Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.

Kaltenegger: Patriotismus und Internationalismus sind keine Gegensätze

Rede auf der antifaschistischen KPÖ-Kundgebung am 15. 3. 08

Liebe Genossinnen und Genossen!

Vorgestern und Gestern und fand in Graz – woher ich komme – die konstituierende Sitzung des Gemeinderates statt. Das Rathaus glich einer Festung, der Innenhof war voll von Polizeifahrzeugen und dutzenden Polizisten. Etwas, was die Grazer Bevölkerung noch bei keiner Gemeinderatssitzung in der Nachkriegszeit erlebte.

Innerhalb weniger Monate hat es die FPÖ und ihre Spitzenkandidatin geschafft, die Atmosphäre in unserer Stadt zu vergiften. Einen weiteren Beitrag dazu leistete noch das BZÖ, welches im Wahlkampf verkündete, Graz säubern zu wollen. Damit knüpfte man nahtlos an ein Versprechen Hermann Görings an, welcher solches schon 1933 für die deutschen Städte ankündigte.

Traditionspflege besonderer Art liegt natürlich auch der FPÖ am Herzen: Zur konstituierenden Sitzung des Gemeinderates erschienen die Riege der FP-Fraktion mit Kornblumen geschmückt, etwas, was schon den illegalen Nazis vor 70 Jahren als Symbol diente.

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit sowie Desinformation und Heuchelei waren fixe Bestandteile im Wahlkampf-Repertoire der Grazer Rechtsaußenparteien. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier ausgelotet werden sollte, wie weit man heutzutage schon wieder gehen darf.

Warum ist es möglich, dass nicht wenige Wählerinnen und Wählern solchen Parteien auf den Leim gehen? Natürlich gibt es bei vielen Menschen ein politisches Kurzzeitgedächtnis, dem schon wieder entschwunden war, wie ausgerechnet jene, die mit vorliebe vom „kleinen Mann“ und den „Fleißigen und Tüchtigen“ schwafeln, ausgerechnet diesen das Fell über die Ohren zogen als sie nämlich vor wenigen Jahren noch in der Regierung saßen.

Dass es genau diese selbsternannten Kämpfer gegen „Bonzentum“ und „Privilegienwirtschaft“ waren, die sich schamlos die Taschen voll stopften und sich Posten zuschoben, als sie die erste Reihe an den Futtertrögen ergatterten.

Aber mit der Vergesslichkeit der Menschen allein ist das wieder erstarken der Rechtsausenparteien nicht zu erklären. Da ist einmal das unsägliche Bild, welches die herrschenden Parteien derzeit abgeben. Kampf um Posten und Einfluss scheint deren ausschließliches Anliegen zu sein. Wahlversprechen haben eine Halbwertszeit von wenigen Monaten bevor sie sich oft spätestens mit der Regierungsbildung in Luft auflösen.

In Sonntagsreden wird gerne von „sozialer Kälte“ und von der immer größeren Schere zwischen Arm und Reich gepredigt. Wer sich anfänglich über solche Einsicht freute und Konsequenzen daraus erhoffte ist längst ernüchtert.

Die Steuerprivilegien der Reichen wurden beispielsweise noch durch die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgefettet, während beispielsweise Pflegebedürftige faktisch fast ihr letztes Hemd ausziehen sollen, um Leistungen finanzieren zu können, die in einer solidarischen Gesellschaft selbstverständlich sein sollten.

Der Abbau sozialer Errungenschaften, Arbeitslosigkeit, steigende Preise und die fehlende Aussicht auf eine Wende zum Besseren, das ist der Humus, auf dem der Ungeist gedeiht, der wieder von Ewiggestrigen gesät wird. Die vermeintlich einfachen Lösungen haben jedoch schon einmal in den Abgrund geführt.

Das Erstarken des Rechtsextremismus jedoch kein allein österreichisches Phänomen. In faktisch allen europäischen Ländern brechen diese Geschwüre auf.

Und was tun die Eliten der Gesellschaft oder jene, die sich dafür halten? Einerseits werden schicke, durchgestylte Kampagnen gestartet, die das Lebensgefühl steigern und das herrschende System schmackhaft machen sollen, andererseits werden jene Menschen, die in ihrer Aussichtslosigkeit auf die rechten Rattenfänger hereinfallen, mit Verachtung gestraft.

Wer jedoch wirklich möchte, dass die Stärkung der Rechten gestoppt wird, darf nicht müde werden, gerade um die auf sie Hereingefallenen zu kämpfen. Dazu sind schöne Worte allein zu wenig, es geht vor allem um eine Verbesserung der Lebensverhältnisse für sozial Benachteiligte.

Es geht auch um Chancengleichheit genau so wie um Glaubwürdigkeit.

Lassen wir nicht zu, dass rechte Pharisäer und Scharlatane die Gefühle und Sehnsüchte vieler Menschen missbrauchen können. Begriffe wie Heimat, Nation oder Sicherheit sind bei einigen von uns verpönnt, weil sie damit braunen Sumpf und Verzopftheit verbinden. Ich halte dies für überheblich und kurzsichtig. Wir dürfen diese Werte nicht einfach den Ewiggestrigen überlassen.

Internationalismus und Patriotismus sind nicht unversöhnliche Gegensätze, wie man es manchmal darstellen möchte. Sind im Kampf gegen den Nationalsozialismus nicht gerade glühende Internationalistinnen und Internationalisten für Österreich gestorben? War es nicht die KPÖ, die 1938 als einzige Partei das österreichische Volk aufrief, für ein freies und unabhängiges Österreich zu kämpfen? Selbst in den Stellungen der Internationalen Brigaden vor Madrid oder in Katalonien wurden gelegentlich auch alte österreichische Volkslieder gesungen.

Heute, 70 Jahre nach der Okkupation soll an die Verbrechen erinnert werden, die der Machtergreifung der Nazis folgten. Dies ist auch Anlass daran zu erinnern, dass die Ultrarechten nie für Heimat, Nation oder Sicherheit standen – im Gegenteil: Sie waren stets deren Totengräber!

Wer lautstark nach mehr Sicherheit schreit und dann durch sein Handeln bewirkt, dass Bürgerinnen und Bürger nach langer Zeit erstmals nicht mehr ohne Ausweis- und Taschenkontrolle einer Gemeinderatssitzung beiwohnen können, hat genau das Gegenteil vom Geforderten erreicht. Womit wieder der Bogen zum eingangs erwähnten Grazer Rathaus gespannt wäre, ohne einen rechtlich relevanten unmittelbaren Vergleich mit den Geschehnissen vor 70 Jahren anzustellen.

Doch eines ist und bleibt gültig: Wehret den Anfängen!

(Rede auf der Antifa-Kundgebung der KPÖ, 15. 3. 08)

Veröffentlicht: 7. April 2008

Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.