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"Es ist genügend Reichtum für alle vorhanden"

Entwicklungshilfe-Enquete des steirischen Landtags: Beitrag von LAbg. Renate Pacher

Wir leben heute in einer Zeit, in der genügend Reichtum vorhanden ist, in der die Entwicklung der Wissenschaft, der Technik und aller Produktionsmittel so weit fortgeschritten ist, dass wirklich allen Menschen auf dieser Erde ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden könnte. Das Gegenteil ist der Fall.

In den Ländern des Nordens herrschen zunehmender Sozialabbau, steigender Druck am Arbeitsplatz und die Flucht in eine Konsumwelt. In vielen Ländern des Südens und Ostens herrschen Armut und Elend, Hunger und Ausbeutung und Kriege. Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger.

Zur Zeit verschärft sich der Hunger durch den enormen Anstieg der Lebensmittelpreise. Zum einen werden Lebensmittel zu Biosprit verarbeitet, daneben sind Spekulanten von den unsicheren Immobilientiteln auf die Spekulation mit Lebensmittel umgestiegen. Die KPÖ ist für ein Verbot der Verwendung von Nahrungsmitteln zur Biospriterzeugung, und für eine Bekämpfung der Spekulation, insbesondere mit Nahrungsmittel.

Nach dem Zusammenbruch der Sozialistischen Länder ist der Kapitalismus die Wirtschaftsform, die bis auf wenige Ausnahmen alle Gebiete der Erde dominiert. Länder, die früher dem Zugriff kapitalistischer Interessen entzogen waren, wurden zur neuen Märkten und Profitquellen.

Ein ungeheurer Aufschwung der Macht transnationaler Konzerne war die Folge. Die 500 größten Privatkonzerne der Welt kontrollieren heute 52 Prozent des Bruttosozialproduktes. Ziel der kapitalistischen Produktion ist der Maximalprofit. Ausbeutung von Mensch und Natur sind daraus die logische Konsequenz.

Und diese kapitalistische Wirtschaftsweise soll in allen Teilen der Erde durchgesetzt werden. Über die Weltbank, den IWF oder die WTO werden Privatisierungen, Marktöffnung und gute Profitbedingungen für ausländische Investoren durchgesetzt.
Auch der EU-Reformvertrag hebt dieses neoliberale Wirtschaftssystem gleichsam in Verfassungsrang.

Entgegen den vollmundigen Versprechungen verbessern sich aber die Lebensbedingungen der Menschen nicht durch die Privatisierungen und die freie Marktwirtschaft. Im Gegenteil die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das haben Millionen von Menschen am eigenen Leib erfahren und deshalb regt sich in vielen Teilen der Erde Widerstand.

Als Antwort auf diese Bedrohung der Machtinteressen werden die Militärausgaben weltweit erhöht. Im Jahr 2004 haben die Rüstungsausgaben aller Staaten die 1.000 Milliarden Dollar-Marke übersteigen. Tendenz weiterhin steigend. 47% dieser Ausgaben entfielen auf die USA. Aber auch die EU betreibt ein ehrgeiziges Aufrüstungsprogramm und bastelt an schnellen Eingreiftruppen. Auch der Krieg, siehe Irak oder Afghanistan, ist als Mittel zur Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen wieder salonfähig geworden.

Längst schon ist errechnet worden, das nur mit einem Teil der Rüstungsausgaben die Lebensbedingungen der Menschheit wesentlich verbessert werden könnten. Sozialen Unruhen, Bürgerkriegen und auch dem Terrorismus könnte dadurch die Basis entzogen werden. Aber das ist nicht im Interesse der Mächtigen.

Entwicklungszusammenarbeit wird von einzelnen Personen und Organisationen mit großem Engagement geleistet und ist für viele Menschen des Südens und Ostens ein Hoffnungsanker in einem Meer von Elend. Allerdings konnte in den vergangen Jahrzehnten die Situation für die Menschheit insgesamt nicht verbessert werden.

Es gibt kaum einen Staat, der die vereinbarten 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit verwendet. Hinzu kommt, dass ein Teil der Entwicklungshilfe eher den Interessen der Geberländer entspricht. Es werden Projekte gefördert, die im politischen und wirtschaftlichen Interesse der Geberländer liegen.

Für einen großen Teil der Entwicklungshilfegelder gibt es den Ausdruck der „Phantomhilfe“. Das bedeutet, dass diese Gelder zur sehr beschränkt zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden. Finanziert werden Schuldenerlässe, Ausgaben für ausländische StudentInnen, die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylwerbern, ja sogar die Kosten von deren Abschiebung. Eine unabhängige Analyse stellt für Österreich im Jahr 2005 sogar einen Anteil von 62 % so genannter Phantomhilfe an den offiziellen Entwicklungshilfegeldern fest.

Angesicht der Jahrhunderte dauernden Ausbeutung der Dritten Welt müsste es wohl eher um Wiedergutmachung statt um Entwicklungshilfe gehen.

Eine Entwicklung, die die KPÖ strikt ablehnt, ist die schleichende Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit. Hier fehlt leider die Zeit diese Entwicklung genau zu beleuchten. Ich möchte deshalb auf die Studie „Mit Sicherheit keine Entwicklung“ – die Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit von Jürgen Wagner hinweisen.

Tatsache ist, in immer mehr Strategiepapieren der USA, der EU und einzelner Staaten und nicht nur in diesen Papieren, sondern leider auch in der Praxis hört die Entwicklungszusammenarbeit auf, als eigenständiges Konzept zu existieren.
Zunehmend wird Entwicklungszusammenarbeit mit, auch militärischer, Sicherheitspolitik verknüpft. Entwicklungshilfeorganisationen werden vor Ort in militärischen und Sicherheitsfragen eingebunden. Immer mehr Entwicklungshilfegelder, also Gelder, die für die Armutsbekämpfung gedacht sind, werden für Militäreinsätze und Sicherheitsaufgaben zweckentfremdet. Immer häufiger wird die Vergabe von Entwicklungshilfegeldern an Wohlverhalten im so genannten „Krieg gegen den Terror“ geknüpft. Der Druck, immer mehr Arten von militärischen- und Sicherheitsaufgaben als Ausgaben für die öffentliche Entwicklungshilfe anrechnen zu dürfen, steigt ständig

Ein österreichisches Beispiel: Die Kosten für den österreichischen Tschadeinsatz werden aus dem Entwicklungshilfeetat entnommen. Das ist in unseren Augen ein Skandal, gegen den die Öffentlichkeit protestieren muss.

Eine Wirtschaftsordnung wie der Kapitalismus, deren Antriebsfeder der Maximalprofit ist, kann nicht den Lebensbedürfnissen der Menschheit, dem Rechts jeder und jedes Einzelnen auf ein menschenwürdiges Leben, gerecht werden.

Eine Antwort aus dem gegenwärtigen Meer des Elends kann deshalb nur Abrüstung und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung sein. Eine Wirtschaftsordnung, in der die Früchte aus der gemeinsamen Arbeit aller, auch allen Menschen zu Gute kommen. Deshalb sind wird auch solidarisch mit Ländern wie Kuba, Venezuela oder Bolivien und mit allen Bewegungen, die einen anderen Weg als jenen der Kapitallogik und des Maximalprofits suchen oder versuchen zu gestalten.

Auch wenn die Errichtung einer anderen, einer gerechten Gesellschaft angesichts der Übermacht der Konzerne, der Militarisierung oder des aufkommenden Rassismus derzeit als utopisch erscheint, wollen wir diese Frage nicht von der Tagesordnung nehmen.
Angesichts der drängenden Probleme der Menschheit wie Armut, Umweltzerstörung oder Klimawandel wird die Frage nach einer gerechteren, einer sozialistischen Gesellschaftsordnung auch zu einer Überlebensfrage der Menschheit.

30. Mai 2009