlichen Zitate von Richard Zach zu finden.
Christian Hawle: >Richard Zach<, „Die schönen Worte fallen welk und fremd …„ Kassibertexte, herausgegeben. Verlag, Bibliothek der Provinz, 1993. Zitate: 3,
Christian Hawle: >Richard Zach<, „Gelebt habe ich doch“, Biografische Texte zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung“. Globus Verlag Wien, 1989. Zitate: 1 S. 36, 2S.43-48, 4S. 125.
Christian Hawle: „Wozu solche Probleme, Todeskandidat?“ Über Richard Zach. In „Zwischenwelten“, „Literatur in der Peripherie“. Theodor Kramer Gesellschaft, Verlag für Gesellschaftskritik, 1992. S.157-193.

Tarantel:

Denkmalenthüllung St. Radegund

10. Oktober 2013