Murgg: Den einfachen Menschen zum Recht verhelfen
Konstituierende Sitzung des Gemeinderates von Leoben
Rede von Stadtrat Werner G. Murgg:
Sehr geehrter Herr Bezirkshauptmann, werte Ehrengäste, sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer!
Die Leobenerinnen und Leobener haben bei der Gemeinderatswahl 2005, was die Mehrheitsverhältnisse betrifft, für Kontinuität gestimmt. Die bereits bisher mit großer Mehrheit ausgestattete Sozialdemokratie konnte prozentuell weiter zulegen. Das entscheidende 21. Mandat wurde nur knapp verfehlt. Auf den Oppositionsbänken gab es dagegen deutliche Verschiebungen. Die bisher größte Oppositionskraft FPÖ wurde dezimiert. Die KPÖ erreichte mit 10,5 Prozent ihr bestes Ergebnis in dieser Stadt seit 1960. Der Mandatsstand stieg von eins auf drei. Die KPÖ wird in der neuen Stadtregierung vertreten sein. Für diesen gewaltigen Vertrauensvorschuß möchte ich auch an dieser Stelle allen unseren Wählerinnen und Wählern ein herzliches Dankeschön sagen. Noch etwas möchte ich unseren Wählerinnen und Wählern sagen: Unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses bin ich von verschiedenen Medienvertretern gefragt worden, ob ich nun ausgiebig feiern würde. Ich habe darauf spontan geantwortet, daß sich in die Freude über das große Vertrauen gleichzeitig Sorge mischt, ob ich, ob meine nun gestärkte Fraktion, den Erwartungen unserer Wählerinnen und Wähler gerecht werden könne. Da ist mir einiges durch den Kopf gegangen und, ich muß gestehen, geht mir immer noch einiges durch den Kopf. Unterschiedliche Gründe mögen für den verstärkten Wählerzuspruch zur KPÖ verantwortlich gewesen sein: Menschen, die einfach für mehr Gerechtigkeit stimmen wollten, die nicht einverstanden sind, daß sich ökonomisch wenig Begüterte immer mehr einschränken sollen, während allzuoft das Geld dorthin umgeleitet wird, wo es bereits in Hülle und Fülle vorhanden ist. Menschen, die das soziale Engagement und die konkrete Hilfestellung der KPÖ vor Ort während der vergangenen Jahre honoriert haben. Es werden aber auch Wählerinnen und Wähler gewesen sein, die sich von den übrigen Parteien bereits enttäuscht abgewendet haben und für die die KPÖ vielleicht die letzte Hoffnung darstellt, bevor sie sich endgültig in die Wahlenthaltung zurückziehen. Die Wahlbeteiligung ist bei der jüngsten Wahl gerade in unserer Stadt weiter auf ein historisches Tief gefallen. Analysen, die davon ausgehen, die Menschen gingen oft deshalb nicht mehr zur Wahl, weil sie ohnehin mit allem zufrieden seien, verfehlen meiner Meinung nach die Realität. Vielmehr das Gegenteil dürfte wahr sein! Viele Menschen nehmen an Wahlgängen nicht mehr teil, weil sie sich sagen: „Egal wen ich wähle, es ändert sich ohnehin nichts”. Wir müssen endlich davon wegkommen, immer nur den sogenannten Sachzwängen, hinter denen sich meist nur platte ökonomische Interessen verstecken, nachzulaufen: Die Politik muß wieder selbst zur Gestalterin werden. Andernfalls könnte es bald ein böses Erwachen geben!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die KPÖ wird auch im neuen Gemeindeparlament ihren Prinzipien treu bleiben. Ich habe im Wahlkampf immer gesagt: Großkonzerne und Einkaufszentren haben ohnehin ihre Lobby, mir geht es darum, den einfachen Leobenerinnen und Leobenern zu ihrem Recht zu verhelfen! Drei wesentliche Anliegen haben unsere Tätigkeit über all die Jahre geleitet und werden sie weiter leiten: Die Frage der Umverteilung auch auf kommunaler Ebene, die Verteidigung des kommunalen Eigentums im Sinne möglichst billiger und effizienter Dienstleistungen für unsere Bevölkerung, und unsere ganz konkrete Hilfestellung vor Ort für Menschen mit großen und kleinen Problemen. Leider sind wir während der letzten Jahre mit einem neuen Problem konfrontiert: einer neuen Armut, die oft nur versteckt zu finden ist, deswegen von den Betroffenen jedoch um nichts schmerzlicher empfunden werden muß. Gerade deshalb ist es so wichtig, soziale Themen in der Gemeindestube immer wieder zur Sprache zu bringen. Auch auf Gemeindeebene werden unserer Meinung nach die finanziellen Mittel oft falsch verteilt. Auch in Leoben! Während man sich bei kapitalkräftigen Förderungswerbern spendabel erweist und die Brieftasche bei der Finanzierung sogenannter Events oft locker sitzt, wird bei sozialen Projekten jeder Cent meist zweimal umgedreht. Beispiele fielen mir zur Genüge ein. Die Verteidigung kommunalen Eigentums und kommunaler Dienstleistungen ist für die KPÖ unverzichtbar! Unverzichtbar, weil wir um die aus Privatisierung und Ausgliederung resultierenden Nachteile für die Bevölkerung und für die dort Beschäftigten wissen! Weniger Angebot und meist höhere Gebühren für die Kunden gehen einher mit Verschlechterungen für die Arbeiter und Angestellten privatisierter oder ausgegliederter Betriebe. Ob es sich dabei um geschlossene Sparkassenfilialen oder um Anschläge auf die Pausenregelung der Bediensteten handelt ist egal. Die KPÖ hat als einzige Kraft in diesem Haus gegen den Verkauf der Sparkasse gestimmt. Sie hat als einzige Nein gesagt, als es darum ging, daß die Gemeinde die kommunale Altenpflege aus der Hand gegeben hat. Und sie wird in der kommenden Periode bei einer allfälligen Privatisierung bzw. Teilprivatisierung oder Ausgliederung auch nur von Teilen unserer Stadtwerke sehr genau beobachten, wie man mit den erkämpften Rechten der dort Beschäftigten umzugehen gedenkt und was das alles für die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung bedeuten könnte!
In unserer Stadt Leoben wurde von der Stadtregierung während der letzten fünf Jahre zweifelsfrei viel geleistet. Auch das soll hier gesagt werden. Ich möchte - lediglich kursorisch - nennen: die Vorarbeiten zur Errichtung des Stadtkraftwerkes, die Einführung des Rufbusses, die weitere Attraktivierung der inneren Stadt bzw. ihre weitere Neupositionierung durch Kunsthalle und Museum, die Lärmschutzmaßnahmen entlang der ÖBB-Strecke oder das neue Bürozentrum am alten Gröbl-Standort. Noch etwas: ich halte den Ansatz prinzipiell für grundvernünftig, sich als Gemeinde in Zukunft bei hoffentlich Gewinn abwerfenden Projekten auch als Eigentümer zu beteiligen.
Geschätztes Auditorium!
Gestatten sie mir noch einige Worte zu den durchgeführten Neuwahlen. Die Leobener Bevölkerung hat am 13. März die sozialdemokratische Fraktion neuerlich mit einer überwältigenden Mehrheit ausgestattet. Ihnen, geschätzte Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion, steht es damit selbstverständlich zu, eine Person ihrer Wahl als Bürgermeister vorzuschlagen. Entgegen unserer Wahlentscheidung von vor zehn bzw. fünf Jahren hat die KPÖ diesmal den auf Dr. Matthias Konrad lautenden Wahlvorschlag nicht unterstützen können. Mehrere Gründe waren dafür ausschlaggebend: Es ist nun einmal der Bürgermeister, der, an der Spitze einer Gemeinde, in erster Linie für den großen Rahmen der Gemeindepolitik verantwortlich zeichnet. Dieser Rahmen hat unserer Meinung nach während der letzten fünf Jahre in einigen wesentlichen Bereichen dessen, was hier beschlossen wurde, nicht mehr gestimmt. Ich sagte es bereits: Es wurde die Sparkasse verkauft, das kommunale Altenheim privatisiert, Absichtserklärungen in dieser Richtung bezüglich der Stadtwerke Verkehrsbetriebe von Ihnen, Herr Bürgermeister, mehrmals getätigt. Sie stehen zwischenzeitlich für das, was man "schlanke Gemeinde" nennt. Auch in Fragen der Verteilung der spärlicher werdenden kommunalen Finanzmittel haben Sie, geschätzter Herr Bürgermeister, während der letzten fünf Jahre verstärkt solche Gewichtungen gesetzt, die den von mir eingangs geschilderten Prioritäten konträr zuwiderlaufen. Politische Nicht-Übereinstimmung muß nicht persönliche Wertschätzung ausschließen. Ich darf sagen daß ich Sie über all die Jahre menschlich in vielen Dingen schätzen gelernt habe. Manchen mag Ihre oft emotionale Art gegen den Strich gehen und sie mögen sich persönlich angegriffen fühlen. Mir ist ein offenes Wort allemal lieber als gespielte Freundlichkeit. In diesem Sinne darf ich Ihnen auch namens meiner Fraktion zu Ihrer Wahl gratulieren! Die KPÖ hat den, auf Grund der Mehrheitsverhältnisse, von der SPÖ und der ÖVP eingebrachten Wahlvorschlägen für das Amt des ersten und zweiten Vizebürgermeisters zugestimmt. Selbstverständlich gebührt Ihnen, Herr Kollege Jäger und Ihnen, liebe Frau Lipp, dieser Vertrauensvorschuß. Auch Ihnen beiden alles Gute zu Ihrer Wahl! Gestatten Sie mir noch ein abschließendes Wort zur FPÖ. Ihre Fraktion, Herr Kollege Krusche, war in der vergangenen Periode die mit Abstand größte Oppositionsfraktion. Ich habe zu den Benjaminen gehört. Trotzdem konnte ich bei Ihnen immer gleichberechtigte Zusammenarbeit finden, wenn es darum ging, in diesem Gemeindeparlament, über ideologische Grenzen hinweg, gemeinsam Minderheitenrechte gegen eine übermächtige Mehrheit durchzusetzen. Dafür danke ich ihnen!
Glück auf und Freiheit!
(Stadtrat Dr. Werner G. Murgg, konstituierende Sitzung des
Leobener Gemeinderates, 13. April 2005)
Veröffentlicht: 15. April 2005