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Öffentliches Eigentum: "Der Wind beginnt sich zu drehen"

Parteder: Eröffnungsansprache auf Verstaatlichtenkonferenz, 24. 6.

Franz Stephan Parteder

Öffentliches Eigentum: Der Wind beginnt sich zu drehen
Eröffnungsansprache auf der Verstaatlichtenkonferenz. Leoben, 24. 6. 06

Ich darf Sie als steirischer KPÖ-Vorsitzender namens des KPÖ-Bildungsvereins herzlich im Alten Rathaus in Leoben begrüßen. Mit der Wahl des Themas „Öffentliches Eigentum“ für unsere erste gemeinsame Veranstaltung mit der Alfred Klahr Gesellschaft wollen wir ein Zeichen setzen:

Unsere Bewegung bekennt sich zum öffentlichen Eigentum und zur positiven Tradition der Verstaatlichten in Österreich. Wir sagen auch ganz offen, dass viele Probleme in unserer Gesellschaft nur dann im Sinne der Allgemeinheit gelöst werden können, wenn es gelingt, das kapitalistische Eigentum in Banken oder Konzernen zurückzudrängen und das öffentliche Eigentum an Leistungen der Daseinsvorsorge zu erhalten.

Sehr lange sind wir mit dieser Haltung in unserem Land völlig isoliert gewesen. Jetzt beginnt sich der Wind zu drehen.
Aufmerksam registrieren viele Menschen, dass in Bolivien Naturschätze verstaatlicht und dem Zugriff internationaler Konzerne entzogen werden, mit Interesse haben wir mitverfolgt, dass der Versuch, das 2. Verstaatlichungsgesetz durch die Fusion von ÖMV und Verbund zu Fall zu bringen, in Österreich vorerst gescheitert ist.
Und wir spüren, dass unsere Initiativen zur Rettung des öffentlichen Eigentums an den wichtigsten kommunalen Einrichtungen die Unterstützung zahlreicher Menschen finden.

Die Krise des ÖGB zeigt uns aber auch auf, warum es die Gegner der Verstaatlichten in der Vergangenheit so leicht hatten, die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen. Die Sozialpartner in ÖGB, AK und Konzernbetriebsräten legten jahrzehntelang mehr Wert auf ihre Privilegien als auf eine saubere Vertretung der Interessen der arbeitenden Menschen. Zuerst wurden diese Privilegien gefördert, bis man sie im richtigen Augenblick in der Öffentlichkeit bloß gestellt hat. Von dieser Mitverantwortung können wir die SPÖ-Spitzen nicht entlasten. Ich kann mich noch genau erinnern, dass es genau vor 20 Jahren die SPÖ in Regierung und ÖGB-Spitze war, die ernsthafte Proteste gegen den Beginn des Ausverkaufs und der Zerschlagung der verstaatlichten Industrie nicht aufkommen gelassen haben.
Vor unserem Tagungsort, am Hauptplatz von Leoben hat man eine Kundgebung zum Dampfablassen gemacht und die Leute dann heimgeschickt. Resignation und Ergebenheit in den Weg der Privatisierung waren die Folge.

Als Kommunisten müssen wir auch eine Antwort auf folgende Frage finden: Warum haben die Menschen in den Ländern des Realsozialismus vor 15 Jahren das staatliche Eigentum an den Betrieben, das Volkseigentum genannt wurde, nicht verteidigt? Gibt es nicht frappante Ähnlichkeiten zwischen der Entartung einer ÖGB-Spitze wie sie beim BAWAG-Skandal zu Tage getreten ist, und den Erscheinungen von Korruption und Machtmissbrauch in den ehemals sozialistischen Ländern?

Diese Frage stellen heißt nicht, sie zu beantworten. Sie muss aber gestellt werden, weil wir meinen, dass öffentliches Eigentum Zukunft hat. Wir müssen Garantien dafür schaffen, dass solche Fehler nicht noch einmal begangen werden.
Aber hier und heute steht vor uns die Aufgabe, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass wir dem Angriff der Privatisierer auf allen Ebenen, auch in Österreich entgegentreten müssen.
Vor mehr als 60 Jahren ist von Leoben-Donawitz aus der Ruf nach Verstaatlichung der österreichischen Schwerindustrie und der Banken ergangen. Ich hoffe, dass unsere heutige Konferenz dazu beiträgt, dass die Frage des öffentlichen Eigentums bei uns wieder auf die Tagesordnung kommt.

Es gibt viele programmatische Erklärungen zu dieser Frage. Ich möchte mit einer Stelle aus dem „Kommunistischen Manifest“ schließen, die unsere Aufgaben in allgemeinster Weise umschreibt: „Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.“
Seither haben wir gelernt, dass es unterschiedlichste Formen des öffentlichen Eigentums –nicht nur das staatliche – geben kann.
Es ist auch interessant, dass Marx und Engels einen engen Zusammenhang zwischen dem öffentlichen Eigentum und einem heutzutage oft zitierten Satz aus dem „Manifest“ herstellen. Ich zitiere: „Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf.
An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist.“

Als Voraussetzung eines Gesellschaftszustandes, in dem die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist, wurde von Marx und Engels also das Gemeineigentum gesehen. Auch deshalb ist unsere Beschäftigung mit jenen Fragen, die heute auf der Tagesordnung stehen, so wichtig.

26. Juni 2006