Kaltenegger: Arbeit vor Ort ist entscheidend
Interview zum Ausgang der Nationalratswahl (Junge Welt)
»Ich glaube nicht mehr an den Weihnachtsmann«
Von der SPÖ ist in Österreich kein Kurswechsel zu erwarten. Ein Gespräch mit Ernest Kaltenegger
Ernest Kaltenegger ist Vorsitzender der Fraktion der KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) im steiermärkischen Landtag
Sind Sie mit dem Abschneiden der KPÖ bei den österreichischen Nationalratswahlen am vergangenen Wochenende – es konnte eine Steigerung von 0,6 auf ein Prozent erzielt werden–zufrieden?
Die KPÖ konnte fast überall an Stimmen zulegen, doch bewegen wir uns nach wie vor auf einem recht niedrigen Niveau. Es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Unsere Chancen liegen derzeit vor allem auf kommunaler Ebene, wo wir vor Ort die Bevölkerung von der Nützlichkeit der Arbeit unserer Partei überzeugen und auch Vorurteile uns gegenüber abbauen können. Außerdem kommt das Argument der »verlorenen Stimme« – aufgrund geringer Erfolgschancen – bei Kommunalwahlen weniger zum Tragen. Deshalb konnten wir bei den steirischen Landtagswahlen vor einem Jahr dank unserer von den Menschen wahrnehmbaren, über Jahrzehnte betriebenen Kommunalarbeit erstmals seit 25 Jahren wieder in den Landtag einziehen.
In der Steiermark hat die KPÖ deutlich besser abgeschnitten als im Bundesdurchschnitt. Gut genug?
Hier haben wir 1,9 Prozent der Stimmen erhalten – unser bestes Ergebnis seit 1971. Zufrieden konnten wir nicht nur mit dem Abschneiden in unseren traditionellen Hochburgen wie Graz und Leoben sein, sondern auch mit Resultaten in anderen Gemeinden, wie in Trofaiach, wo wir fünf Prozent erhielten. Positiv überrascht haben auch Ergebnisse in der Oststeiermark, wo wir bisher kaum ein Bein auf den Boden bekommen haben. Da nehmen sich die 1,9 Prozent, die wir im Bezirk Weiz erhielten, doch recht ordentlich aus. Aber auch bei uns in der Steiermark gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit.
Der Stimmenzuwachs auf Bundesebene nimmt sich doch sehr bescheiden aus, bedenkt man, daß die Abwahl der ÖVP ein hohes Maß an sozialer Unzufriedenheit signalisiert, und auch die SPÖ, die ebenfalls Stimmen verlor, nicht unbedingt als überzeugende soziale Alternative wahrgenommen wurde. Wäre für die KPÖ vor diesem Hintergrund nicht mehr drin gewesen?
Natürlich sind unsere Möglichkeiten größer, als wir sie zu nutzen verstanden.
Inwiefern?
Ich glaube, daß unsere Chancen steigen werden, wenn die Wählerinnen und Wähler in den kommenden Jahren feststellen müssen, daß der von der SPÖ im Wahlkampf versprochenen Politik eine ganz andere Praxis folgt. Was unser eigenes Auftreten betrifft, haben auch diese Wahlen gezeigt, daß unsere größten Erfolgschancen im Aufgreifen und in der praktischen Vermittlung von sozialen Fragen liegen.
Hätte im Wahlkampf der Bundes-KPÖ die steirische Handschrift stärker hervortreten sollen?
Es geht nicht um die Handschrift eines Bundeslandes. Wichtig erscheint mir, daß wir mit unseren Politikvorschlägen die Menschen erreichen. Selbst gutgemeinte Vorschläge und Programme helfen nicht, wenn sie kaum verstanden werden. Wir müssen uns alle um nachvollziehbare Konzepte und eine klare Sprache bemühen.
Wie beurteilen Sie den Wahlkampfauftritt des KPÖ-Spitzenkandidaten Mirko Messner?
Ich bin nicht der Oberlehrer der Partei, der irgendwelche Zensuren verteilt.
Welche Lehren sind Ihrer Meinung nach aus diesem Wahlkampf zu ziehen?
Politik findet nicht nur kurz vor Wahlen statt. Eine Partei wie die KPÖ muß auch verstärkt ihre außerparlamentarischen Möglichkeiten nutzen. Ob es nun um den Kampf gegen Sozialabbau oder für mehr erschwingliche Wohnungen geht–um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir sind auf vielen Gebieten gefordert. Unverzichtbar scheint mir auch eine stärkere Hinwendung zur Arbeit vor Ort. Die spielt sich überwiegend in den Kommunen ab.
Erwarten Sie von der neuen, wahrscheinlich SPÖ-geführten Regierung eine grundsätzliche Änderung der Politik in Österreich?
Den Glauben an den Weihnachtsmann habe ich schon als Kind verloren. Diese SPÖ ist mit dem herrschenden System so eng verflochten, daß ein Kurswechsel faktisch ausgeschlossen ist.
Interview: Werner Pirker
Junge Welt, 9. 10. 06
Veröffentlicht: 8. Oktober 2006