Hochachtung für heimlichen Spitzenkandidaten
Artikel im Kurier vom 26. September 06
KPÖ auf Stimmenfang
Steirer Ernest Kaltenegger wirbt für "keine reiche Partei"
"Sie haben meine Hochachtung!", ruft die braun gebrannte Dame im adretten Kostüm im Vorbeigehen. Und Ernest Kaltenegger steckt ihr geschwind einen Werbezettel zu. "Danke schön", antwortet er und lächelt.
Mit einem Stapel Folder in der Hand zieht der KPÖ-Klubchef seine Runden hinter dem Kunsthaus in Graz. Anstecknadeln und Prospekte gibt es gratis, die roten T-Shirts werden aber nicht verschenkt, sondern verkauft. "Wir sind keine reiche Partei", erklärt Kaltenegger.
Der Steirer ist nicht der heimliche Star der Kommunisten, sondern der eigentliche. Er wäre "die erste Wahl gewesen" als Spitzenkandidat, gesteht selbst Spitzenkandidat Mirko Messner ein. Und hofft auf das Phänomen Kaltenegger gerade auch bei dieser Wahl. Die Chance auf ein Grundmandat gibt es nur in Graz, wo die KPÖ mit Kaltenegger an der Spitze im Vorjahr den Einzug in den Landtag geschafft und mit vier Mandaten sogar die Grünen überrundet hat.
Kaltenegger ist freundlich, verbindlich, "irgendwie echt", kommentiert eine Passantin. Menschen, die ihn noch aus seiner Zeit als Wohnungsstadtrat kennen, gehen sofort auf ihn zu. Er kennt sie noch beim Namen. "Grüß Sie. Hauts hin mit der Wohnung?" 35 Jahre sei er schon in der Politik, sagt Kaltenegger. "Und da war fast jedes Jahr irgendein Wahlkampf."
Am Werbestil der Kommunisten hat sich wenig geändert: Ein Tisch, Broschüren, Sticker. Das aktuelle Plakat "geben statt nehmen" auf den Dreieck-Ständern kam auch schon früher zum Einsatz. Nur die Stimmung, die habe sich geändert, sagt Kaltenegger. "Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo man uns gegenüber agressiver war."
Auf der Straße wird der Ton sanfter, die politischen Kontrahenten schlagen spätestens seit der Gemeinderatswahl 2003 rauere Töne an.
Kaltenegger schwört jedenfalls auf Wahl-Standln. "Das soll man nicht unterschätzen. Dadurch hat man die Gelegenheit, mit vielen Leuten in Kontakt zu kommen. Und es ist unaufdringlicher als sich an einen Wirtshaustisch zu setzen. Hier bleibt der stehen, der mag."
Nicht immer reagiert das Wahlvolk erfreut auf die Anbahnungsversuche. "Dar i was mitgeben?", fragt Kaltenegger. Der Angesprochene brummt bloß: "Hab´s eh schon - und rennt weiter. Der Platz beim Kunsthaus ist günstig, viele Menschen eilen zur Straßenbahnhaltestelle davor. "Und mit dem Wetter haben wir auch ein Glück", strahlt Kaltenegger und umrundet den kleinen Platz. "Servas. Bist a scho wieder unterwegs?", will ein Grazer wissen. Kaltenegger nickt und lächelt und verteilt Broschüren.
(Kurier, 26. Sept. 2006; Elisabeth Holzer)
Veröffentlicht: 30. Mai 2009