Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.

„Kasssenreform“ ist schwarz-blaue Umfärbung mit fragwürdigen Zielen

Vertretung der arbeitenden Menschen weitgehend entmachtet – KPÖ für Verschlechterungsverbot

Foto:© Pia Schmikl

Laut Medienberichten wurde so genannte „Kassenreform“ der schwarz-blauen Bundesregierung am 13. September in allen wesentlichen Details beschlossen. Was der Bevölkerung als Verwaltungsvereinfachung verkauft wird, ist die weitreichendste sozialpolitische Umwälzung in der Geschichte der Zweiten Republik. Das sagte KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler zu den politischen Umwälzungen in der Sozialversicherung, wo ca. 60 Milliarden Euro im Jahr verwaltet werden.

Bekannt ist, neben einer Reihe von Köpfen, die ausgetauscht werden, dass die neun Landeskassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) mit Sitz in Wien fusioniert werden sollen. Die Länderkassen bleiben aber bestehen und heißen künftig „Landesstellen“. Die Länderversicherungen verlieren ihre Budgethoheit. Mit der Zentralisierung der Krankenversicherung wird die zentrale künftig über eine enorme Machtfülle verfügen, immerhin geht es um ca. 60 Milliarden Euro pro Jahr.

Auch kleinere Kassen werden zusammengelegt, insgesamt bleiben fünf Versicherungsträger (inkl. Pensionsversicherung für Arbeiter und Angestellte) übe. Der steirische ÖVP-Gesundheitslandesrat Drexler zeigt sich begeistert und richtete aus, er sei über die Änderungen „glücklich“.

Bei den Krankenversicherungen geht es FPÖ und ÖVP politisch vor allem um die Aushöhlung der Selbstverwaltung. Selbstverwaltung bedeutet, dass die Kassen von Vertreterinnen und Vertretern der Versicherten und ihrer Dienstgeber verwaltet werden, die etwa von der AK oder der Wirtschaftskammer entsendet werden. Eingriffe in dieses System wurden bereits 2003 von der ersten Schwarzblauen Bundesregierung vorgenommen. Das hängt damit zusammen, dass der Großteil der Sozialversicherungsbeiträge – ca. 90 Prozent – aus den Beiträgen der ArbeiterInnen und Angestellten stammen. Deshalb wurde die Sozialversicherung früher vor allem von deren Vertretung verwaltet. Seither leitet die ÖVP-dominierte Wirtschaftskammer den Hauptverband.

Die Bundesländerkassen sollen nicht aufgelöst, sondern in Landesstellen umgewandelt werden. Somit wird eine neue Ebene eingeführt. Das widerspricht den Beteuerungen, es ginge um Einsparungen bei der Verwaltung. Dabei klingt es sinnvoll, so viele Kassen zusammenzulegen. Aber ist es das auch wirklich? Die Verwaltungskosten der Sozialversicherung lagen 2016 bei 2 Prozent (1,21 Milliarden Euro Verwaltungsaufwand bei 60,12 Milliarden Euro Gesamtaufwand). Im Jahr 1995 lagen sie noch bei 2,9 Prozent. Im privaten Versicherungswesen sieht es ganz anders aus, die Verwaltungskosten betragen dort mindestens 15 bis 30 Prozent.

Das ist deshalb bemerkenswert, weil Finanzminister Hartwig Löger aus der privaten „Zusatzversicherungs“-Branche kommt. Löger war vor seiner Laufbahn als Minister Vorstandsvorsitzender des Versicherungskonzerns UNIQA Österreich. Die private Gesundheitsversicherung nannte er in seiner damaligen Funktion in einem Interview im Jahr 2016 das „Kerngeschäft“ seines Konzerns. In diesem Bereich sehe er eine „große Nachfrage“. Und jetzt ist er in der Position, die Nachfrage zu erhöhen. Zum Beispiel durch die Einschränkung der Leistungen der öffentlichen Sozialversicherungsanstalten.

Der Bundesregierung geht es nicht ums „Sparen“. Es geht um politische Umfärbung. Künftig soll ein Drittel der Vertreterinnen und Vertreter von der Bundesregierung in die Kassen entsandt werden. So will sich vor allem die FPÖ neue Posten und die ÖVP noch mehr Einfluss auf die Gelder der Sozialversicherten verschaffen. Und wer das Sagen in der Sozialversicherung hat, bestimmt auch über die Leistungen. Die Sozialversicherungen sind der größte nicht gewinnorientierte Bereich in Österreich. Das ist vielen in der ÖVP und in der FPÖ ein Dorn im Auge. Denn die privaten Versicherer stehen schon Schlange, um ein Stück des Kuchens abzubekommen: Privatspitäler, Versicherungs- und Gesundheitskonzerne träumen von einem Milliardengeschäft. Die Kassen werden aber nicht klingeln, so lange das öffentliche Gesundheitssystem funktioniert und umfangreiche Leistungen anbietet – auch wenn diese natürlich immer ausbaufähig sind. Deshalb soll es ausgehöhlt und geschwächt werden, um privaten „Anbietern“ den Boden zu bereiten.

Besonders schwierig wird die so genannte „Reform“ für die künftige ÖGK. Sie trägt das höchste Risiko und hat die unsichersten Einnahmen. In der ÖGK wird der weitaus größte Teil der Menschen in Österreich versichert sein. Ohne Leistungskürzungen, schlechteren Zugang zur Versorgung und ohne Selbstbehalte werden die in Aussicht gestellten Einsparungen kaum realisierbar sein. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung schlagen seit Jahren vor, auch einen Behandlungsbeitrag bei ärztlicher Behandlung einzuheben, wie er in anderen Kassen bereits existiert.

Die künftige Organisation sorgt für einen weit überproportionalen Einfluss der ÖVP. (Dass Hyper-Funktionär und Wirtschaftskammerchef Mahrer als Obmann einer der fünf Versicherungen kolportiert wird, dürfte durchaus mehr als ein Scherz sein.) Während die AK rund 3,7 Millionen Mitglieder hat, gibt es lediglich 160.000 Bäuerinnen und Bauern, 550.000 BVA-Versicherte und 500.000 Mitglieder in der Wirtschaftskammer. Darüber hinaus ist geplant, auch die Beschickung der Generalversammlung zugunsten der ÖVP zu ändern. Dadurch hätte ein Mitglied der Wirtschaftskammer, gemessen an der Mitgliederzahl, das vielfache Gewicht eines einfachen AK-Mitglieds. KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler: „Die Vertreterinnen und Vertreter der arbeitenden Menschen aus den Reihen der AK und des ÖGB werden durch die so genannte Reform weitgehend entmachtet, obwohl sie die überwältigende Zahl der Versicherten und der Beitragszahlungen repräsentieren. Das zeigt, worum es der Bundesregierung wirklich geht. Dass der steirische Gesundheitslandesrat Drexler Beifall klatscht, ist seltsam: Immerhin ist er steirischer ÖAAB-Obmann.“

Eine Vereinheitlichung der Leistungen über alle Träger hinweg kann nur Einsparungen bringen, wenn alle Versicherung auf das unterste Niveau gebracht werden. Zu Einschnitten wird es mit Sicherheit kommen, denn die Regierung hat den Unternehmen versprochen, deren Beiträge zur Sozialversicherung ab 2020 zu senken. Das wird weitreichende Folgen für einen Großteil der Bevölkerung haben. Nebenbei bemerkt: Ohne GKK als wichtigster Partner ist eine steirische Spitalsreform, wie sie Landesrat Drexler plant, nicht umsetzbar.

 

KPÖ für Verschlechterungsverbot

Die KPÖ fordert von der Landesregierung, sich für ein Verschlechterungsverbot für alle Versicherten auszusprechen. Dieses soll für die gesetzliche Sozial- und Unfallversicherung gelten und umfasst die Erhöhung von Beiträgen für unselbständig Beschäftigte ebenso wie die Einschränkung von Leistungen für sämtliche Versicherte. Klimt-Weithaler: „Wenn die Regierung wirklich nur bei der Verwaltung sparen will, soll sie eine Garantie dafür abgeben, dass es für die Versicherten zu keinen Verschlechterungen kommt!“

Veröffentlicht: 13. September 2018

Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.