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Links ist in Österreich sehr viel Platz

Ernest Kaltenegger im Interview mit standard.at

Ernest Kaltenegger, geboren 1949 in Rötsch bei Obdach im Bezirk Judenburg, ist seit 2005 KPÖ-Klubobmann im Grazer Landtag. Zuvor war er Wohnungsstadtrat in Graz. Bei der Grazer Gemeinderatswahl im Jahr 2003 errang er sensationelle 21 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2005 wurde die KPÖ mit 6,3 Prozent drittstärkste Partei in der Steiermark. Erstmals seit 35 Jahren schaffte sie somit wieder den Einzug in den Landtag.

"Über ein linkes Bündnis gibt es Gespräche"

Kaltenegger, Klubchef der steirischen KPÖ, über das "Dilemma der Linken", die "gelähmte Gewerkschaft" und die Chancen für ein linkes Wahlbündnis - Ein derStandard.at-Interview

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Angesichts der Wirtschaftskrise "wird sich einiges bewegen", sagte Ernst Kaltenegger, Klubobmann der KPÖ im steirischen Landtag. Im Gespräch mit derStandard.at deutet er Pläne für ein linkes Wahlbündnis an. "Das Bündnis müsste sehr gut vorbereitet sein, einen Fehlstart können wir uns nicht leisten", so Kaltenegger. Außerdem sprach er über Solidarität, die nicht "ausreichend entwickelt" ist, die Gewerkschaft, die "bis auf ein paar Nuancen alles mitmacht" und das Dilemma der Linken. Die Fragen stellten Katrin Burgstaller und Saskia Jungnikl.

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derStandard.at: Angesichts der Finanzkrise werden die Stimmen nach einer Verstaatlichung von einzelnen Betrieben wieder lauter. Was sagen Sie zu dieser Debatte?

Kaltenegger: Ich möchte irgendjemanden treffen, der mir erklären kann, wem die europaweite Deregulierung der Briefzustellung Vorteile gebracht hätte, außer den privaten Betreibern, die in diesem Sektor tätig werden. Weder die Bevölkerung noch die Bediensteten haben einen Vorteil davon. Man muss sich schon die Frage stellen, wozu das gut war. Den Managern alleine die Schuld zu geben, greift zu kurz.

derStandard.at: Wo liegt der Kern des Problems?

Kaltenegger: Die Ursache liegt in der Politik. 1996 hat die SPÖ-ÖVP-Regierung mit der Postprivatisierung begonnen. Die SPÖ war damals federführend. Dass das Postmonopol in der EU fallen soll, haben auch unsere Politiker mitbeschlossen. Jetzt tut man so, als wäre die Deregulierung eine Naturerscheinung.

derStandard.at: Wie sehen Sie die Rolle der Gewerkschaft in der Finanzkrise?

Kaltenegger: Sie ist gelähmt. Die Gewerkschaft ist bei uns vollkommen angepasst. Sie ist eingebunden in das System, das sich bei uns Sozialpartnerschaft nennt. Die Gewerkschaft macht, bis auf ein paar Nuancen alles mit. Es würde für sie jedoch gerade jetzt genug Möglichkeiten geben, aktiv zu werden.

derStandard.at: Was wünschen Sie sich von der Gewerkschaft?

Kaltenegger: Dass sie etwa dann, wenn ein Bankenhilfspaket bereitgestellt wird, konkrete Bedingungen und Auflagen einfordert. Denn wir werden das alle bezahlen müssen. Diesbezüglich habe ich von der Gewerkschaft kaum etwas gehört.

derStandard.at: Wie stehen die Chancen derzeit für einen Arbeitskampf?

Kaltenegger: Im Augenblick haben die Leute Angst. Die Solidarität ist nicht ausreichend entwickelt, damit den Leuten bewusst wird, dass sie nur gemeinsam eine Chance haben. Die Hoffnung, dass man nicht auf der Kündigungsliste steht, wenn man brav ist und nichts sagt, ist in der Regel sehr trügerisch. Würden sich aber die Beschäftigten gemeinsam wehren, würden sie damit bestimmt etwas bewirken.

derStandard.at: Gäbe es in Österreich Potenzial für eine linke Partei?

Kaltenegger: Auf jeden Fall, links ist sehr viel Platz.

derStandard.at: Warum gibt es dann keine?

Kaltenegger: Vielleicht gibt es eine in nächster Zeit. Im Unterschied zu Deutschland sind bei uns aber viele Dinge anders gelagert. In Deutschland ist die Partei des Demokratischen Sozialismus (Anmerkung: Unter anderem aus der PDS ist in weiterer Folge "Die Linke" hervorgegangen) in den neuen Bundesländern sehr stark verankert. Auch in den Gewerkschaften und in SPD, wo viele die Schröder-Politik ablehnten, hat sich viel bewegt. Eine solche Massenerscheinung sehe ich bei uns nicht.

derStandard.at: Wo bleibt die KPÖ?

Kaltenegger: Es hat sich gezeigt, dass die KPÖ durchaus Zuspruch bekommt, aber es gibt auch Vorbehalte und Berührungsängste gegenüber der KPÖ. Die KPÖ hat durchaus auf kommunaler Ebene bis hin zur Landesebene Chancen. Wir tun uns aber auf der gesamtösterreichischen Ebene noch schwer. Ohne an eine Selbstaufgabe der KPÖ zu denken, halte ich auf Bundesebene ein Wahlbündnis für erstrebenswert, dass über die KPÖ hinaus geht. Das müsste ein breites und demokratisch strukturiertes Bündnis sein, in dem jede Stimme gleich viel Gewicht hat.

derStandard.at: Ist ein solches Bündnis in Planung?

Kaltenegger: Auf uns kommt einiges zu. Das 100 Milliarden-Euro-Paket werden wir alle bezahlen müssen. Die SPÖ wird die Politik machen die sie immer macht. Es wird sich einiges bewegen. Über ein linkes Bündnis gibt es immer wieder Gespräche.

derStandard.at: Kurt Palm hat im Gespräch mit derStandard.at gesagt, das linke Lager sei in Österreich im Gegensatz zum rechten sehr unkoordiniert. Warum sind die Linken so zersplittert?

Kaltenegger: Die Sozialdemokratie hatte im linken Lager über viele Jahrzehnte hinweg die Vorherrschaft. Für andere linke Gruppierungen war aufgrund der SPÖ-Dominanz unter den potenziellen Linkswählern wenig Platz. Nun hat sich das aber sehr stark geändert. Die KPÖ war und ist mit Vorurteilen und mit ganz linken Gruppierungen konfrontiert, die nicht massenwirksam waren. Diese Splittergruppen waren oft hervorragende Kritiker, von ihrer Linie konnten sie aber keinen Millimeter abweichen. Das ist schon immer das Dilemma der Linken gewesen.

derStandard.at: Würden Sie bei diesem Linksbündnis mitarbeiten?

Kaltenegger: Mithelfen ja, aber auf Bundesebene würde ich nicht kandidieren. Das Bündnis müsste sehr gut vorbereitet sein, einen Fehlstart können wir uns nicht leisten. Mit der Vorbereitung müssten wir mindestens ein bis zwei Jahre vor der nächsten Nationalratswahl beginnen, damit eine eingespielte Struktur entstehen kann. Für die Nationalratswahlen 2008 wäre die Vorlaufzeit zu kurz gewesen.

derStandard.at: In der Steiermark sind Sie ein relativ beliebter Politiker. Warum haben Sie für die KPÖ nicht auch auf Bundesebene kandidiert?

Kaltenegger: Weil ich immer der Meinung war, es macht keinen Sinn auf mehreren Hochzeiten zu tanzen.

derStandard.at: War Mirko Messner als Spitzenkandidat eine gute Entscheidung?

Kaltenegger: Diese Entscheidung hat die Bundes-KPÖ getroffen. Sie ist zu respektieren und ich möchte sie nicht näher kommentieren.

derStandard.at: Zu Ihrer Politik: Sie sind ja dafür bekannt, dass Sie Hälfte Ihres Einkommens an Bedürftige, die zu Ihnen ins Büro kommen, spenden. Wie viel haben Sie schon gespendet ?

Kaltenegger: Das mache ich seit 1998 und es sind mindestens 400.000 Euro. Die Leute kommen zu mir ins Büro und erzählen von ihren Problemen. Wir helfen nicht nur mit Geld, auch eine Sozialarbeiterin ist bei uns engagiert. Oft stoßen wir bei unserer Arbeit auf Probleme, die keine Einzelfälle sind, sondern ein Gesamtproblem. Wir bekommen Informationen über Mängel im System und können versuchen, diese im Landtag abzustellen.

derStandard.at: Was sagen Sie einem politischen Mitbewerber, der Ihnen vorwirft, mit den Spenden Stimmen zu erkaufen?

Kaltenegger: Erstens würde ich ihm sagen, dass er auch spenden kann. Und zweitens: Die meisten, die von uns Unterstützung bekommen, gehen gar nicht wählen. Das sind Menschen, die mit fast allem abgeschlossen haben. (Katrin Burgstaller, Saskia Jungnikl, derStandard.at, 2. Dezember 2008)

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Veröffentlicht: 5. Dezember 2008

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