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NRW 2002:Ergebnis und Schlußfolgerung

Zusammenfassung der Diskussion im Landessekretariat

I.
Die vorgezogene Nationalratswahl 2002 stellte die KPÖ-Steiermark vor große Probleme. Die Vorbereitung auf die Grazer Gemeinderatswahl am 26. Jänner 2003 und die mit Stadtrat Kaltenegger verbundenen Themen drohten in den Hintergrund zu treten. Außerdem war es eine organisatorische Herausforderung, in kurzer Zeit 400 Unterstützungserklärungen zu sammeln, KandidatInnenlisten für die Bundesliste, den Landeswahlkreis und die Regionalwahlkreise zu erstellen und eine Wahlkampfkonzeption zu erarbeiten, die den Grazer Gemeinderatswahlkampf ergänzen sollte.
Darüber hinaus musste getrachtet werden, die innerparteilichen Differenzen aus der Wahlbewegung auszuklammern. (Das ist uns in der Steiermark gelungen. Die Vorkommnisse auf der Parteikonferenz im Zusammenhang mit der Kandidatur von Gen. Fellner mögen anderswo negativ gewirkt haben).
Als Wahlziel wurde wie bei der Landtagswahl 2000 ein bescheidener Stimmengewinn auf etwa 1 Prozent der gültigen Stimmen angegeben.

II
Auch in der Steiermark gab es Stimmen, die von einer Kandidatur der KPÖ abrieten, diesmal mit dem Argument, dass es darum ginge, eine Wiederkehr von „Schwarz-blau“ zu verhindern. Es ist nicht auszuschließen, dass dieses Argument diesmal Mitglieder und SympathisantInnen der KPÖ zur Stimmabgabe für SPÖ oder Grüne veranlasst hat. Auf Bezirksmitgliederversammlungen und zuletzt auf der Landesvorstandssitzung am 21. September 2002 wurden eindeutige Mehrheiten für die Kandidatur der KPÖ erzielt, wobei der Vorschlag, Gen. Peter Scherz als steirischen Spitzenkandidaten zu nominieren – wie auch die gesamte Landesliste – unterstützt wurde. Auf der Landesvorstandssitzung wurde auch ein Antrag für die Dezentralisierung des Wahlkampfes beschlossen.

Wie notwendig diese Dezentralisierung war, zeigte sich auf der Parteikonferenz am 28. September 2002 in Wien. Die dort vorgestellte Werbelinie war für eine Wahlagitation in der Steiermark und insbesondere in Graz unbrauchbar. Es mussten eigene Plakate und Flugblätter hergestellt werden – zum Teil mit beträchtlichen finanziellen Beiträgen der Bezirksorganisationen. Wie Genossin Elke Kahr auf ihrem Impulsreferat auf der Konferenz feststellte „müssen (wir) uns bei unserem Auftreten an die Menschen mit sozialen Problemen wenden, an jene, die von den herrschenden Parteien (damit meine ich auch die Parlamentsgrünen) vergessen werden. Dieser Teil der Bevölkerung wendet sich in immer stärkerem Maßen von der Parteipolitik ab, er zeigt seine Unzufriedenheit oft in der Form des Ungültigwählens oder der Wahlenthaltung. (...) Ich bin überzeugt, dass wir als KPÖ gerade auf diese Menschen zugehen müssen und dass wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit auch lernen müssen, sie anzusprechen. Das kann mit einer vordergründig parteipolitischen Werbung alleine nicht gelingen.“
Zusätzlich ist festzuhalten, dass sich unsere Agitation auch sprachlich und stilistisch an arbeitende Menschen – und weniger an das Lebensgefühl von deklarierten Linken in der Großstadt - wenden sollte.

Die gesamte zentrale Wahlagitation der KPÖ war aber leider vordergründig parteipolitisch, thematisierte die Koalitionsspielereien und war auch handwerklich noch schlechter gemacht als bei früheren Wahlen.
In der Steiermark gingen wir einen anderen Weg. Mit den Plakaten „Ein Arbeiter steht zur Wahl“ und „Die EU kommt uns zu teuer“ hoben wir uns von den anderen ab und erregten Aufmerksamkeit. Das gilt auch für das Werbeflugblatt mit dem Bild von Peter Scherz.
Die Tatsache, dass unser Spitzenkandidat ein gewöhnlicher Arbeiter im Magna-Konzern ist, kam auch in einem profil-Artikel und in einem 23. 11. 2002 veröffentlichten Bericht im Bundesländer-Kurier zur Sprache.
Leider war das Ungleichgewicht bei der Verteilung der finanziellen Mittel diesmal besonders groß. Zu den Kosten für die zentrale Wahlwerbung muss man auch die Kosten für die Herausgabe der Wochenzeitung „Volksstimme“ rechnen, die nach Angaben ihrer Herausgeber vor allem in Wien verbreitet wird. Eine positive Wirkung auf das Wahlergebnis lässt sich daraus aber nicht herauslesen. Währenddessen ist ein direkter Zusammenhang zwischen der Herausgabe von Sondernummern unserer Ortszeitungen und dem Wahlergebnis festzustellen (St. Peter-Freienstein, Vordernberg, Trieben).
Bei der KandidatInnenliste achteten wir darauf, dass angesehene KPÖ-VertreterInnen an der Spitze standen: Helmut Edlinger, DI Klaus Pibernig, Ing. Edi Krivec usw.
Mit der Kandidatur des Wiener Assistenzprofessors DI Dr. Hans Mikosch auf der Grazer Regionalliste gelang uns die Personalisierung des Themas Widerstand an der Uni.
Es gelang, Extranummern unserer Ortszeitungen zu finanzieren. Es kamen auch Sondernummern des Stadtblatt für Studierende und für Beschäftigte des Puch-Werkes heraus. In Graz gab es täglich Informationsstände. Auch in Leoben, Kapfenberg, Knittelfeld und Judenburg wurden einige Infostände abgehalten.
In Graz, dem Bezirk Voitsberg, der Mur-Mürz-Furche und Eisenerz gab es eine flächendeckende Plakatierung. Darüber hinaus wurden auch in Grazer Umgebungsgemeinden und in den Bezirken Leibnitz und Radkersburg Plakate aufgestellt.
Die Partei führte wenige eigene Veranstaltungen durch: Auf der Nationalfeiertagsveranstaltung am 26. Oktober in Knittelfeld, die vor allem der internen Mobilisierung diente, nahmen etwa 140 Menschen teil. Gen. Hans Mikosch führte am 20. November in Graz eine Diskussion über das Unigesetz mit 30 TeilnehmerInnen durch.
Es gab die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen mit Parteienvertretern. Gen. Mikosch nahm an einer Diskussion der AKS mit etwa 20 BesucherInnen teil (19.11.), Gen. Baier an einer Abfangjägerdiskussion in Graz mit 17 TeilnehmerInnen (14.11.) Gen. Murgg absolvierte eine Diskussionsveranstaltung an einer HAK in Leoben-Donawitz.

Die Pressearbeit war intensiv: Über die Auftaktpressekonferenz am 17. Oktober berichteten ORF (Hörfunk und Fernsehen) und die Stadtzeitung Grazer, auch drei weitere Pressekonferenzen in der Obersteiermark (Knittelfeld, Leoben, Kapfenberg) fanden teils in der Kleinen Zeitung, teils in Regionalzeitungen Resonanz. In drei Regionalausgaben der Kleinen Zeitung Bruck, Leoben, Judenburg wurden eine Woche vor der Wahl auch die Kandidaten der KPÖ vorgestellt. Am 14. November (Baier) und am 23. November (Scherz) gab es Berichte in Steiermark heute.

III
Das Wahlergebnis ist erfreulich. Mit 7269 Stimmen (1 Prozent) wurde ein Zuwachs von 2583 Stimmen (+ 0,30 %) erreicht und stimmenmäßig das für unsere Verhältnisse ausgezeichnete Abschneiden bei der letzten Landtagswahl – 6872 Stimmen – um 397 Stimmen übertroffen. Es ist das beste Nationalratswahlergebnis der KPÖ in der Steiermark seit 1979. Das zeigt sich auch an folgenden Zahlen: Die Zahl der Gemeinden mit einem KPÖ-Anteil von mehr als 1% stieg von 19 auf 80 (von 543 Gemeinden). Zwei der drei Wahlkreise, in denen die KPÖ diesmal mehr als 1000 Stimmen erreichte, sind in der Steiermark (Graz und Steiermark-Mitte), einer in Wien. 1999 sah das Verhältnis so aus: 1 (Graz) zu 4 (Wien). Erstmals in der Geschichte unserer Partei erzielte die KPÖ in der Steiermark deutlich mehr Stimmen als in unserer ehemaligen Hochburg Wien, was vor allem auf die deutlichen KPÖ-Verluste in Wien zurückzuführen ist. Die Steiermark ist das einzige Bundesland, in dem die KPÖ mehr Stimmen als das LIF erzielte.
Herausragend ist das Ergebnis in Graz: Mit 2888 (2063) Stimmen – inklusive Wahlkarten - und 2,1 % (1,67 %) wurde stimmenmäßig in der steirischen Landeshauptstadt das beste KPÖ-Ergebnis seit 1971 und prozentmäßig sogar das beste Ergebnis seit 1962 bei einer Nationalratswahl erzielt.
Trotzdem zeigt der Abstand zwischen dem Nationalratswahlergebnis und dem Abschneiden bei der Gemeinderatswahl 1998, dass es nicht leicht sein wird, die KPÖ-Positionen im Rathaus der steirischen Landeshauptstadt zu verteidigen.
In den Bezirken Graz- Umgebung, Voitsberg, Fürstenfeld und Feldbach war in einigen Gemeinden, vor allem in Wohnsitzgemeinden von Pucharbeitern und an den Standorten von Magna-Betrieben die positive Wirkung der Kandidatur von Peter Scherz bei den Ergebnissen deutlich zu sehen. Er erreichte mit 253 Vorzugsstimmen im Wahlkreis Graz und 32 Vorzugsstimmen auf der Landesliste Steiermark gesamtösterreichisch das beste Ergebnis aller KPÖ-BewerberInnen.
Im Bezirk Radkersburg führte die Kandidatur unseres Genossen Hanno Wisiak zu deutlichen Stimmengewinnen. Mit einem Anteil von 0,65 Prozent in diesem ländlichen Bezirk wurde prozentmäßig das Wiener Ergebnis - 0,61 % - übertroffen.
Darüber hinaus lassen die Stimmengewinne in den meisten unserer Schwerpunktgemeinden den Schluss zu, dass wir bei der Gemeinderatswahl 2005 bestehende Positionen halten bzw. neue in Kapfenberg, Zeltweg, Voitsberg, Köflach (?) erringen können.
Unser Konzept einer nachhaltigen Politik und des Parteiaufbaus von unten nach oben hat sich bestätigt.

Wie weit unser Weg aber sein wird, sieht man an folgenden Zahlen: Bei dieser Nationalratswahl hat die KPÖ österreichweit 27567 (22016) Stimmen erreicht. Es hat aber gleichzeitig 72.568 (72 871) ungültige Stimmen gegeben. In der Steiermark ist das Verhältnis etwas besser: KPÖ 7269 (4686); Ungültige 9209 (9704). Österreichweit haben wir lediglich in zwei Bezirken mehr Stimmen, als es Ungültigwähler gibt: Graz - KPÖ 2888 (2063) zu 1235 (1233) - und Leoben - KPÖ 652 (465) zu 389 (517)! Hinzuzufügen ist, dass wir in fast allen steirischen Schwerpunktgemeinden mehr KPÖ-Wähler als Ungültigwähler haben.

IV

Das Gesamtergebnis dieser Wahl wirft viele Fragen auf. Eine gründliche Diskussion ist daher erforderlich. Es hat sich endgültig gezeigt, dass der Widerstand gegen Sozialabbau, Fremdenhass, ungehemmte Profitwirtschaft und Militarisierung weit mehr sein muss als die Hoffnung auf rot/.
Wir müssen an der Basis präsent sein und gemeinsam mit den arbeitenden Menschen für unsere Rechte kämpfen. Es ist notwendig, in Zukunft auch bei allgemeinen grün.
Darüber hinaus ist es spätestens jetzt notwendig, eine selbstkritische Bilanz der Bewegung gegen schwarz/blau und des Auftretens der KPÖ in dieser Bewegung zu ziehen.
Außerdem hat die ausgeprägte EU-kritische Orientierung in diesem Wahlkampf dem Abschneiden der KPÖ-Steiermark sicher nicht geschadetWahlen noch mehr von den regionalen Bedingungen und Aktivitäten auszugehen. Diesmal konnten wir feststellen, dass die KPÖ gerade dort, wo sie ständig präsent und mit MandatarInnen vertreten ist, die größten Zuwächse erzielen konnte. Es ist aber noch nicht gelungen, diesen wahlpolitischen Zuspruch in eine signifikante Stärkung der Mitgliederzahl umzuwandeln.
Die steirische KPÖ wird sich an den bevorstehenden inhaltlichen Diskussionen, vor allem aber an den notwendigen Aktionen für die Interessen der arbeitenden Menschen mit ganzer Kraft beteiligen.

Wir haben diesen Wahlkampf vor allem auf der Basis des steirischen Landesprogramms der KPÖ und unserer langfristigen politischen Festlegungen geführt.
Diese Wahl hat auch eine Richtungsentscheidung darüber getroffen, ob wir als selbständige kommunistische Partei mit einem klaren, auf die Arbeiterklasse bezogenen Profil bei Wahlen Chancen haben. Diese Chancen bestehen.
Im Gegenteil: Die vor allem in Wien propagierte – und mit der Ausgrenzung von KritikerInnen durchgezogene - Linie der allerengsten Parteiführung hat bei der Nationalratswahl in der Bundeshauptstadt keinen Erfolg gehabt, als es darum ging, sich gegen den rot-grünen Anpassungsdruck zu behaupten. In Städten wie Trofaiach, Leoben, Kapfenberg oder Voitsberg, wo die SPÖ bis zu 9 Prozent hinzugewinnen konnte, waren jedoch sichtbare Erfolge der KPÖ möglich.
Jetzt ist es höchste Zeit, Konsequenzen daraus zu ziehen; vor allem in programmatischer Hinsicht.

Das Ergebnis Steiermark

WAHL

Stimmen

%

NRW 2002

7269

0,95

LTW 2000

6872

1,03

NRW 1999

4524

0,65

LTW 1995

4360

0,57

Veröffentlicht: 3. November 2002

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