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Kapfenberg: Gedächtniskultur für Antifaschisten

Straßennamen erinnern auch an Kommunistinnen und Kommunisten

Donnerstag, 11. Februar 2010

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Besonders hervorzuheben im Zusammenhang mit einer sozialdemokratischen (bzw. in der ersten Nachkriegszeit auch kommunistischen) Gedächtniskultur ist die Industriestadt Kapfenberg, wo von 1945 bis heute eine Kontinuität der Benennung von Verkehrsflächen nach WiderstandskämpferInnen sowie nach steirischen Februarkämpfern besteht.
So erhielt eine Verkehrsfläche im Gedenken an die Ereignisse des Bürgerkrieges am 12. Februar 1934 am 24. Jänner 1947 die Bezeichnung "12. Februarstraße".
Bereits am 7. Juni 1945 beschloss der Kapfenberger Gemeinderat, Straßen nach dem Elektrotechniker Anton Buchalka, dem Schmied Anton Mühlbacher, dem Bauarbeiter und Politiker Koloman Wallisch und dem Arbeiter Otto Hauberger zu nennen.
Anton Buchalka, bereits im "Ständestaat" aufgrund seiner Beteiligung an den Februarkämpfen 1934 zu einem Jahr Kerker verurteilt, ist nach einem Todesurteil des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes im Juli 1941 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden, weil er im Raum Mürzzuschlag - Leoben - Eisenerz eine kommunistische Widerstandsgruppe aufgebaut hatte.
Anton Mühlbacher wurde im April 1943 wegen "organisatorischen und agitatorischen kommunistischen Hochverrat" zum Tode verurteilt und drei Monate später in Wien hingerichtet.
Koloman Wallisch war 1918/19 Mitglied des Arbeiterrates in Szeged (Ungarn) und Abgeordneter des Rätekongresses. Nach der Niederschlagung der Räterepublik floh er über Maribor/Marburg in die Steiermark. Hier wirkte er u. a. als Gemeinderat in Bruck/Mur, als Mitglied des steirischen Landtages (1924 - 1934), als Landesparteisekretär der Sozialdemokratischen Partei Steiermarks und als Abgeordneter zum Nationalrat (1930 - 1934). Wallisch war am Aufbau des Republikanischen Schutzbundes führend beteiligt und zwischen 1928 und 1933 Brucker Bezirkskommandant des Schutzbundes. Im Zuge des Bürgerkrieges im Februar 1934 verhaftet, wurde er von einem Standgericht des Dollfuß-Regimes zum Tode verurteilt und am 19. Februar 1934 in Leoben hingerichtet. Am 26. 9. 1945 ist in Kapfenberg noch eine weitere Verkehrsfläche nach ihm benannt worden.
Otto Hauberger war führendes Mitglied einer kommunistischen Widerstandsgruppe bei Böhler, die der Sabotage verdächtigt wurde. Bei seiner Verhaftung im April 1944 unternahm er einen Fluchtversuch. Angeblich soll er sich im Mai 1944 in seiner Zelle erhängt haben.
Am 30. November 1955 beschloss der Kapfenberger Gemeinderat, weitere Verkehrsflächen nach Widerstandskämpfern zu benennen:
Der Malergehilfe Anton Paar, Mitglied des Republikanischen Schutzbundes, starb bei den Februarkämpfen am so genannten "Jägereck" nahe dem Kapfenberger Schlossberg.
Der Schweißer Hans Roch war bis 1934 Sozialdemokrat, Mitglied des Republikanischen Schutzbundes und an den Kämpfen im Februar 1934 beteiligt. 1939 arbeitete er am Neuaufbau der KPÖ in Kapfenberg mit, verteilte Flugschriften und sammelte Unterstützungsgelder. Im Februar 1941 wurde er zu 6 Jahren Kerker verurteilt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wollte er im Juni 1945 als Hilfsgendarm einen Diebstahl verhindern und ist irrtümlich von einem sowjetischen Soldaten niedergeschossen worden.
Die Bezugnamen in der Gedächtniskultur von Kapfenberg beziehen sich nicht nur auf die regionale Ereignisgeschichte. In einigen Straßenbenennungen werden namhafte Persönlichkeiten aus dem Bereich der österreichischen Gewerkschaftsbewegung gewürdigt (wobei die Dimension des Widerstands gegen "Ständestaat" und NS-Regime wohl nur einen Aspekt für die Auswahl dieser "denkwürdigen" Personen darstellte), in den letzten Jahren auch bekannte österreichische Widerstandskämpferinnen:
Am 12. Februar 1960 wurde eine Straße nach dem ein Jahr zuvor verstorbenen Gewerkschafter Johann Böhm benannt. Dieser war 1927 Wiener Gemeinderat und zwischen 1930 und 1934 Abgeordneter zum Nationalrat. Nach dem Bürgerkrieg 1934 sowie 1944 ist er aus "politischen Gründen" festgenommen worden. 1945 begründete er den überparteilichen Österreichischen Gewerkschaftsbund mit und fungierte als dessen erster Präsident..
Am 26. März 1982 wurde eine Wohnhausanlage nach dem kurz zuvor verstorbenen Karl Maisel benannt. Der Maschinenschlosser Maisel war nach dem Bürgerkrieg 1934 bei den Revolutionären Sozialisten und den Freien Gewerkschaften tätig gewesen und wurde deshalb auch 1934 und 1937/38 inhaftiert. 1939 bis 1940 im KZ Buchenwald angehalten, ist er 1944 nach dem Attentat auf Hitler erneut aus "politischen Gründen" festgenommen worden. Im April 1945 begründete er die Gewerkschaft Metall, Bergbau und Energie mit und wurde ihr Obmann. Von 1948 bis 1959 war Maisel Vizepräsident des ÖGB, von 1956 bis 1964 Präsident der Arbeiterkammer Wien und von Dezember 1945 bis 1956 Minister für soziale Verwaltung.
Im April 1994 beschloss der Kapfenberger Gemeinderat die Benennung eines Platzes nach der zwei Monate zuvor verstorbenen Rosa Jochmann. Sie war in der Gewerkschaftsbewegung und der Sozialdemokratie aktiv und wurde 1933 in den Parteivorstand gewählt. Nach dem Bürgerkrieg im Februar 1934 gehörte Jochmann der Führung der Revolutionären Sozialisten an und setzte ihre politische und antifaschistische Arbeit unter dem Decknamen "Josefine Drechsler" fort. Am 22 August 1939 von der Gestapo verhaftet, wurde sie im März 1940 in das KZ Ravensbrück überstellt. Nach der Befreiung 1945 bekleidete sie mehrere Funktionen in der SPÖ und war jahrzehntelang Vorsitzende des Bundes sozialistischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus.
Im Jahr 2000 beschloss der Gemeinderat die Benennung weiterer öffentlicher Plätze nach antifaschistischen WiderstandskämpferInnen: eine Gasse trägt seit dem 10. Februar den Namen der Witwe von Koloman Wallisch und sozialdemokratischen Politikerin Paula Wallisch, eine weitere seit dem 29. Juni jenen der nach Großbritannien emigrierten sozialistischen Sozialpsychologin Maria Jahoda. Am 11. Dezember wurde eine Wohnhausanlage nach der kommunistischen Architektin und Widerstandskämpferin Margarethe Schütte-Lihotzky-Siedlung benannt.

Veröffentlicht: 5. Januar 2013

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