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Gesundheit und Pflege: „Menschen müssen immer am wichtigsten sein“

Robert Krotzer, Martin Reinbacher und Claudia Klimt-Weithaler diskutierten in Feldbach

Am 24. Jänner fand die dritte einer Reihe von Veranstaltungen der KPÖ zu aktuellen Problemen und Entwicklungen in unserem Gesundheitssystem in der Steiermark statt. Veranstaltungsort war Feldbach.

Am Podium diskutierten der Grazer Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer (KPÖ) sowie der Gleisdorfer Martin Reinbacher, der in der Altenpflege arbeitet. Für die Moderation sorgte die Klubobfrau der KPÖ im Landtag, Claudia Klimt-Weithaler.

 

Robert Krotzer thematisierte den oft zitierten Ärztemangel. Studierende aus Deutschland gehen nach Abschluss meistens zurück, weil sie dort bessere Bezahlung und attraktivere Bedingungen für die weitere Ausbildung vorfinden. Es gibt aber nicht generell zu wenig Ärztinnen und Ärzte, in Graz gibt es in manchen Stadtteilen eine sehr hohe Dichte. Es sind aber keine Kassenstellen. Das gräbt dem öffentlichen, solidarischen Gesundheitssystem das Wasser ab. Das ist nicht Schuld der Ärztinnen und Ärzte, sondern ein Fehler im System. Kassenverträge müssen attraktiver sein. Die Politik greift das mittlerweile auf, weil in den nächsten Jahren sehr viele KassenärztInnen in Pension gehen und es höchste Zeit ist. Die Entwicklung ist lange bekannt, bisher ist aber nichts geschehen.

Der Weg zu den Gesundheitszentren (Primärversorgunszentren) ist steinig. Am Papier sieht das gut aus, aber in der Praxis ist das mit vielen praktischen Probleme verbunden.

Im Bereich der Pflege berichtete Krotzer über das von ihm eingeführte Modell, bei dem allen mindestens die Mindestpension bleibt, wenn sie zuhause die Dienste der mobilen Hauskrankenpflege in Anspruch nehmen. Früher mussten Menschen oft aus Kostengründen ins Heim gehen, weil es für sie die einzige leistbare Pflegeform war – obwohl es in Wirklichkeit die mit Abstand teuerste Pflegeform ist. Mit dem sogenannten Kliententarifmodell von Robert Krotzer profitieren die Menschen, die zuhause bleiben können, und die Stadt Graz gleichermaßen.

 

Martin Reinbacher sprach von seinen Erfahrungen in der Betreuung multimorbider Menschen. Mancherorts schießen Gemeinden Geld zu, damit sich überhaupt noch Ärzte ansiedeln. Der Zugang zu Wahlärzten ist zu einfach, deshalb werden Ärztinnen und Ärzte oft lieber Wahlärzte.

Problem der Zukunft ist die Betreuung von Menschen in Pflegeeinrichtungen. Kaum jemand will das machen. Eine Pflegeeinrichtung würde eine ärztliche Leitung brauchen. Es ist auch ein großes Problem, dass immer Zeit für Administration und Dokumentation draufgeht. Dabei wäre es so wichtig, mehr Zeit in die Betreuung investieren zu können. In einigen Einrichtungen zählt aber nur, was sich zählen und messen lässt.

„Für die Entwicklung des Gesundheitsbereichs würde ich mir wünschen, dass es eine Abwägung der Auswirkungen gibt, bevor Änderungen vorgenommen werden. Die Dinge müssen zu Ende gedacht werden, das fehlt oft. Der Mensch muss immer am wichtigsten sein“, so Reinbacher.

 

Hintergrund der Diskussion sind die radikalen Schließungspläne im steirischen Gesundheitswesen, die vom derzeitigen Landesrat Christopher Drexler (ÖVP) verfolgt werden, aber auch die Debatte um die Finanzierung der Pflege.

Geht es nach Drexler, sollen mehr als die Hälfte der steirischen Spitäler zugesperrt und über 800 Betten abgebaut werden. Von den 100 Gesundheitszentren, die den Wegfall der Spitäler ausgleichen oder abfedern sollen, wurden nur elf umgesetzt. Dass noch sehr viele hinzukommen, ist eher nicht zu erwarten – einige sind nur etwas größere Arztpraxen ohne zusätzliche Angebote und nicht im entferntesten ein Ersatz für ein Krankenhaus.

Die Argumente für die Schließungen von Krankenhäusern bzw. Spitalsabteilungen, die von der Landesregierung vorgeschoben werden, sind oft unehrlich: Weil gespart werden soll und künftig viel zu wenig Ärztinnen und Ärzte, aber auch Pflegepersonal, zur Verfügung steht, wird behauptet, dass es ohnehin besser sei, mit weniger Spitälern auszukommen. Es wird unterstellt, das ärztliche Personal heute sei schlecht qualifiziert und habe zu wenig Praxis.

Claudia Klimt-Weithaler widersprach in ihrem Schlusswort dem oft gehörten Argument, bei der Gesundheit müsse aufgrund einer angeblichen Kostenexplosion gespart werden. „Die viel zitierte Kostenexplosion findet nicht statt. Der Anteil der Gesundheitskosten an den Staatsausgaben in den letzten Jahrzehnten ist nur sehr leicht angestiegen – und das trotz einer alternden Bevölkerung und einer gestiegenen Lebenserwartung. Grund für die Panikmache und die ständigen Kürzungen sind die Begehrlichkeiten der privaten Gesundheitsindustrie. In Österreich ist ein Viertel der Gesundheitsausgaben heute schon privat. Es sind aber viele Milliarden zu holen. Wenn man will, dass Gesundheit keine Frage der Brieftasche ist, muss man sich für den Erhalt und die Verbesserung des öffentlichen Gesundheitssystems einsetzen. Das schließt auch die wohnortnahen Standorte ein.“

 

24. Januar 2019