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Standard: "Rohdiamant als Zeitzeugin"

Ein Buch würdigt die Widerstandskämpferin Maria Cäsar

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Graz - "Ich war in meiner Jugend eine politisch interessierte Frau und ich bin es immer noch: Eine politisch interessierte, junge Frau", sagt die 86-jährige Maria Cäsar heute über sich. Die prominente Vertreterin des steirischen Widerstandes hat als junge Frau mutig gegen faschistische Regime gekämpft und leistet seit über 20 Jahren einen wesentlichen Beitrag als Zeitzeugin in hunderten Schulklassen. Selbst heute noch, nach dem sie vor einigen Monaten von einer schweren Herzoperation genesen ist. "Ich möcht weiter in die Schulen gehen und meinen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Und die jungen Leute geben mir Kraft", erzählt sie dem Standard.

Eine Würdigung Cäsars, deren Leben ein Stück spannende Zeitgeschichte ist, in Form einer Publikation war längst überfällig und wurde vom Geschichtsverein Clio vom Historiker Heimo Halbrainer herausgegeben. Halbrainer wollte vor allem auch die "Handlungsspielräume" aufzeigen, die Menschen wie Cäsar nutzten, um gegen Unrecht zu kämpfen, während andere heute sagen: "Wir konnten nichts machen".

Hörendes Arbeiterkind

Cäsar wuchs in der Arbeiterstadt Judenburg auf, wo sie sich schon früh für soziale Fragen interessierte: "Meine Eltern waren Arbeiter. Wenn die Kostburschen zu uns beim Mittagessen waren, wurde viel über Politik geredet. Freilich durften wir als Kinder noch nicht so mitreden, aber wir haben alles gehört".

Bereits mit 15 leistete das Mädchen dann im Kommunistischen Jugendverband (KJV) Widerstand gegen den Austrofaschismus und später gegen die Nazis. In den Jahren 1939 und 1940 war Cäsar insgesamt 14 Monate inhaftiert. "Unter den jungen Menschen, die damals verhaftet worden sind, waren viele Mädchen. Da waren wir in der Obersteiermark eine Ausnahme", erinnert sich Cäsar im Gespräch.

Zur Präsentation der Biografie "Ich bin immer schon eine politische Frau gewesen" am Mittwochabend kamen neben MitstreiterInnen des gerade in der Steiermark starken kommunistischen Widerstandes auch jüngere MitstreiterInnen wie jene der Arge Jugend gegen Gewalt und Rassismus und der ehemalige Rektor und Historiker der Grazer Uni, Helmut Konrad. Er hielt die Laudatio für eine Frau, die nicht nach dem Motto "Ich kann nicht", sondern wegen ihres "Ich muss!" kämpft und lebt. Konrad, der Cäsar vor 23 Jahren im Rahmen der Aktion "Zeitzeugen in die Schulen" kennen und freundschaftlich schätzen lernte, lobte ihr Talent im Umgang mit Schülern, das ihm so manchen späteren Geschichtestudenten bescherte: "Sie ist ein Rohdiamant, der sich selbst geschliffen hat".

Zwischen den 40ern und 80ern war der Weg der allein erziehenden Mutter zweier Söhne, mit denen sie 1950 nach Graz kam und in einer Baracke im Bezirk Lend lebte, weiter steinig. Heute ist sie glücklich verheiratet mit dem ehemaligen Betriebsrat Rudi, der sie in Schulen und auf Demos begleitet: "Ich bin sehr zufrieden mit meinem Mann. Mit ihm kann ich politisieren, er ist tolerant und einfühlsam". (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2006)

Veröffentlicht: 20. Oktober 2006

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