KPÖ zeigt gravierende Lücken bei Mindestsicherung auf
Klimt-Weithaler: Keine Benachteiligung von kinderreicher Familien und Alleinerzieherinnen!
Klimt-Weithaler wies darauf hin, dass der zuständige
Landesrat LH-Stv. Schrittwieser und seine MitarbeiterInnen, im Vorfeld die
Forderungen der KPÖ zur Umsetzung der Mindestsicherung intensiv mit ihr
diskutiert hätten.
Zur Position der KPÖ bei der Ausgestaltung der
Mindestsicherung meint sie: „Wir haben klargestellt, dass die KPÖ
selbstverständlich für die Einführung einer Mindestsicherung ist, die diesen
Namen auch verdient. Die Novellierung des Sozialhilfegesetzes sollte
auch zum Anlass genommen werden, bestehende Probleme zu beseitigen. Wir sind
daher der Ansicht, dass folgende Punkte im steirischen Gesetzesentwurf
Berücksichtigung finden müssen:
- Mindestsicherung 14 Mal pro
Jahr
- keine Verschlechterung für
Menschen, die in Wohngemeinschaften leben
- keine Verschlechterung beim
Richtsatz für Kinder - derzeit € 22,6 % vom ASVG-Richtsatz; dieser
Prozentsatz soll weiter angewendet werden
- keine Verschlechterung ab dem
4. Kind
- Verpflichtung zur
Unterhaltsklage gegen geschiedenen Ehegatten nur bei bestehendem
Unterhaltstitel, keine Klage bei "gegenseitigem Unterhaltsverzicht
auch in Zeiten der Not"
- Verpflichtung zur
Unterhaltsklage nur bei minderjährigen Kindern gegen deren Eltern
Verschlechterungen bei Einführung der Mindestsicherung
In der Diskussion um die bedarfsorientierte Mindestsicherung
wird häufig auf das so genannte Verschlechterungsverbotverwiesen, nachdem BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht
schlechter gestellt werden dürfen als sie in der zurzeit geltenden Sozialhilfe
des jeweiligen Bundeslandes wären.
Trotzdem würden große Gruppen von
Betroffenen künftig weniger erhalten als sie in der Vergangenheit erhalten
haben. Um dies zu
illustrieren, hat die KPÖ für mehrere konkrete Fälle die im Rahmen ihrer
Sozialberatung aufgetreten sind, und ein fiktives Beispiel den momentanen
Sozialhilfeanspruch und die in Zukunft aus der Mindestsicherung ausgezahlten
Beträge gegenübergestellt. Mehrkindfamilien, alleinerziehende Mütter und
Menschen die in Wohngemeinschaften teilweise große VerliererInnen, und müssen
Ausfälle von mehreren hundert Euro gewärtigen, was für ohnehin schon arme
Menschen eine gewaltige Belastung darstellt. Davon abgesehen sind die neuen
Regelungen starrer und unflexibler, was es bei plötzlich auftretenden Krisen im
Gegensatz zur jetzigen Rechtslage unmöglich macht, in Not geratenen Menschen
rasch zu helfen.
Wie ist das möglich?
Im Originaltext der Art. 15a Vereinbarung
(Art. 2 Abs 4, letzter Satz) liest sich das Verschlechterungsverbot folgendermaßen:
„Das
derzeit bestehende haushaltsbezogene Leistungsniveau darf durch die in
Umsetzung dieser Vereinbarung erlassenen Regelungen nicht verschlechtert
werden.“
Wie diese Bestimmung genau zu verstehen
ist, wird in den Erläuterungen zur 15a-Vereinbarung erklärt:
„In Abs. 4
dritter Satz wird schließlich noch der Grundsatz eines
„Verschlechterungsverbotes“ statuiert,
demzufolge
das bisherige haushaltsbezogene Leistungsniveau durch die in Umsetzung dieser
Vereinbarung zu erlassenen Regelungen nicht verschlechtert werden darf. Da
diese vielfach zu Systemumstellungen führen werden, haben die Vertragsparteien
durch geeignete Rechtsvorschriften und Maßnahmen sicherzustellen, dass sich das
jeweilige haushaltsbezogene Leistungsniveau zur Deckung der Bedarfe nach Art. 3
in Summe insgesamt nicht verringert. Die Verankerung des
Verschlechterungsverbotes als allgemeiner Grundsatz soll überdies
unterstreichen, dass weder systematisch noch im Einzelfall Parallelrechnungen
zwischen alter und´neuer Rechtslage angestellt werden müssen oder
Einzelpersonen dahingehend ein Recht ableiten können.“
Dies bedeutet also, dass die Bundesländer von vorneherein
ihre Sozialhilfegesetze so gestalten müssen, dass die Betroffenen nicht durch
die neuen Regelungen schlechter gestellt werden. Ein/e Betroffene/r, der/die weniger Mindestsicherung bekommt als er/sie
Sozialhilfe bekommen hat, kann die Differenz nicht unter Rekurs auf das
Verschlechterungsverbot einklagen. Es werden bei NeuantragstellerInnen keine
Parallelrechnungen angestellt die zeigen, ob das jetzt geltende
Sozialhilfegesetz einen höheren Anspruch ergeben hätte.
Was bedeutet dies für die Steiermark? Hat die Steiermark in
dem Entwurf des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, dass der Nachfolger
des geltenden Sozialhilfegesetzes werden soll, das Verschlechterungsverbot
umfassend umgesetzt? Die Antwort ist: Nein!
In den Erläuterungen wird zwar Bezug darauf genommen, dass
eine lediglich zwölfmalige Auszahlung der Mindeststandards der Verpflichtung zur Erreichung des Leistungsniveaus
der bisherigen Sozialhilfe nicht entsprechen würde, weshalb nur eine
vierzehnmalige Auszahlung verankert ist. Aber eine systematische Anpassung der
Beitragssätze sodass keine Härten auftreten ist nicht erfolgt. Auch ist das
Verschlechterungsverbot im Gesetz selbst nicht verankert.
Fallbeispiele für Verschlechterungen
Drei reale und ein fiktives Beispiel
Familie 1
Ein Ehepaar lebt gemeinsam mit 6
Kindern in einem privat gemieteten Haus, für welches Miete in der Höhe von €
1.308,77 zu bezahlen ist, die Wohnbeihilfe beträgt € 421,--, der Eigenanteil an
Miete somit € 887,77.
Der Mann arbeitet und verdient
monatlich € 1.370,79. Die Frau arbeitet als Hausfrau und Mutter und hat kein
Einkommen. Es wird Sozialhilfe in folgender Höhe bezogen:
€ 500,-- Lebensbedarf Hauptunterstützter
€ 334,-- Lebensbedarf Mitunterstützter
€ 1.014,-- Lebensbedarf für 6 minderjährige Kinder (6
mal 169)
€ 624,58 vertretbarer Aufwand für Unterkunft
€ 2.472,58 Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen
€ 1.611,62 Gehalt des Mannes
€ 860,96 monatliche Sozialhilfe
derzeit
Bedarfsorientierte Mindestsicherung
€ 558,-- Mindestsicherung 1. Erwachsener
€ 558,-- Mindestsicherung 2. Erwachsener
€ 402,-- Mindestsicherung für die ersten 3 Kinder (18
% von 744 mal 3)
€ 334,80 Mindestsicherung für die nächsten 3 Kinder (15 % von 744 mal 3)
€ 1.852,80 Mindestsicherung
für die gesamte Familie minus eigenes Einkommen
€ 1.611,62 Gehalt des Mannes
€ 241,18
Mindestsicherung
€ 860,96
derzeitige Sozialhilfe
€ 241,18 zukünftige Mindestsicherung
€ 619,78
verliert die Familie monatlich nach Einführung der Mindestsicherung
Familie 2
Eine alleinerziehende Mutter lebt
mit ihren beiden Töchtern in einer Wohnung, für welche sie Miete in der Höhe
von € 542,91 bezahlt. Sie bezieht Wohnbeihilfe in der Höhe von € 257,77, d.h.
ihr Eigenanteil an Miete beträgt € 285,14. Für die Kinder werden Alimente vom
Kindesvater in der Höhe von insgesmat € 233,-- bezahlt. Die Frau arbeitet
halbtägig beschäftigt als Aufräumerin und verdient monatlich € 492,75. Es wird
Sozialhilfe in folgender Höhe bezogen:
€ 500,-- Lebensbedarf Hauptunterstützte
€ 338,-- Lebensbedarf für 2 Kinder
€ 285,14 Eigenanteil an Miete (Miete € 542,91 minus
Wohnbeihilfe € 257,77)
€ 1.123,14 Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen
€ 492,75 Gehalt für 20 h-Woche
€ 233,-- Alimente für 2 Kinder (€ 93,-- Kind 1, €
140,-- Kind 2)
€ 397,39
monatliche Sozialhilfe derzeit
Bedarfsorientierte Mindestsicherung
€ 744,-- Mindestsicherung Alleinerzieherin
€ 268,-- Mindestsicherung 2 Kinder
€ 1.012,-- Richtsatz
Mindestsicherung minus eigenes Einkommen
€ 492,75 Gehalt
€ 233,-- Alimente für 2 Kinder
€ 286,25 Mindestsicherung
€ 397,39 derzeitige Sozialhilfe
€ 286,25 Mindestsicherung
€ 111,14 verliert die alleinerziehende Mutter
monatlich nach Einführung der Mindestsicherung.
Familie 3
Eine geschiedene Frau bewohnt
alleine eine kleine Wohnung, für welche sie Miete in der Höhe von € 516,18 zu
bezahlen hat. Sie kann keine Wohnbeihilfe beziehen, der Quadratmeterpreis ist
zu hoch. Ein Antrag auf Gemeindewohnung wurde gestellt, die Wartezeit beträgt
ca. 9 Monate. Die Frau ist arbeitslos und bezieht eine Notstandshilfe in der
Höhe von € 15,92 täglich. Es wird Sozialhilfe in folgender Höhe bezogen:
€ 548,-- Lebensbedarf Hauptunterstützte
€ 370,-- tatsächlich vertretbarer Aufwand für Unterkunft
€ 918,-- Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen
€ 484,23 Notstandshilfe (15,92 x 365 : 12)
€ 433,77
monatliche Sozialhilfe derzeit
Bedarfsorientierte Mindestsicherung
€ 744,-- Mindestsicherung Alleinstehende minus
eigenes Einkommen
€ 484,23 Notstandshilfe
€ 259,77 Mindestsicherung
€ 433,77 derzeitige Sozialhilfe
€ 259,77 Mindestsicherung
€ 174,-- verliert die alleinstehende Frau monatlich
nach Einführung der Mindestsicherung.
Familie 4
Zwei Frauen, die sich nach
gewalttätigen Beziehungen im Frauenhaus kennengelernt haben, beschließen nach
Auszug aus dem Frauenhaus, um Mietkosten zu sparen, gemeinsam in einer Wohnung
zu leben. Eine der beiden Frauen geht arbeiten und hat ein Einkommen. Die
andere Frau hat kein Einkommen und bezieht Sozialhilfe. Die Miete beträgt €
430, monatlich, d.h. jede der beiden Frauen muss monatlich € 215,-- an Miete
bezahlen. Die Frau ohne Einkommen bezieht derzeit Sozialhilfe in folgender
Höhe:
€ 500,-- Lebensbedarf Hauptunterstützte
€ 215,-- vertretbarer Aufwand für Unterkunft
€ 715,-- Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen
€ 0,-- Es gibt kein Einkommen
€ 715,-- monatliche Sozialhilfe derzeit
Bedarfsorientierte Mindestsicherung
€ 558,-- Mindestsicherung 75 % von € 744,-- minus
eigenes Einkommen
€ 0,-- Es gibt kein Einkommen
€ 558,-- Mindestsicherung
€ 715,-- derzeitige Sozialhilfe
€ 558,-- Mindestsicherung
€ 157,--- verliert die Frau monatlich nach Einführung
der Mindestsicherung.
Achtung: Dieses
Beispiel beruht im Gegensatz zu den Fällen 1-3 nicht auf einem konkreten Fall,
sondern beschreibt ein fiktives Szenario.
Veröffentlicht: 18. Mai 2010