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Sebastian Wisiak auf fm 4

Interview mit dem KSV-Spitzenkandidaten bei der Hochschülerschaftswahl

Interview mit Sebastian Wisiak (Spitzenkandidat des KSV) KSV und ÖH-Wahlen. FM4-Interview mit Sebastian Wisiak, Spitzenkandidat und Bundesvorsitzender des KSV. Das Interview führte Christoph Weiss und es ist hier zu finden.

Woher kommt dein Interesse für Politik?
“Durch die die Überzeugung, dass es nicht geht, einfach nur zu schimpfen. Man muss etwas gegen Zustände tun, wenn sie einem nicht gefallen.”

Was ist der Grund für dein Engagement im Kommunistischen StudentenInnenverband?
“Ich habe schon sehr früh gemerkt, dass in der Welt viel falsch rennt. Dass wir hier im Westen ein recht schönes Leben haben, während der Großteil der Welt leidet, und eigentlich wir den Rest der Welt ausbeuten. Dass das kapitalistische System für viel Leid auf der Welt verantwortlich ist.”

Und warum engagierst du dich in der ÖH?
“Einserseits komme ich von der Medizin-Uni Graz. Als ich dort zu studieren begonnen habe, gab es einen neuen Studienplan mit irrsinnig vielen Problemen, wo es viel zu tun gab und noch immer gibt. Andererseits finde ich es wichtig, dass wenn man anfängt sich politisch zu engagieren, das auch dort macht, wo man selbst ist - ich kann nicht hergehen und mich für die Interessen der Bauarbeiter einsetzen, wenn ich keine Ahnung davon habe, wie deren Lebenssituation ist.”

Studium und ÖH-Arbeit zugleich ist wahrscheinlich ganz schön viel - wie lange brauchst du noch fürs Medizinstudium?
“Ich sollte in zweieinhalb Jahren fertig sein. Das ist alles Organisationssache. Es ist natürlich schon zeitaufwendig. Aber ich finde, das ist schon okay so. Ich fange jetzt gerade mit der Diplomarbeit an. ”

Bloggst du oder hast du einen Account bei einem Online-Netzwerk, einer Social Networking Plattform usw.?
“Ich blogge nicht, bin aber auf Facebook und StudiVZ. Weil es auch wichtig ist für die Arbeit. Da ich Studienvertreter bin, finde ich es wichtig, dass mich die Leute dort erreichen können. Das ist oft einfacher für die Leute als wenn sie das über E-Mails machen.”

Was ist für dich die zentrale Aufgabe der ÖH?
“Die zentrale Aufgabe der ÖH ist es, eine politische Interessensvertretung für die Studierenden zu sein. Die Interessen der Studierenden umzusetzen. Und zwar die tatsächlichen. Dafür ist es notwendig, dass die ÖH direkt auf die Studierenden zugeht und auch herausfindet, was die Studierenden wollen. Das ist etwas, das derzeit defacto nicht passiert. Die ÖH sollte, sobald sie die Themen aufgegriffen hat, versuchen, dass die Studierenden für diese Interessen zu sammeln und organiseren und alles dransetzen, dass die auch umgesetzt werden. ”

Es gibt seit einigen Jahren keine Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung mehr. Wie findest du das?
“Die Abschaffung der Direktwahl hat natürlich zu einer Verzerrung der Wahlergebnisse geführt. Weil kleinere Universitäten in gewisser Weise mehr Stimmrecht haben als große. Das hat dazu geführt, dass jetzt die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft wesentlich stärker vertreten ist, während kleine Fraktionen weniger Stimmrecht in der Bundesvertretung haben. Von der Arbeit her hat sich eigentlich wenig geändert, weil die Bundesvertretung schon vorher kaum irgendetwas bewegt hat.”

Wie groß ist der Einfluss der ÖH auf die Politik?
“Der Einfluss ist denkbar gering. Man muss bedenken: Die ÖH hat eigentlich keinerlei legislative Kompetenzen. Und dadurch können die Funktionäre kaum irgendetwas Relevantes entscheiden. Wenn wirklich größere Würfe erzielt werden sollen, dann ist es immer wichtig, dass Studierende eingebunden werden, ich denke da an größere Protestmaßnahmen. Bei uns an der Meduni Graz hat es zum Beispiel sehr große Proteste gegen die bestehende Warteliste gegeben, die über Monate angedauert haben. Und die haben dazu geführt, dass die Warteliste dann abgeschafft wurde. Die ÖH hat sich da auch lange engagiert, ohne die Studierenden einzubeziehen, hat auch Klagen eingebracht und alles mögliche, aber dort ist überhaupt nichts weitergegangen.”

Wie steht der KSV zum Thema Zugangsbeschränkungen?
“Die Zugangsbeschränkunden sind auf jeden Fall sozial selektiv. Zum einen können sich Kinder aus reichen Familien teure Nachhilfekurse und Vorbereitungskurse leisten. Zum anderen müssen die nicht arbeiten gehen und haben viel mehr Zeit zu lernen. Also klar sozial selektiv, und darum ist der KSV gegen Zugangsbeschränkungen.”

Nächstes Thema: Praktikantinnen und Praktikanten. Was hältst du von deren Situation?
“Praktikanten werden als unbezahlte Arbeitskräfte herangezogen. Das ist eine irrsinnige Frechheit. Es gibt keinerlei Entlohnung und auch keinen Rechtsschutz - eine untragbare Situation.”

Wie steht der KSV zum Thema E-Voting?
“Das freie und geheime Wahlrecht ist nicht gewährleistbar. Bei einer Papierwahl ist die Wahlkommission während jedes Akts der Wahlhandlung anwesend und kann nachvollziehen, dass die Wählerinnen und Wähler geheim und ohne Zwang abstimmen. Wenn das vor irgendeinem Computer geschieht, kann das nicht nachvollzogen werden. Es ist zum Beispiel auch möglich, dass Leute vor den Augen anderer eine bestimmte Fraktion wählen und dann eine Belohnung dafür bekommen. Was weiters sehr fragwürdig ist: Es gibt durch die neue Wahlordnung ohnehin schon eine Verfälschung, durch Mehrfachinskriptionen, die hauptsächlich von der AktionsGemeinschaft betrieben werden. Auch jetzt gibt es die Möglichkeit, dass sich da Leute an allen Universitäten inskribieren lassen und dann überall wählen dürfen. Früher, bei Papierwahlen, hätten sie noch von Uni zu Uni fahren müssen, um überall zu wählen, was ein großer finanzieller Aufwand gewesen wäre - jetzt können sie das gemütlich von zu Hause am Computer aus.”

Die lang favorisierte Vizerektorin Hochleitner ist nicht zur Leiterin der Med-Uni in Innsbruck gewählt worden. Also weiterhin keine einzige Rektorin in Österreich. Was sagst du dazu?
“Frauenpolitik ist ein zentrales Thema des KSV. Aber wir sagen: Es hört bei Quoten und Binnen-I nicht auf, sonder dort fängt es erst an. Frauen werden strukturell benachteiligt. Ein Großteil der unbezahlten Arbeit wird noch immer auf Frauen abgewälzt, dazu gehören Kinderbetreuung, Hausarbeit oder auch die Altenpflege. Frauen leisten einen Großteil der Arbeit auf der Welt, während Männer die Bezahlung bekommen. Auch dass Frauen für die gleiche Arbeit oft weniger bezahlt kriegen als Männer ist untragbar. Aber das ist jetzt an den Hochschulen direkt nicht zu ändern, sondern da braucht es ein gesellschaftliches Umdenken und vor allem gesellschaftliches Engagement.”

Zum Wahlprogramm des KSV. Was sind die wichtigsten drei Themen?
“Der wichtigste Punkt für uns ist auf jeden Fall die direkte Mitbestimmung. Wir sind der Meinung: Wenn die Studierenden selber mitreden, dann gibts auch keine faulen Kompromisse. Derzeit ist es so, dass viele ÖH-FunktionärInnen ihre Tätigkeit dazu nutzen, an der eigenen Karriere zu basteln. Wenn die Studierenden etwas von der ÖH hören, dann nur, wenn die einen vermeintlichen Erfolg zu verbuchen hat. Transparenz ist überhaupt nicht gegeben. Wir treten dafür ein, dass die Studierenden direkt einbezogen werden in die Arbeit, von Beginn an. Dass in den einzelnen Studienrichtungen die Studienvertretungen verpflichtet sind, Studierendenversammlungen abzuhalten, wo die Studierenden auch Beschlüsse fassen können, die bindend sind, und wo die MandatarInnen rechenschaftspflichtig sind.
Eine weitere wichtige Forderung von uns: Studieren muss leistbar werden. Momentan schaut es so aus, dass ArbeiterInnenkinder oder Kinder aus den sogenannten unteren sozialen Schichten immer mehr vom Studium ausgeschlossen werden, weil es immer mehr zur Geldfrage wird, wieviel Bildung man beziehen kann. In dem Sinn sind wir zum Beispiel dafür, dass die Studiengebühren ganz wegkommen, auch für die Fachhochschulen. Dass StudentInnenfreifahrt wieder eingeführt wird. Dass die Beihilfen ordentlich erhöht werden.
Ein Dritter Punkt ist, dass wir uns ganz klar gegen den Bologna-Prozess stellen, der nach außen für die Vereinheitlichung des europäischen Bildungssystems steht. Er sieht nämlich eigentlich auch vor, dass man die Universitäten in Europa einer Konkurrenz untereinander aussetzt. Das führt dazu, dass einige wenige Universitäten einen Großteil der finanziellen Mittel auf sich vereinigen und für die Elite da sind, während die meisten Unis für die Masse eine Bildung von geringerer Qualität bieten.”

Welches Verhältnis hat der KSV zur KPÖ?
“Das kommt drauf an. Der KSV muss an der Uni Wien als Kommunistische Jugend Österreichs antreten. Wir sehen die KJÖ als Schwesterorganisation des KSV, und wir berufen uns beide in unserer Geschichte auf den Kommunistischen Jugendverband, der auch schon im antifaschistischen Widerstand sehr stark tätig war. Der Umstand, dass das Ernst-Kirchweger-Haus - benannt nach einem Widerstandskämpfer, der in den 50er Jahren von einem Faschisten bei einer Demonstration erschossen wurde - von der KPÖ verkauft wurde, an Christian Machowetz, einen Neonazi, der es mit einem Spekulationsgewinn von 1 Million Euro weiterverkauft hat… Wir haben daraufhin die KPÖ stark kritisiert, und die KPÖ hat im Gegenzug dem KSV die finanziellen Mittel eingestellt. Der KJÖ ist es nicht anders gegangen. Weil die KPÖ in Wien sich gedacht hat, sie hätte doch gern eine Vorfeldorganisation an der Uni, hat sie versucht, Leute zu gewinnen und hat es 2006 geschafft, dass ein paar Leute vom KSV auf ihre Seite umschwenken. hat versucht, einige Leute vom KSV auf ihre Seite umschwenken. Das sind die Leute, die die Mandate besessen haben, und darum können wir an der Uni Wien jetzt nicht als KSV auftreten, weil die diesen Namen quasi gepachtet haben. Es ist aber so, dass wir in anderen Bundesländern wie Salzburg und der Steiermark ein sehr gutes Verhältnis zur KPÖ haben. Also das ist durchaus ambivalent. Ich finde, dass das für uns aber durchaus einen Vorteil hatte, weil wir jetzt alternative Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt haben und dadurch unsere Politik ohne Parteivorgaben machen können.”

Du forderst mehr demokratische Kontrolle und mehr Mitsprache. In Staaten die sich heute als kommunistisch bezeichnen, also etwa Nordkorea oder Kuba, gibt’s davon nicht allzuviel. Wie siehst du das?
“Über Nordkorea kann ich jetzt nichts sagen. Ich glaube nicht, dass das dem entspricht, was wir uns als kommunistisch vorstellen. Auch Kuba kann natürlich als Dritte-Welt-Land kein Vorbild für Österreich sein. Allerdings herrscht da bei uns ein bisschen eine Unkenntnis über die demokratischen Strukturen. In Kuba werden zum Beispiel neue Gesetzesvorhaben breit diskutiert, in der ganzen Bevölkerung. Eine Pensionsreform, die dort gemacht worden ist, ist von 2 Millionen Menschen diskutiert worden, in Versammlungen. Die Reform hat natürlich auch ein ganzes Jahr gebraucht um zustandezukommen, aber in Wirklichkeit gibt es dort in manchen Fällen mehr Mitbestimmung als bei uns.”

11. Mai 2009