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Sepp Filz: Ein Leobner im Widerstand und beim Wiederaufbau

KORSO zum Gedankenjahr 2005 KORSO setzt seine Reihe zum „Gedankenjahr 2005“ mit einem weiteren Artikel des Grazer Historikers Heimo Halbrainer über den steirischen Widerstandskämpfer Sepp Filz fort.
Sepp Filz: Ein Leobner im Widerstand und beim Wiederaufbau

Kalt war der Winter 1944/45 in den obersteirischen Bergen. Für Sepp Filz war es bereits der zweite, den er dort gemeinsam mit anderen in der Illegalität lebend zubrachte: Filz war Partisan in den Bergen um Leoben und Eisenerz und ab dem 8. Mai 1945 kurzzeitig die wichtigste Person in Leoben und Umgebung. 1951 wurde er aus der Steiermark ins niederösterreichische „Exil“ vertrieben, wo er knapp nach Vollendung seines 88. Lebensjahres 1994 starb. Dass er fast die Hälfte seines Lebens in St. Pölten verbringen musste, hängt mit einem Stück österreichischer Zeitgeschichte zusammen.
Sepp Filz wird am 18. November 1906 in Donawitz geboren. In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts war die Gemeinde rasch gewachsen. Das Herzstück bildet das „Reich der Alpine“, die das Leben des Bezirks prägt. Schon der Großvater und der Vater arbeiteten im Werk Donawitz, auch Sepp Filz und seine Brüder sollten hier später Arbeit finden. Die Familie ist sozialdemokratisch eingestellt, erste sozialpolitische Erfolge zu Beginn des Jahrhunderts lassen viele hoffen. Rückschläge folgen meist auf dem Fuß.

Sepp Filz besucht in Donawitz die Volksschule. Nach dem Krieg reicht das Geld nicht für eine weitere Schulbildung. Filz beginnt eine Schlosserlehre, tritt der Sozialistischen Arbeiterjugend bei, dem Bauvolk der kommenden Welt. Der Sozialismus ist das Ziel. Für einige Wochen gibt es auch eine sozialistische Republik Donawitz. Die Direktion der Alpine wird besetzt, der Direktor davongejagt und aus ihrem Kreis wählen die Arbeiter ein Direktorium. Es ist Anfang April 1919. Gestern Ungarn, heute Donawitz, heißt es. Der kleine Sepp Filz erinnert sich: So geht das nicht, meint SDAP-Vorsitzender Otto Bauer, zuerst müssen Gesetze her. Es sollten 26 Jahre vergehen, bis am 29. Juni 1945 Sepp Filz wieder die Verstaatlichung der Alpine einfordern wird.

Die Erste Republik
Im Jahr 1922 spricht niemand mehr von Sozialisierung. Im Gegenteil. Der Zehnstundenarbeitstag wird wieder gefordert. Spontane Arbeitsniederlegungen und Versammlungen sind die Folge. Die sozialdemokratischen Betriebsräte versuchen zu beschwichtigen. Der Unmut der Arbeiter richtet sich plötzlich auch gegen sie. Kommunisten melden sich zu Wort und gewinnen die nächste Betriebsratswahl, Sepp Filz tritt der KPÖ bei.

Sepp Filz, 1931 auf der „Walz“ an der französischen Atlantikküste in Lacanau

Nach der Lehre zieht er hinaus in die Welt. Er walzt und nennt es eine Weltreise. Diese führt ihn nach Deutschland, Dänemark, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Marokko, Algerien, Tunesien und Italien. Er wandert und arbeitet. Und er lernt die Solidarität, die internationale, kennen. 1932 kehrt er nach Donawitz zurück. Die Stadt ist bankrott, das Werk steht still. Wiener Zeitungskommentatoren nennen Donawitz einen Luftkurort. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt von der Arbeitslosenunterstützung, viele tausend sind bereits ausgesteuert. Sepp Filz ist politisch aktiv, spricht bei Versammlungen. Arbeit gibt es für ihn keine mehr. Fast täglich kommt es zu Kundgebungen, Hungerdemonstrationen und Auseinandersetzungen mit der Heimwehr, Nationalsozialisten und Polizeibeamten. Sepp Filz wird ein erstes Mal verhaftet.

Verfolgt von Austrofaschisten …
Am 12. Februar 1934 krachen Schüsse. Sepp Filz kämpft, wird festgenommen, kann entkommen und flieht mit anderen durch den bauchtiefen Schnee in die Berge. Koloman Wallisch wird hingerichtet. In Donawitz schwören sie Rache und fordern die Genossen auf, keine Waffen aus der Hand zu geben. Im Juli 1934 wird Sepp Filz erneut verhaftet. Er kommt ins Anhaltelager Graz-Waltendorf. Bald wieder frei, ist er wieder politisch aktiv und wird 1935 zum Delegierten der Provinz gewählt, der nach Moskau fahren soll. Dort tagt zwischen dem 25. Juli und dem 20. August der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale. Wieder zu Hause in der Obersteiermark hält Filz Versammlungen ab, berichtet vom Kongress. Die Stimmung ist optimistisch, ein Thema ganz zentral: Die Schaffung einer antinationalsozialistischen Abwehrfront gemeinsam mit den Gegnern von 1934. Am 5. November 1936 wird Sepp Filz erneut verhaftet. Die Anklage lautet auf Vorbereitung zum Hochverrat, doch reichen die Beweise nicht. Er kommt im Juni 1937 wieder frei.

… und Nationalsozialisten
Am 11. März 1938 gibt es in Leoben eine letzte große Kundgebung für Österreich und gegen Nazideutschland. Dabei kommt es zu Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten. Tage später wird Sepp Filz von den neuen Machthabern festgenommen. Einige kennt er von früher her. Einer war sogar einmal ein Freund und Genosse, nun ist er Obmann der Deutschen Arbeitsfront und Landrat. Zuerst versucht er Sepp Filz für die neue Zeit zu gewinnen, dann warnt er ihn, nichts gegen sie zu unternehmen. Er könne sonst leicht den Kopf verlieren. Dafür gibt es in Donawitz bald wieder genügend Arbeit: In Eisenerz und Donawitz sollte bestes deutsches Eisen geschmiedet werden, wie Göring noch im März verkündet. Im Steirergewand gibt er die Einstellung von fünfhundert Arbeitern bekannt. Nur 48 von 10.500 stimmen zwei Wochen später gegen den vollzogenen Anschluss, einer davon ist Sepp Filz.
Bald wird die illegale Tätigkeit wieder aufgenommen. 1939 gibt es die ersten Rückschläge. Hunderte werden verhaftet. Sepp Filz bleibt unbehelligt.

Als Partisan in der Obersteiermark
Mit dem Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion kommt es in der Obersteiermark vermehrt zu Sabotageakten und zu Solidaritätsaktionen. Mit den Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern wird Kontakt aufgenommen, Sepp Filz knüpft Kontakte zu den slowenischen Arbeitern. Diese wiederum haben Verbindungen zu den Partisanen. Eine Partisanenanleihe wird organisiert. Eine gewöhnliche Reichsmark wird als Anlageschein für zehn Reichsmark verwendet. Das Geld geht nach Jesenice. Im März 1943 werden dort Mitglieder der slowenischen Befreiungsfront verhaftet. Sepp Filz fürchtet ebenfalls verhaftet zu werden. Gemeinsam mit Anton Wagner flieht er ins Triglav-Gebiet zu den slowenischen Partisanen. Nach mehrmonatigem Einsatz im Kärntner-slowenischen Grenzgebiet zurück in Donawitz organisiert er in der Obersteiermark den Partisanenkampf. Im Herbst 1943 wird die ÖFF, die Österreichische Freiheitsfront, gegründet.

Sie ruft alle auf, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einschließlich Waffengebrauch gegen die faschistischen Okkupanten und ihre österreichischen Helfershelfer zu kämpfen. Das Ziel sei ein freies, unabhängiges, demokratisches Österreich. Die Schwerindustrie und der Großgrundbesitz sollen verstaatlicht werden. Im Frühjahr 1944 beginnen die obersteirischen Partisanen mit Sabotageakten. Am 1. Dezember 1944 wird Sepp Filz im Kampf schwer verwundet, dennoch gelingt es ihm, gemeinsam mit Max Muchitsch den Verfolgern zu entkommen. Dank der Hilfe der Bodenorganisation können sie bis ins Frühjahr 1945 untertauchen.

Der Standort Donawitz wird gesichert
Das Tausendjährige Reich steht vor dem Ende und will verbrannte Erde hinterlassen. Die Hochöfen in Donawitz sollen gesprengt werden. Das muss verhindert werden. Gemeinsam mit Max Muchitsch dringt Sepp Filz ins Werk ein, lässt den Werkschutz entwaffnen und übergibt die Waffen den Mitgliedern der ÖFF. Es ist der 8. Mai 1945.

Sepp Filz 1945 beim Anblasen des Hochofens Donawitz (Archiv Halbrainer)

Ein Dreier-Ausschuss wird gebildet. Sepp Filz steht ihm vor, ein Sozialist und ein Christlichsozialer stehen ihm zur Seite. Eine Zeitung, Das Obersteirische Tagblatt, wird herausgegeben. Es geht darum, die Hinterlassenschaften der Nationalsozialisten wegzuräumen und den Wiederaufbau voranzutreiben.
Noch im Juni 1945 gehen die ersten Elektroöfen in Betrieb. Sepp Filz fordert Mitbestimmung für die Arbeiter und die Sozialisierung der Betriebe. Im Juli wird die Walzstrecke wieder in Betrieb genommen. Im Herbst steht Donawitz vor dem Ende. Sepp Filz spricht bei der provisorischen Regierung in Wien vor. Karl Renner sagt ihnen volle Unterstützung zu. Sepp Filz versichert Renner, dass bald aus Donawitzer Hochöfen Eisen fließen wird. Am 10. August 1946 ist es so weit. Doch nun muss auch der zweite Hochofen in Betrieb genommen werden. Sepp Filz organisiert Schrott, Geld und Essen. Das Überleben des Standortes Donawitz ist gesichert.

Wieder verfolgt
Der Kalte Krieg wirft bald seine Schatten auch auf Donawitz: Nach dem Oktoberstreik 1950 gegen das vierte Lohn-Preis-Abkommen werden Filz und alle anderen kommunistischen Betriebsräte ungeachtet ihrer Verdienste um den Wiederaufbau verhaftet und fristlos entlassen. Nach dreizehntägiger Untersuchungshaft muss ihn die Alpine zwar wieder einstellen, doch nur mehr für einige Wochen: Im Februar 1951 wird er zu sechs Monaten schwerem Kerker verurteilt. Der Grund: öffentliche Gewalttätigkeit. Der Anlass: die Störung einer am 20. April unter Polizeischutz stehenden Versammlung des VdU in Leoben. Sepp Filz wird entgültig entlassen. In der Steiermark herrscht Facharbeitermangel; Filz wird mit offenen Armen bei einem anderen Betrieb aufgenommen, dessen Direktor 1945 Mitglied im von Sepp Filz geleiteten Industrieausschuss war. Wochen später muss er ihn auf Befehl von oben wieder entlassen. Sepp Filz versucht es noch ein Jahr lang. Dann „emigriert“ er nach St. Pölten.

– Heimo Halbrainer –


Veröffentlicht: 11. April 2005

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