Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.

Ländlicher Raum: Das will die KPÖ

Antwort auf Fragen des Forums St. Lambrecht

Franz Stephan Parteder

Stellungnahme zur Entwicklung des ländlichen Raums anlässlich der NR-Wahl 2006
Antwort auf drei Fragen des Forums St. Lambrecht/*
*/Steiermärkisches Institut für Ortserneuerung, Natur- und Umweltschutz/*

1.: Die Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum gibt zu großer
Sorge Anlass, zumal unsere gut ausgebildete Jugend nach Abschluss
ihrer höheren Schulbildung in ihren Dörfern und Märkten keinen
Arbeitsplatz findet, damit verbunden ist eine ständige Abwanderung
festzustellen. Das Ergebnis: Eine überalterte Bevölkerung, es
fehlt der Nachwuchs für Hofübernahmen, für die Vereine etc.

*Was hat Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode
diesbezüglich vor und welche Initiativen sind für den ländlichen
Raum geplant; insbesondere mit welcher Offensive und konkreten
Maßnahmen für Betriebsansiedlungen und Schaffung von
Arbeitsplätzen will Ihre Partei dem Problem begegnen?

Wir können uns wirksame Maßnahmen für den ländlichen Raum vorstellen, die in unseren Programmen niedergelegt sind. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Zusammensetzung des nächsten Nationalrates der KPÖ kaum die Möglichkeit bieten wird, diese Forderungen auch umzusetzen.
Darüber hinaus meine ich, dass es eine wichtige Voraussetzung für einen Wende zum Besseren in den steirischen Regionen sein muss, wieder in unserem eigenen Land selbständig über die Formen und das Ausmaß der Regionalförderung und der Unterstützungsmaßnahmen für die Landwirtschaft entscheiden zu können. Kompetenzen, die mit dem EU-Beitritt Österreichs an Brüssel abgegeben worden sind, müssen wieder nach Österreich und in die Steiermark zurückkommen. Das wird nicht ohne eine große gesellschaftliche Auseinandersetzung möglich sein.

2. Die Nahversorgung im ländlichen Raum wird immer dramatischer. *In rund 130 steirischen Gemeinden von 542 Gemeinden gibt es weder
einen Kaufmann noch ein Gasthaus.* Auch Postämter und
Gendarmerieposten wurden geschlossen. Durch die schlechte
Nahversorgung wird der Abwanderungsprozess zusätzlich beschleunigt
und unsere Dörfer und Märkte sterben langsam aus.

*Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Nahversorgung für den
ländlichen Raum will Ihre Partei einleiten, um eine Trendumkehr
herbei zu führen und welche Förderungsinstrumente sollen hiezu neu
geschaffen werden?

In Österreich ist der Einzelhandel mit Lebensmitteln faktisch zwischen ganz wenigen Handelskonzernen aufgeteilt, die international operieren und im Regelfall ihren Hauptsitz im Ausland haben (Rewe oder Hofer). Diese orientieren ihre Marktstrategien auf große Supermärkte am Rande der Städte. Das Greislersterben ist eine Folge dieser Konzernstrategien.
Maßnahmen des Landes über die Raumordnung oder durch Förderungen von Einzelhändlern im ländlichen Raum haben bisher nur zu einer Verlangsamung dieser konstatierten negativen Entwicklungen geführt.
Unserer Auffassung wäre es sinnvoll, genossenschaftliche Initiativen der gegenseitigen Hilfe zu fördern, um die Bevölkerung des ländlichen Raumes besser zu versorgen.
So seltsam es heute klingen mag: Organisationen wie Raiffeisen oder der KONSUM sind seinerzeit als Selbsthilfeorganisationen entstanden. Ich kann mir vorstellen, gemeinsam mit der Bevölkerung neue Formen der Handelsorganisation zu entwickeln, die Versorgung und gesellschaftlichen Zusammenhalt ermöglichen.
Mit dem Kaufhaus im Ort und dem Wirtshaus geht schließlich auch eine Begegnungsstätte verloren.
Auf dem Papier – und wenn sie in Regierungsbüros beraten werden - wirken die genannten Schließungen von wichtigen Infastruktureinrichtungen rational. Man will Kosten sparen und Arbeitsplätze wegrationalisieren. Vor Ort wirken derartige Entscheidungen fatal: Immer mehr Regionen und auch mittelgroße Städte verlieren ihre Markenzeichen. Früher ist man in die Stadt gefahren, um wichtige Dinge zu erledigen, der Gendarmerieposten hat als Signal für die öffentliche Sicherheit gewirkt.
Jetzt fehlen diese Einrichtungen und mit den verlorenen Arbeitsplätzen wandern auch Leitpersonen und lokale Meinungsführer ab.
Wir treten für einen Stopp dieser Entwicklungen ein. Ein Staats der in der Lage ist, Milliarden Euro für Kampfflugzeuge auszugeben, müsste auch in der Lage sein, gezielt in die Infrastruktur zu investieren. Dadurch könnten auch unliebsame soziale Folgekosten vermieden werden, die auf dem Land durch die Entvölkerung und in den Städten durch gesellschaftliche Entwurzelung verursacht werden.

Wir halten gezielte Investitionen in Verkehrswege und in den Öffentlichen Personennahverkehr für entscheidend. Deshalb treten wir für die Einführung einer Nahverkehrsabgabe nach dem Muster der Wiener U-Bahnsteuer ein, die von den Unternehmern eingehoben werden sollte. Dadurch könnten auch bestehende Betriebe ausgelastet und Zulieferbetriebe geschaffen werden, die sich auf den Ausbau der Infrastruktur spezialisieren.

Ein Sozialpass für Menschen mit geringem Einkommen könnte das Leben auch in den ländlichen Regionen erleichtern. Der Sozialpass für Menschen mit einem Monatseinkommen unter 1000 Euro– wie ihn die KPÖ im steiermärkischen Landtag fordert – soll ein Jahr lang gelten .
Er ist ein unbürokratisch ausgestellter Lichtbildausweis, gültig für ein Jahr oder für längere voraussehbare Zeiten (z.B.Karenz).Der Sozialpass soll Behördenwege reduzieren, alle bestehenden Ansprüche auflisten und automatisch übernehmen.

3. Derzeit fällt auf, dass die Bürgermeister und Gemeinderäte in der
Steiermark mit diesen Problemen des ländlichen Raums ziemlich
allein gelassen werden. Weder das Land noch der Bund zeigen großes
Interesse, sich dieser Entwicklung im ländlichen Raum zu stellen.
Es gibt zwar eine Fülle von Initiativen wie z.B. ILE, ÖLE, Forum
Land, etc. doch es fehlt eine Bündelung der Kräfte und auch der
Förderungsinstrumentarien (EU-, Bundes- und Landesförderungen).

*Welche Maßnahmen will Ihre Partei setzen, um diesbezüglich den
Bürgermeistern wirklich an die Hand zu gehen, diese zu
unterstützen, um einerseits zu den notwendigen Förderungen zu
kommen und andererseits beispielsweise durch Beistellung von
Projektmanagern zu gewährleisten, dass diese Mittel auch gezielt
gegen die weitere Abwanderung eingesetzt werden?

Die KPÖ hält ihre Initiative auch deshalb für wichtig, weil darin ein grundsätzlicher Widerspruch zur derzeit vorherrschenden Politik zum Ausdruck kommt. Wir meinen, dass die Bürgermeister und Gemeinderäte in der Steiermark darüber hinaus auch sichtbare Aktionen setzen sollten, um zu zeigen, dass es so nicht weitergeht.
Wir werden diese Initiativen im Landtag sicherlich unterstützen.

Abschließend möchte ich noch einmal festhalten, dass ohne eine grundlegende Umverteilung von oben nach unten die beschriebenen Ziele nicht erreicht werden können.
In der Steiermark leben mehr Arbeiterinnen und Arbeiter als Großgrundbesitzer, es gibt bei uns mehr alleinerziehende Mütter als Fabrikbesitzer, mehr Arbeitslose als Börsenspekulanten.
Die Superreichen sind eine kleine Minderheit. Aber diese Minderheit bestimmt, was in der Steiermark geschieht.
Wir haben es uns zu Aufgabe gestellt, Vorschläge für mehr soziale Gerechtigkeit und für die Umverteilung von oben nach unten zu machen. Wir wissen, dass es nicht leicht ist, diese Vorschläge auch durchzusetzen. Das geht nur, wenn viele Menschen gemeinsam handeln.
Deshalb sind überparteiliche Initiativen wie die Ihre von großer Bedeutung.

Franz Stephan Parteder

Steirischer KPÖ-Vorsitzender

PS:
Die Antworten auf Ihre Fragen, die wir 2006 geben ähneln den Antworten von Ernest Kaltenegger aus dem Jahr 2005. Das hat einen Grund: Die Probleme haben sich nicht verändert.

Veröffentlicht: 23. September 2006

Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.