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Wir brauchen eine neue Landwirtschaftspolitik

von Bernd Kaufmann

Einhundert Jahre nach Gründung der ersten Molkerei im Bezirk Leoben haben Bauern zur Selbsthilfe gegriffen. Unsere Landwirtschaft steht vor den selben wirtschaftlichen Problemen wie damals. Seit Jahren läuft hier vieles aus dem Ruder.

 

Besonders bei den Vieh- und Milchbauern hat sich Resignation breit gemacht. Das strategische Denken haben längst andere übernommen. Heute erleben Bauern was so genannte  „Freie Marktwirtschaft“ bedeutet. Jetzt haben die Bauern auch keine Chance mehr sich selbst zu wehren, sie sind im heutigen Agrarsystem eingesperrt. Die Versuche der IG-Milch sich wieder einen eigenen Spielraum in der Lebensmittelbranche zu erkämpfen, wurde von den eigenen Bauernvertretern und den Molkereien bewußt zerstört. Viele Bauern haben es verlernt, eigenständig zu handeln, da ohnehin die Landwirtschaftskammer und der Bauernbund „wissen“ was für sie gut und richtig ist.

Der Beschluß zur Schliessung des Milchlabors in St. Michael zeigt wieder einmal wie wir unsere eigene regionale Wirtschaft und damit wichtige Arbeitsplätze selbst zerstören. Im Ennstal hat die dortige Molkerei gerade ein System eingeführt, das Bauern, die einen Teil ihrer Milch selbst verarbeitet und vermarkten, bestraft. Zusätzlich wird den Genossenschaftsmitgliedern eine Liefersperre angedroht, wenn sie sich öffentlich dagegen wehren wollen. Den Konsumenten  wird eingeredet, daß nur sie es in der Hand hätten durch ihren täglichen Einkauf die Welt zu verändern und unsere heimische Landwirtschaft zu retten. Das ist schlichtweg gelogen.

Die Probleme der Landwirtschaft haben Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft, auf die Region und ihre Menschen. Nicht nur der Verlust regionaler Lebensmittel und regionaler Arbeitsplätze findet laufend statt, sondern es wird durch die moderne Landwirtschaft auch unsere Umwelt zusehends zerstört. Die Zahlen der Landwirtschaftskammer belegen das eindeutig.

Zum Schaden unserer Umwelt

Den Bauern wird von den Bauernvertretern verschwiegen welche Reduktionsverpflichtungen für die Emissionen  im landwirtschaftlichen Bereich ab 2020 gelten. Dabei ist es typisch österreichisch, dass die verantwortlichen Politiker diese Probleme wieder einmal aussitzen wollen. Die Landwirtschaft ist vor allem durch die intensive Fütterung, extrem steigende Leistungen bei fast gleichbleibender Tierzahl, sowie stark steigendem Stickstoff- und Pestizideinsatz für mehr als 90 Prozent  der NH3-Emissionen verantwortlich. Da die Emissionen in den letzten Jahren durch den forcierten Ausbau von Laufställen stark zugenommen haben, steht die Landwirtschaft vor der Herausforderung bis 2030 um die 36 Prozent der NH3-Emissionen zu reduzieren. Das ist mit der derzeitigen Agrarwirtschaft völlig unmöglich! Da wird auch keine von den Beratern hochgejubelte Digitalisierung helfen. Wir stehen vor folgenden Problemen: Wir Bauern werden in ein paar Jahren mit schwer erfüllbaren Forderungen konfrontiert werden -  wie es gerade in Deutschland mit der neuen Düngeverordnung passiert. Gleichzeitig werden gerade die kleineren Bauern  durch zusätzliche Auflagen zum Aufgeben gedrängt. Vor allem muss das wahnwitzige Herumtransportieren von Lebendtieren und Nahrungsmitteln kritisiert werden. Zwei Beispiele: Jedes Jahr werden rund 100.000 Lebendrinder ins Ausland exportiert, gleichzeitig ungefähr die selbe Menge importiert. Österreichischer Käse wird nach Frankreich zum Aufschneiden und Verpacken gefahren und kommt dann wieder zu uns zurück. Erste zarte Lösungsansätze für eine Änderung in Richtung einer nachhaltigen, regionalen Lebensmittelproduktion gibt es jetzt in Trofaiach im Rahmen des Gartenstammtisches.

Bernd Kaufmann

Veröffentlicht: 7. April 2020

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