Freude, aber kein Jubel
Renate Pacher über die längste Wahl in der Geschichte Österreichs
Nach einem langen, teuren und leider auch schmutzigen Wahlkampf wurde Alexander van der Bellen zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt. Die FPÖ wird ihre Wahlanfechtung wohl bereuen, denn im Gegensatz zur ersten Wahl ist der Abstand zwischen den Kandidaten bei gestiegener Wahlbeteiligung nun deutlicher.
Ich bin froh über den Ausgang der Wahl, Jubel bricht bei mir keiner aus.
Van der Bellen hat es mir schwer gemacht ihn zu wählen. Die ständige Verherrlichung der EU war eine große Hürde. Denn die EU ist eine Konstruktion im Interesse der Banken und Konzerne und schon gar kein Friedensprojekt. Gerade der von der EU vorangetriebene Sozialabbau schafft ein Klima der sozialen Kälte, der die großen Erfolge von rechtsgerichteten Parteien, wie der FPÖ, erst möglich macht.
Ich wollte nicht, dass eine Partei, die Hetze gegen Minderheiten betreibt den Bundespräsidenten stellt. Außerdem sind mir – im Gegensatz zu vielen ÖsterreicherInnen - die vielen Verschlechterungen unter der ÖVP/FPÖ-Regierung (Verkauf der Bundeswohnungen, länger arbeiten für weniger Pension…) und die vielen Skandale von ehemaligen FPÖ-PolitikernInnen noch gut in Erinnerung.
Viele Menschen haben zu Recht die Nase voll von einem System, dass sie im Namen von Banken und Konzernen bluten lässt, Angriffskriege führt und Hochrüstung betreibt. Dass von vielen ein Kandidat, der wie Norbert Hofer, gegen eine Vermögensbesteuerung und für eine EU-Armee mit gemeinsamer Rüstungsbeschaffung eintritt, als Vertreter ihrer Interessen gesehen wird ist bitter.
Eine Partei, die dafür sorgt, dass sich der Unmut nicht gegen den neoliberalen Kapitalismus, sondern gegen andere Menschen richtet, ist den herrschenden Eliten höchst willkommen. Viele erwarten sich Veränderungen (Verbesserungen) von der FPÖ. Das wird sich als Illusion erweisen. Aber das ist eine Erfahrung, die viele Menschen offensichtlich erst wieder neu machen müssen.
Renate Pacher, KPÖ-Stadträtin in Knittelfeld
Veröffentlicht: 5. Dezember 2016