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Silvester Heider: Ein wahrer Patriot

Silvester Heider:
Ein wahrer österreichischer Patriot

(Ansprache von Werner Murgg bei der Feierstunde in Trofaiach)

Am 22. Oktober bekam in Trofaiach der Platz vor dem alten Umspannwerk-Ost den Namen Silvester Heider-Platz. Es wurde auch eine Gedenktafel für den Widerstandskämpfer, der 1944 im Kampf gegen die Neofaschisten am Thalerkogel gefallen ist, von Bürgermeister August Wagner und Gemeinderätin Gabi Leitenbauer enthüllt. Zur Feierstunde hatte die KPÖ geladen.
Dort hielten der Amtsstellenleiter der AK, Dr. Dr. Werner Anzenberger, Bürgermeister Wagner und Gemeinderat Dr. Werner G. Murgg Ansprachen. Im Folgenden die Rede von Werner Murgg

„Mein geschätzter Vorredner, Kollege Werner Anzenberger, hat die Person Silvester Heider in den historischen Bezugsrahmen gesetzt. Ich glaube sagen zu dürfen, seinen ausgezeichneten Ausführungen ist kaum etwas hinzuzufügen.

Ich möchte etwas anderes versuchen. Ich möchte versuchen in kurzen Worten zwei Beweggründe herauszuarbeiten, welche die Partisanen um Silvester Heider zu ihrem mutigen und gerechten Tun angeregt haben. Dann will ich versuchen zu skizzieren, wie wichtig das Wachhalten dieser Beweggründe auch für uns heute sein sollte. Die sich im Sommer 1942 bildende Partisanengruppe Leoben/Eisenerz, der Silvester Heider angehörte, stützte sich politisch-ideologisch auf das sogenannte ÖFF-Programm von 1943, das sich die im November 1943 gegründete österreichische Freiheitsfront (ÖFF) gegeben hatte. Die ÖFF war ein loser Zusammenschluß von Widerstandskämpfern aus dem obersteirischen Raum, aber auch aus Graz und Villach.

Ökonomische Triebkräfte

In einem Punkt dieses Programms heißt es: "Wir streben die Enteignung der Schwerindustrie, des Großgrundbesitzes, sowie der faschistischen Institutionen und deren Verstaatlichung bzw. Aufteilung an." Diese Forderung der österreichischen Partisanen legt tiefe Einsichten in die Ursachen faschistischer Gewaltherrschaft frei; nämlich sich darüber klar zu sein, dass die Ursachen, die Triebkräfte des Faschismus, wie jedes gesellschaftlichen Tuns, letztlich in der Ökonomie, in der Wirtschaft begründet sind! Die bürgerliche Demokratie - so wichtig und schützenswert sie ist, das kann nicht deutlich genug gesagt werden - als politische Hülle eines Gemeinwesens ist alleine kein Garant dafür, dass aus ihrem Schoß heraus sich nie wieder faschistische Gewaltherrschaft erheben wird. Es ist wahrlich keine These verbohrter Marxisten, nein, vielmehr auch in Kreisen fortschrittlicher bürgerlicher Denker werden die Vereinigten Staaten von Amerika unter George W. Bush und seiner äußerst Rechten politischen Mannschaft als semifaschistisch eingestuft. Obwohl die USA des Jahres 2004 formal alle Kriterien einer bürgerlichen Demokratie erfüllen: freie und geheime Wahlen, Pressefreiheit, unabhängige Rechtsprechung, Mehrparteiensystem etc. Was will ich damit sagen? Ein lediglich nur ideell begründeter Antifaschismus, so edel die Beweggründe auch sein mögen, bleibt, wenn er die ökonomischen Bedingungen ausblendet immer nur an der Oberfläche. Es waren und sind die wirtschaftlichen Triebkräfte, der Drang riesiger Kapitalgruppen nach Maximalprofit, die damals 1933 in Deutschland das Unheil hervorbrachten, genauso wie sie es 2004 in anderen Weltgegenden tun. 1933 bis 1945 hatte das Verbrechen an der Oberfläche den Namen Adolf Hitler, aber dahinter standen Thyssen, Krupp oder IG Farben, um nur einige zu nennen. Und 2004 stehen hinter dem Vorhang Halliburton, Chevron Oil, kurz der militärisch-energieindustrielle Komplex der USA, aus dem sich der Beraterstab von Bush jr. rekrutiert. Sprichworte simplifizieren, verkürzen, vereinfachen: Aber sie haben immer einen wahren Kern. Es heißt: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen. Und damit bin ich wieder bei der Eingangs zitierten Forderung der ÖFF.

Unabhängiges Österreich

Gestatten sie mir, dass ich noch auf eine zweite Losung des ÖFF-Programmes aus 1943 eingehe. Dort heißt es: "Wir kämpfen für die Errichtung eines freien, unabhängigen, demokratischen Österreich, das mit allen Völkern in Freundschaft zu leben gewillt ist, jeden Rassen- und Nationalhass bekämpft sowie Religions- und Meinungsfreiheit sichert". Viele von uns haben sich vielleicht schon einmal gefragt, wie es damals, als Österreich ausgelöscht war, im Zeitalter eines massenhypnotischen deutschen Volksgemeinschaftstaumels trotzdem möglich war, daß einfache Männer und Frauen nicht nur für den Sturz der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kämpften, sondern auch und gerade für die Wiedererrichtung eines freien und unabhängigen Österreich. Bei der Beantwortung dieser Frage kommt mir Alfred Klahr in den Sinn. Auch deshalb, weil dieser Tage, nahezu unbemerkt von der österreichischen Öffentlichkeit, sein einhundertster Geburtstag begangen wurde. Alfred Klahr, seit 1924 Mitglied der KPÖ, begründete 1937 in einer Artikelserie des theoretischen Organs "Weg und Ziel" den Gedanken einer eigenständigen österreichischen Nation. Alfred Klahr wurde 1942 ins KZ deportiert und 1944 erschossen. In seiner Arbeit weist Klahr schlüssig nach, daß Österreich kein Teil der deutschen Nation sei, sondern eine eigenständige nationale Entwicklung aufweisen könne. Klahr arbeitet heraus, daß eine Nation durch einen gemeinsamen kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Raum konstituiert wird. In diesem Sinne nahm Österreich sehr früh eine von Deutschland eigenständige Entwicklung. Ich weiß nicht, wie genau die österreichischen Partisanen um Silvester Heider mit der Arbeit Klahrs vertraut waren. Aber sicher ist, daß in der illegalen KPÖ die Thesen dieses Theoretikers zirkulierten und als geistige Waffe gegen die von den deutschen Besatzern vertretene These, Österreich sei ein Teil Deutschlands, verwendet werden konnten! Im Eintreten für die Unabhängigkeit unseres Landes, in der Verteidigung der spezifisch österreichischen Neutralität, sollten sich alle fortschrittliche Kräfte unseres Landes auch heute von den Erkenntnissen Alfred Klahrs leiten lassen.

Es gibt in der österreichischen Geschichte eine Tradition, die ich etwas pathetisch wahrer österreichischer Patriotismus nennen möchte. Dieser wahre österreichische Patriotismus heißt zu allererst Abkehr vom Großmachtdenken, egal ob habsburgisch oder großdeutsch. Wahrer österreichischer Patriotismus heißt ankämpfen gegen eine Bevormundung anderer Völker. Wahrer österreichischer Patriotismus heißt Bekenntnis zu den fortschrittlichen Traditionen unseres Volkes: er kann beim Bauernkrieger Michael Gaismair genauso anknüpfen, wie bei den Revolutionären von 1848, die an der Seite der jungen Arbeiterbewegung standen. Er fußt auf dem Hainfelder-Programm der Sozialdemokratie genauso, wie auf den Erfahrungen der Jännerstreiks 1918 oder der kämpfenden Schutzbündler 1934 bis zu den Widerstandskämpfern in der Zeit des Ständestaates und des unseligen Dritten Reiches.

Gestatten sie mir zum Abschluss ein Zitat. Es stammt aus einem Vortrag des Historikers Hans Hautmann zum Thema österreichischer Patriotismus. Hans Hautmann meint: "Wahrer österreichischer Patriotismus ist daher nur möglich und realisierbar auch als sozialer Kampf jener, die den gesellschaftlichen Reichtum in unserem Land schaffen gegen jene, die ihn sich aneignen und die in ihrer Jagd nach dem Profit die Interessen Österreichs stets lieber preisgaben als sich mit einer Schmälerung abzufinden."

In diesem Sinne dürfen wir den heute gewürdigten Silvester Heider einen wahren österreichischen Patrioten nennen!

22. 10. 2004

Veröffentlicht: 25. Oktober 2004

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