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MAN Steyr: Die Spuren führen nach Graz

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Proteste der MAN-Belegschaft am Steyerer Hauptplatz. (Foto: ÖGB)
Foto: © ÖGB

Mit einer erpresserischen Fragestellung wollte der Multimillionär Siegfried Wolf (geschätztes Vermögen: 520 Millionen Euro) von der Belegschaft bei MAN Steyr eine Zustimmung zu seinem „Rettungsplan“, der die Kündigung von 800 Beschäftigten und einen Gehaltsverzicht von 15 Prozent vorsah. Die Arbeiter und Arbeiterinnen haben diesem „Angebot“ in einer Abstimmung eine deutliche Absage erteilt und stimmten mit 63,9 Prozent dagegen! Zu dieser Situation ist es im Übrigen gekommen, weil das MAN-Management (eine Tochter des VW-Konzerns) auf seine eigene Standort- und Beschäftigungsgarantie bis 2030 schlichtweg gepfiffen hat und mit der Schließung des Werks 2023 droht.

VW hängt in Russland in der Warteschleife, so titelte 2019 das Handelsblatt. US-Sanktionen behinderten den Konzern in seinen Plänen. Enger Partner von Volkswagen in Russland ist Gaz. Produziert werden von Gaz neben VW und Skoda Modellen auch Kleintransporter.

„Zudem haben beide Konzerne 2017 die Erweiterung der Kooperation vereinbart – mit der Übernahme von Gaz-Anteilen durch VW und der Lieferung von VW-Dieselmotoren aus Salzgitter für den russischen Kleintransporter Gazelle. „Die Motoren sind inzwischen getestet, aber durch die Sanktionen sind wir gezwungenermaßen in Wartestellung“, sagte Gaz-Vorstandschef Siegfried Wolf, früher CEO des österreichisch-kanadischen Zulieferers Magna, dem Handelsblatt,“ schrieb Handelsblatt.com im Februar 2019.

Um zu verstehen, was jetzt in Steyr passiert sind diese Zeilen sehr hilfreich. Löhne sollen gedrückt, Beschäftigte gekündigt werden, jedoch soll das Werk weiterhin im Einflussbereich von Volkswagen verbleiben und dem Russlandgeschäft des Konzerns dienlich sein. Ins Bild passt, dass Übernahmeangebote von Konkurrenzunternehmen bisher offenbar nicht ernsthaft geprüft wurden.

Nach den vorläufig gescheiterten Plänen von Siegfried Wolf bzw. eigentlich Volkswagen sollten in Steyr zukünftig unter anderem Modelle des Kleintransporters Gazelle vom Band laufen. Ohne den VW Konzern im Hintergrund wird dies wohl nicht möglich sein. Weder das Werk in Steyr noch der russische VW Partner verfügen über die entsprechende Finanzkraft und das Know How, die Patente etc., die ein Konzern wie VW hat. Auch entscheidend wäre ein Vertriebsnetz in Europa. Dieses hat in entsprechender Dichte ebenfalls nur VW.

Siegfried Wolf kommt für VW damit als Verbindungsmann nach Russland ins Spiel und als derjenige, der mittels Übernahme des Werks den Standortsicherungsvertrag aushebeln und die Löhne und Gehälter drücken könnte.

Am Stimmzettel stand die WSA Beteiligungs GmbH, zu der die Beschäftigten übertreten sollten. Laut Firmenabc sitzt diese in Graz, 100-Prozent-Gesellschafter ist die ASW Privatstiftung. Über sie ist zu lesen: „Familienstiftung, standesgemäße und auf Dauer gerichtete Versorgung der jeweils Begünstigten, insbesondere durch Gewährung von Geld- und Sachleistungen, sowie Nutzungsrechten. Bei der Errichtung der Stiftung haben die Stifter der Stiftung einen Barbetrag von EUR 70.000 gewidmet. Stifter: - Ing. Siegfried Wolf […], widmete der Stiftung EUR 69.000,--. - ASW Wolf KG […] widmete der Stiftung EUR 1.000,--.“

Wenn Siegfried Wolf nun in der Kleinen Zeitung meint: „Ich gehe nicht darum betteln, dass ich mein Geld irgendwohin tragen darf“, so irrt er sich, denn es ist genau umgekehrt, die Arbeiter und Angestellten in Steyr sollten mittels Lohnverzicht und Arbeitsplatzverlust ihr Geld an die WSA Beteiligungs GmbH und damit an die ASW Privatstiftung tragen. Zum Zweck einer „standesgemäßen und auf Dauer gerichteten Versorgung von deren Begünstigten“.

Es ist daher zu begrüßen, dass sich die Beschäftigten gegen diesen Erpressungsversuch zur Wehr gesetzt haben und mit breiter Mehrheit für den Erhalt des Werkes auf Basis des bestehenden Standortsicherungsvertrages gestimmt haben. Jetzt gilt es alles dafür zu tun, dass dieser seitens des Volkswagen Konzerns auch tatsächlich eingehalten wird.

Georg Erkinger

Veröffentlicht: 12. April 2021

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