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Kaltenegger-Porträt in den Oberösterreichischen Nachrichten

"Zwischen Robin Hood und St. Martin"

Wenn man den steirischen KPÖ-Kandidaten Ernest Kaltenegger fragt, wer sein Vorbild sei, kommt die Antwort prompt. Nicht Marx, nicht Lenin, sondern die Alltagshelden. In Graz, wo Kaltenegger seit 1981 im Gemeinderat sitzt, erwarb er sich selbst einen gewissen Heldenstatus. Früher seien die Kommunisten noch wie Aussätzige behandelt worden, erzählt er. Heute haben sie dank Kaltenegger sogar die Chance, in der Steiermark drittstärkste Kraft zu werden.

Kaltenegger verfolgt nicht das Fernziel einer Weltrevolution des Proletariats. Sein Kommunismus ist von Pragmatismus statt Programmatik geprägt. Politische Gegner werfen ihm deshalb sogar Nicht-Politik vor und das macht es im Wahlkampf auch so schwer, ihn anzugreifen. Seine Überzeugung ist irgendwo angesiedelt zwischen Robin Hood und dem heiligen Martin, auch wenn Kaltenegger mit 16 aus der Kirche austrat. Er will den Armen geben. Und er tut es auch.

Kaltenegger, der am 28. November 1949 im ober-steirischen Obdach geboren wurde und bei seinen Großeltern aufwuchs, lernte als Kind die Armut kennen. Heute hilft er selbst Bedürftigen. Von den 4600 Euro, die er als Grazer Stadtrat monatlich netto verdient, behält er sich 1900 Euro ein. Den Rest verteilt er an jene Bedürftigen, die täglich an seine Bürotür klopfen. Er bewahrt sie vor Delogierungen und hat in Graz dafür gesorgt, dass in Substandard-Wohnungen Duschen eingebaut werden. "Auch das ist Kultur: Ein Bad für jede Gemeindewohnung", prangt auf seiner Website. "Engel der Armen" wird er deshalb genannt.

Nicht nur die bedürftigen Grazer haben ihm sein Engagement gedankt. Bei den Grazer Gemeinderatswahlen 2003 erhielt er fast 21 Prozent der Stimmen. Das Grazer Phänomen ist längst ein steirisches: In einer aktuellen Umfrage kürte ihn die Bevölkerung zum vertrauenswürdigsten steirischen Politiker.

Die Glaubwürdigkeit ist seine größte Stärke. 1972 schloss sich Kaltenegger den Kommunisten an, weil "dort handeln die Leute auch so, wie sie reden". Dabei war der junge Lehrling in den Stadtwerken anfangs der sozialistischen Jugend und der Gewerkschaft beigetreten. Doch der "Widerspruch zwischen Wort und Tat" habe ihn schließlich zum Wechsel zur KP bewogen. Er arbeitete als Parteisekretär und rückte in den Grazer Gemeinderat auf. Nun wird Kaltenegger, der seit kurzem geschieden ist und einen Sohn hat, den Kommunisten nach 35 Jahren wieder den Einzug in den Landtag sichern.

Oberösterreichische Nachrichten vom 17.09.2005

Veröffentlicht: 17. September 2005

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