Märchen und Wahrheit über die Mindestsicherung

Karin Gruber, Sozialarbeiterin im KPÖ-Landtagsklub Steiermark, räumt mit den Märchen über die Mindestsicherung auf

Empfänger_innen der Mindestsicherung wird oft vorgeworfen, in der „soziale Hängematte“ zu liegen, weil sie keine Lust haben, arbeiten zu gehen. Die Realität sieht anders aus. Verschiedene Märchen zur Mindestsicherung verdienen es, unter die Lupe genommen und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft zu werden

Seit Monaten drängen Stimmen aus der Bundesregierung auf eine Verschlechterung der Mindestsicherung. Die einen wollen Lebensmittelgutscheine einführen, die anderen den Zugang erschweren oder Leistungen kürzen. Auch Landesregierungen sprechen von einer „Evaluierung“ der Mindestsicherung.

Bereits 2011, als die Mindestsicherung die Sozialhilfe abgelöst hat, kam es trotz eines bestehenden „Verschlechterungsverbotes“ in der Steiermark trotz massiver öffentlicher Proteste zu massiven Kürzungen bei der Mindestsicherung. Es gibt – außer bei Kindern – keine Sonderzahlungen mehr, der Kinderrichtsatz wurde massiv verringert, auf die Miete wird nicht mehr individuell eingegangen.

Märchen: Menschen, die Mindestsicherung beziehen, sind faul und wollen nicht arbeiten.

Wahrheit: Um Mindestsicherung beziehen zu können, muss man dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ausgenommen sind Menschen, die das Pensionsalter erreicht haben, Kinder bis zum 3. Lebensjahr betreuen, massiv krank sind oder Angehörige pflegen, die mindestens Pflegegeld der Stufe 3 beziehen oder sich in einer Berufsausbildung befinden, die sie vor dem 18. Lebensjahr begonnen haben.

Voraussetzung für den Bezug der Mindestsicherung ist also, dass man sich beim AMS arbeitssuchend meldet. Das beinhaltet regelmäßige Vorsprachen beim AMS, Besuch der vorgeschriebenen AMS-Kurse, Bewerbungen auf offene Stellen, die das AMS vorgibt und Arbeitssuche in Eigeninitiative. Wenn man AMS-Termine versäumt oder sich bei einer Arbeitsstelle nicht bewirbt, kann die Mindestsicherung bis zur Hälfte gekürzt werden.

Tatsache ist: Es gibt zu wenig bezahlte Arbeit und somit einen Verdrängungswettkampf am Arbeitsmarkt. Es gibt weniger Arbeitsplätze als Arbeitslose und daher sind viele Menschen auf die Mindestsicherung angewiesen.

Märchen: Wir können uns die Mindestsicherung nicht leisten!

Wahrheit: Im September 2014 haben 184.298 Menschen in Österreich Mindestsicherung bezogen. 2013 wurden österreichweit knapp 600 Millionen Euro ausbezahlt. Für das gesamte Budget waren im selben Jahr 75 Milliarden Euro vorgesehen. Die Mindestsicherung macht davon also nur 0,8 Prozent aus.

Märchen: Jeder bekommt 837 Euro pro Monat an Mindestsicherung.

Wahrheit: Die durchschnittliche Höhe der in Österreich ausbezahlten Mindestsicherung beträgt nicht 837 Euro – das wäre das Maximum – sondern laut Armutskonferenz nur rund 300 Euro. Denn wer auch aus anderen Quellen Geld bezieht (und das sind 75 Prozent), weil er oder sie Teilzeit arbeitet, vom AMS Geld bekommt oder andere Sozialleistungen wie Kinderbetreuungsgeld erhält, bekommt entsprechend weniger.

Märchen: Es gibt eine große Anzahl von Sozialbetrugsfällen bei der Mindestsicherung.

Wahrheit: Die Überprüfung der Behörden vor dem ersten Bezug der Mindestsicherung ist rigoros: Einsicht in die Kontoauszüge der letzten Monate, Feststellung von Nebeneinkommen, Einsicht in Mietverträge und ins Grundbuch, etwaige Versicherungen, KFZ-Besitz und vieles mehr. Eine Studie belegt, dass es nur gegen 0,8 Prozent der arbeitslos gemeldeten Mindestsicherungsbezieher zum untersuchten Zeitpunkt vom AMS eine Sanktion wegen Arbeitsunwilligkeit gab. Wer lügt, bezahlt bis zu 4.000 Euro Strafe.

Märchen: Der Großteil der Bezieher von Mindestsicherung sind „Asylanten“.

Wahrheit: Asylwerber sind ohnehin nicht bezugsberechtigt, sie erhalten lediglich eine geringe Grundversorgung vom Bund. Wem nach strenger Überprüfung Asyl gewährt wird und wer einen Konventionspass erhält und einem österreichischen Bürger gleichgestellt ist, hat auch Anspruch auf Mindestsicherung. In einigen Bundesländern kann keine Auskunft über die Anzahl der „Flüchtlinge“, die Mindestsicherung beziehen, gegeben werden, weil dies gar nicht erhoben wird. In der Steiermark waren im April 2015 4,6 Prozent der Bezieher Flüchtlinge, in Wien im gesamten Jahr 2014 8,3 Prozent.

Märchen: Eine Familie, in der ein Elternteil arbeitet und wenig verdient, bekommt weniger als Mindestsicherungsbezieher.

Wahrheit: Es gibt Familien mit Kindern, wo ein Elternteil arbeitet und der Verdienst unter dem Mindestsicherungsrichtsatz liegt. Diese Familie hat natürlich Anspruch, die Differenz als Mindestsicherung zu beziehen. Soweit zur derzeitigen Situation. Nun fordert die ÖVP eine Neuordnung bzw. Straffung der Mindestsicherung. Es werden einheitliche Verfahren, bessere Kontrollen und Sanktionen bei Missbrauch gefordert. Gegen einheitliche Verfahren ist nichts einzuwenden, Kontrollen und Sanktionen gibt es bereits jetzt. ÖVP-Klubobmann Lopatka hat weiterhin gefordert, die Mindestsicherung auf 1.500 Euro zu deckeln, egal wie groß eine Familie ist. Dies ist ein Vorschlag gegen Familien mit Kindern von einer Partei, die angeblich so „familienfreundlich“ ist. 

Karin Gruber ist Sozialarbeiterin im KPÖ-Landtagsklub Steiermark

Veröffentlicht: 17. Februar 2016