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SPÖ, ÖVP weiterhin gegen Regress-Abschaffung

Auch Sozialhilfeanwaltschft scheitert am Widerstand der Großparteien

Der Wortlaut der beiden Entschließungsanträge:

1. Einrichtung einer Sozialhilfeanwaltschaft

Die Mängel im steirischen Sozialhilfevollzug sind eklatant. Wie auch die Studie der Armutskonferenz „Sozialhilfevollzug in Österreich“ unter anderem aufgezeigt hat – und die vielen Berichte von NGOs bestätigen dies – kommen Anspruchsberechtigte in der Steiermark sehr häufig nur zu ihrem Recht, wenn sie von dritter Seite unterstützt werden.
Viele Betroffene wagen sich nur mehr in Begleitung von BetreuerInnen in die Ämter, da sie von den BeamtInnen wie BittstellerInnen behandelt und gedemütigt werden. Mit Aussagen wie „Sie sind zu jung für Sozialhilfe“ oder „Gehen Sie doch arbeiten“ werden die Betroffenen abgeschreckt und unter Druck gesetzt. Gerade in kleinen Gemeinden fehlt bei den zuständigen BeamtInnen nicht nur das Verständnis für die Situation der Betroffenen, sondern oft auch jegliche Kenntnis über das Verfahren. Es daher nicht verwunderlich, dass auch die Betroffenen selbst nicht über ihre Rechte und Ansprüche informiert sind.
Von den Behörden werden die Menschen über ihre Rechtsansprüche kaum aufgeklärt. Es gibt Bezirkshauptmannschaften, die monatelang nur so genannte „Überbrückungshilfen“ gewähren. Diese können unter dem Richtsatz liegen und beinhalten keine Sonderzahlungen.
Viele von Armut gefährdete Menschen wissen auch nicht, dass sie einen Anspruch auf einen Bescheid haben, gegen den sie berufen können und dass sie ihren Antrag auf einen schriftlichen Bescheid selbst schriftlich einbringen müssen, damit sie einen Beweis für den Zeitpunkt der Antragstellung haben. Eine Berufung gegen eine Sozialhilfebescheid - die ja auch einen begründeten Antrag enthalten muss - selbst einzubringen, ist den meisten BürgerInnen, die einen Anspruch auf Sozialhilfe haben, nicht selbständig möglich. Schon gar nicht wissen diese Menschen, dass es die Möglichkeit eines Devolutionsantrages gibt, wenn die Behörde nach 6 Monaten noch immer keinen Bescheid erlassen hat.
Es herrscht Verwirrung und Unsicherheit unter den Anspruchsberechtigten, sie wissen oft nicht was ihnen genau zusteht, wie sie zu ihrem Recht kommen und dass die Sozialhilfe kein Almosen ist, sondern ein Rechtsanspruch darauf besteht. Diese Menschen benötigen die Unterstützung einer unabhängigen und weisungsfreien Anwaltschaft, die sich für ihre Interessen einsetzt, sie über ihre Ansprüche und die gesetzlichen Regelungen informiert, bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche und beim Kontakt mit Behörden unterstützt.

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert:

1. zur Wahrung und Sicherung der Rechte und Interessen von armutsgefährdeten Menschen eine unabhängige weisungsfreie, von den Sozialämtern auch örtlich getrennte, Sozialhilfeanwaltschaft zu installieren. Diese soll Betroffene beraten, Auskünfte erteilen, über rechtliche Ansprüche und gesetzliche Regelungen aufklären, die Rechtmäßigkeit von Bescheiden prüfen, Beschwerden behandeln, Anregungen prüfen, Empfehlungen abgeben und wenn notwendig beim Kontakt mit Behörden und bei der Durchsetzung der Ansprüche (auch vor Gericht) behilflich sein, wobei sie Parteistellung im Verfahren hat und mit Rechtsmittellegitimation ausgestattet ist. Im Vollziehungsbereich des Landes sind alle zuständigen Organe und Behörden verpflichtet, die Anwaltschaft in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und auf Verlangen Berichte oder Stellungnahmen zu übermitteln, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie Akteneinsicht zu gewähren.

2. Auf die Einrichtung der Sozialhilfeanwaltschaft mittels gut sichtbarem Aushang in den Gemeinden, Sozialämtern und Bezirkshauptmannschaften hinzuweisen.

2. Abschaffung des Regresses in der offenen Sozialhilfe

Empfangene Sozialhilfemittel müssen derzeit grundsätzlich zurückgezahlt werden. Und zwar nicht nur durch die BezieherInnen selbst, sondern auch durch die ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen Angehörigen. Der Kreis der Unterhaltspflichtigen ist in der Sozialhilfe weit gefasst: Nicht nur Eltern müssen für ihre erwachsenen Kinder einstehen und vice versa, sondern auch Großeltern für ihre Enkel und umgekehrt.
Die Verpflichtung zum Regress der Sozialhilfe führt dazu, dass viele Anspruchsberechtigte vor einer Antragstellung zurückschrecken und auf die zustehende Leistung „verzichten“, weil sie sich ihren rückersatzpflichtigen Angehörigen gegenüber schämen oder Angst vor einem Konflikt mit diesen haben, ihren Kindern kein belastetes Eigenheim hinterlassen wollen oder schlichtweg die späteren Rückersatzforderungen fürchten.
Die Prinzipien der Sozialhilfe sollten aber so konzipiert sein, dass sie die dauerhafte Überwindung oder zumindest die dauerhafte Verbesserung einer Notlage ermöglichen. Regressverpflichtungen entpuppen sich in diesem Zusammenhang als Damokles-Schwert. Deshalb ist der Regress im Bereich der offenen Sozialhilfe – von widerrechtlichem Bezug abgesehen – ersatzlos zu streichen.

Es wird daher der Antrag gestellt: Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, binnen sechs Monaten eine Regierungsvorlage im Landtag einzubringen, mit der der Regress im Bereich der offenen Sozialhilfe abgeschafft wird.

Veröffentlicht: 11. März 2008

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