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Sozialhilfe: Klimt-Weithaler sieht Verbesserungsbedarf

KPÖ-Dringliche zeigt Mängel im Bereich der Praxis auf

Wer in der Steiermark um Sozialhilfe ansucht, könnte von der Behörde aufgefordert werden, das zum Leben nötige Geld zuerst von Angehörigen (Eltern, Kindern) einzuklagen. Fälle dieser Art haben sich in den letzten Monaten auffällig gehäuft. Das kritisiert KPÖ-Sozialsprecherin Claudia Klimt-Weithaler, die darin auch einen Vertrauensbruch sieht: „Mit der Abschaffung des Regresses vor einem Jahr sollten Menschen mit sehr geringem Einkommen von der Bürde befreit werden, ihre Familienmitglieder finanziell zu belasten. Diese mussten bekanntlich die bezogene Sozialhilfe zurückzahlen, falls die Betroffenen dazu selbst nicht in der Lage waren. Jetzt ist die Rückzahlungspflicht offiziell weggefallen, aber durch die Hintertüre wieder eingeführt worden – dadurch, dass Leute, die um Unterstützung ansuchen, schon vor dem Bezug von Sozialhilfe Unterhalt von ihren Verwandten einklagen müssen. Diese Praxis führt zu Zerwürfnissen in den Familien und ist unmenschlich.“

Die Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der KPÖ durch Soziallandesrat Schrittwieser in der Landtagssitzung am 18. November ergab, dass sich diese Praxis keinesfalls zwingend aus dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz ergebe. Denn in der stationären Pflege, die auf der selben Rechtsgrundlage beruht wir die offene Sozialhilfe, kommt diese Regelung ausdrücklich nicht zur Anwendung, wie Landesrat Schrittwieser bestätigte.

Klimt-Weithaler freut sich über die Zusage von LR Schrittwieser, dass MitarbeiterInnen in den Bezirkshauptmannschaften künftig genauere Informationen über Datenschutz und Aspekte der Menschenwürde beim Gesetzesvollzug erhalten sollen. Außerdem wird nächste Woche ein persönliches Gespräch zwischen dem Soziallandesrat und der KPÖ-Sozialsprecherin stattfinden, in dem es um die Klärung der bisher vorliegenden Fälle gehen soll.

Claudia Klimt-Weithaler: „Die Abgeordneten der KPÖ sind in den Sprechstunden regelmäßig mit den Problemen in diesem Bereich konfrontiert und wissen, dass es sich nicht bloß um Einzelfälle handelt. Wenn sich herausstellt, dass ein Gesetz in der Praxis seinen Zweck nicht erfüllt, ist eine Novellierung unumgänglich.“

Rede von LAbg. Claudia Klimt-Weithaler

Landtag Steiermark, 17. November 2009

In der Vorwoche wurde der Sozialbericht des Landes Steiermark veröffentlicht. Der Kronenzeitung konnte ich am 12.11. folgendes entnehmen: „Die Kernaussagen des Berichtes sind: Die Sozialausgaben explodieren, gleichzeitig sind immer mehr Menschen von Armut bedroht“.

Das hat weder mich überrascht, noch wird das für Sie, geschätzte Regierungsmitglieder und Kolleginnen und Kollegen, neu und überraschend sein. Wir wissen alle, dass immer mehr Menschen armutsgefährdet sind und immer mehr Menschen bereits unter dem Existenzminimum leben. Und zwar nicht irgendwo, sondern bei uns in der Steiermark. Die Wirtschaftskrise tut das ihrige dazu: Durch Kündigungen, Kurzarbeit und Lohnverzicht haben die SteierInnen schlicht und einfach weniger Geld im Sack und „die Schere zwischen Arm und Reich wird dadurch verstärkt“ – so wird LH-Stv., Soziallandesrat Schrittwieser, in der genannten Zeitung zitiert. Dazu noch ein paar Fakten:

* Durchschnittlich stehen jedem Steirer/jeder Steirerin monatlich 1.463 Euro zur Verfügung.

* Damit liegt die Stmk. unter dem Österreich-Durchschnitt.

* Die Menschen, die sich hilfesuchend an Einrichtungen wenden, werden immer mehr: Die Sozialservicestelle des Landes z.B. wurde 2007/2008 von 27.000 Personen kontaktiert.

* Bereits 12% der Steirer und Steirerinnen gelten als armutsgefährdet.

Diese Zahlen müssten uns eigentlich einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Tun sie aber nicht, wir kennen sie ja. Und ja, wir finden das alle miteinander schlimm. Aber wenn man solche Zahlen nur hört, weil sie an einem RednerInnenpult vorgetragen werden, sind es Zahlen und sonst gar nichts. Wenn man aber mit den Menschen hinter diesen Zahlen zu tun hat, dann ändert sich etwas – glauben sie mir.

Erst vor kurzem, Ende Oktober, genau am 27., hatte ich ein persönlich sehr berührendes und einprägsames Erlebnis, das ich ihnen hier nicht vorenthalten möchte. Ich war bei einer unserer Sozialsprechstunden in Voitsberg. Dieses Angebot wird in erster Linie von Menschen in Anspruch genommen, die Rat und Hilfe brauchen und auch auf der Suche nach finanzieller Unterstützung sind, weil sie schlicht und einfach arm sind. Eine Frau, Mitte 50, schilderte mir folgende Situation: Sie sei seit einiger Zeit geschieden und habe nun finanzielle Probleme, da sie Schulden zurückzahlen müsse und selbst nicht erwerbstätig sei. Ihr Ex-Mann wollte während der Ehe nicht, dass sie einem Beruf nachgehe, jetzt ist sie für den Arbeitsmarkt zu wenig qualifiziert und zu alt. In ihrer Region findet sie seit der Scheidung keine Stelle, obwohl sie an die hundert Bewerbungen abgeschickt hat. Hinzu kommt noch, dass sie gesundheitliche Probleme hat, sowohl psychische als auch physische.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber bis dahin war das für mich noch eine relativ „normale“ Geschichte, die ich in der oder in ähnlicher Form schon oft, leider natürlich zu oft, gehört habe. Auf meine Frage, welche gesundheitlichen Probleme sie habe und was denn im Moment das vordergründigste Anliegen an mich sei, antwortete mir die Frau: Ich brauche dringend Geld. Ich habe Brustkrebs. Das einzige, was mir gegen die Schmerzen hilft, sind Lymphdrainagen. Aber ich habe alle Einheiten, die mir die Krankenkasse zahlt, schon aufgebraucht. Was ich jetzt noch in Anspruch nehmen will, muss ich selbst zahlen, aber ich kann es mir nicht leisten.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Armut. Wenn ich mir die Behandlung meiner Schmerzen nicht leisten kann! Diese Frau gehört zu diesen 12%!

Ich hoffe, dass Sie an diese Geschichte noch lange denken müssen und dass ich Ihnen damit wieder ins Bewusstsein rücken konnte, was es in der Realität heißt, wenn wir von den armutsgefährdeten und armen Menschen in der Steiermark sprechen.

Und das in einem Staat, der – in diesem Zusammenhang muss man fast sagen – unverschämt – reich ist. Die Geldvermögen haben sich in Österreich binnen der letzten 10 Jahre (von 1997 bis 2007) mehr als verdoppelt. Das Geld ist also vorhanden. Was nichts anderes heißt, als dass es absolut keine Armut in Österreich geben müsste.

Problematisch daran ist allerdings, und das wissen Sie ebenso gut wie ich, diesen Reichtum teilen sich ein paar Wenige – denn: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt ein Drittel des privaten Vermögens, 9 % ein weiteres Drittel und das letzte Drittel müssen sich die restlichen 90 % der Menschen teilen.

Deswegen fordert die KPÖ seit geraumer Zeit die Einführung einer Reichensteuer – über 5.000 Menschen sehen das auch so und haben unsere Petition, die wir am 5.11.2009 dem Nationalrat übergeben haben, unterschrieben. Wir alle müssen Steuern zahlen, warum sollen nicht jene, die so viel Geld besitzen, dass sie es in einem Leben gar nicht ausgeben können und die dieses Vermögen meist nicht selbst hart erarbeitet, sondern geerbt haben, eine Steuer auf ihr Vermögen zahlen und damit einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten?

Wenn wir von der Reichensteuer sprechen, heißt es gleich: Wir wollen Neid schüren und die Einnahmen würden das Kraut nicht fett machen. Wir wissen aber alle, dass wir die Wirtschaft nur dann ankurbeln können, wenn die Mehrheit der Bevölkerung etwas zum Ausgeben in der Tasche hat. Und wir wissen alle, dass es so nicht weitergehen kann – wie ich schon eingangs erwähnt habe und wie es im Sozialbericht steht: Immer höhere Ausgaben im Sozialbereich und immer mehr arme Menschen sind kein Mittel zum effektiven Kampf gegen die Krise!

Es ist eine Schande, dass Menschen bei uns obdachlos sind, Hunger haben und sich ihre Schmerzen nicht behandeln lassen können, weil ihnen das Geld dazu fehlt.

Sehr oft wird auch mit dem Argument der leeren öffentlichen Kassen argumentiert. Mich wundert es nicht, dass sich die Kassen in der Stmk. z.B. nicht füllen – man muss ja mittlerweile schon den Eindruck gewinnen, dass der Finanzlandesrat wohl darauf bedacht ist, dass nur ja keine Einnahmen hereinkommen. Ich erinnere an unsere Vorschläge, die die Landesregierung sofort umsetzen könnte: Nahverkehrsabgabe für Unternehmen nach Wiener Vorbild, Schotterabgabe, höhere Besteuerung von Glücksspielautomaten. Alles keine vernachlässigbaren Größen, z.B. würde „unsere“ Nahverkehrsabgabe 24 Millionen Euro pro Jahr bringen, die Automatensteuer über 40 Millionen.

Jetzt sagt aber unser neuer Soziallandesrat, Herr LH-Stv. Schrittwieser, in einem Interview: „Der Spargedanke gilt für uns alle, doch im Sozialbereich geht es immerhin um Existenzen. Das ist für viele Leistungsbezieher eine Überlebensfrage.“ Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, denn momentan passieren in der Steiermark eigenartige Dinge in der Sozialhilfe-Praxis, die man eigentlich nur mehr als familienfeindlich und unmenschlich bezeichnen kann. Und wohlgemerkt, es geht bei diese Zielgruppe um die ärmsten der Armen: Seit 1.11.2008, also seit knapp einem Jahr, ist der Sozialhilfe-Regress in der Steiermark abgeschafft. Können Sie sich noch an die Wortmeldungen der Sozialsprecher und -sprecherinnen aller Fraktionen erinnern? Wahre Lobeshymnen wurden damals gesungen (inklusive meinerseits) – schließlich haben wir gemeinsam mit den Grünen immer und immer wieder getrommelt und wurden schließlich „erhört“.

Für viele Betroffene ist das wirklich ein sozialpolitischer Meilenstein, denn sie müssen weder die Rückzahlung fürchten, noch die Eintreibung der Leistung bei ihren Angehörigen. Doch seit geraumer Zeit stellen wir vermehrt fest, dass es offensichtlich Versuche gibt, auf dem Rücken der Betroffenen die Kosten für die Sozialmaßnahmen des Landes Steiermark wieder auf das vorherige Niveau zu drücken. Hilfesuchenden, die Sozialhilfe beantragen, wird diese immer öfter verwehrt mit dem Argument, sie müssten stattdessen ihre Angehörigen auf Unterhalt klagen. Das bedeutet, dass Eltern ihre gerade volljährigen Kinder, Personen jenseits der 40 ihre Eltern und Geschiedene trotz Vorliegen eines Unterhaltsverzichts ihre ehemaligen Ehegatten auf Unterhalt klagen müssen.

Auch wenn absehbar ist, dass eine solche Klage nichts bringen wird, weil die Beklagten selbst oft ein zu geringes Einkommen haben oder bei geschiedenen Ehegatten oft nicht einmal der Aufenthaltsort bekannt ist, muss der Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden oder die Angehörigen müssen ihre Einkommensverhältnisse offen legen.

Können Sie sich vorstellen, was das in der Praxis heißt? Wir kennen einige Fälle, die wir auch bereits an die zuständige Stelle weitergeleitet haben, wo die Familien zusätzlich zu ihrer existenzbedrohenden Lage auch noch in Streit geraten und oft sogar den Kontakt zueinander abbrechen.

Durch diese Praxis werden nicht nur Familien zerstört, diese Praxis führt die Abschaffung des Regresses ad absurdum. Und es geht wieder einmal den Ärmsten an den Kragen auf unwürdige und unmenschliche Weise!

18. November 2009