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Die Schuldenbremse: Gefahr für die Zukunft

Über Krise und Konsolidierung

Die Schuldenquote Österreichs ist seit Monaten in aller Munde. Nicht ganz zu Unrecht: Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 wird allein Österreich 2012 rund 50 Milliarden Euro mehr an Schulden angehäuft haben.  - Ein Kommentar des Leobener KPÖ Gemeinderats Hannes Grünbichler

 

Die Schuldenquote Österreichs ist seit Monaten in aller Munde. Nicht ganz zu Unrecht: Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 wird allein Österreich 2012 rund 50 Milliarden Euro mehr an Schulden angehäuft haben. Die Staatsschuld beläuft sich in etwa auf 75 Prozent des österreichischen BIPs (von rd. 300 Milliarden Euro). Was dabei aber bisher wenig beachtet wurde: Österreich hat auf der anderen Seite auch noch - zum Teil erhebliches - staatliches Finanzvermögen, das bei der Schuldenquote nicht berücksichtigt wird. Österreich kommt auf ein Finanzvermögen von rund 35 Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind in Summe immerhin 100 Milliarden Euro. Zieht man diesen Wert von der offiziellen Staatsschuldenquote ab, reduziert sich die Netto-Schuldenquote auf rund 40 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) für nächstes Jahr. Fast die Hälfte des staatlichen Finanzvermögens geht dabei in Österreich auf Beteiligungen zurück (Telekom, OMV, Post, Bundesimmobilien etc.). Was hierzulande auch noch besonders auffällt: Österreich weist den höchsten Anteil an vergebenen Krediten aller Euro-Länder auf. Hinter diesem Punkt verbergen sich z.B. durchaus sinnvolle Zukunftsinvestitionen wie Wohnbauförderungsdarlehen, die offiziell nicht von der Staatsschuldenquote abgezogen werden.



Aus betriebswirtschaftlicher Sicht würde man von einem finanziellen gesunden Unternehmen Österreich sprechen. Nicht aber nach dem kurzsichtigen Hausfrauen-Modell des Herrn/der Frau Österreicher: „Ich muss mit dem Geld auskommen, was ich habe“. Es bleibt aber festzuhalten, dass ein Unternehmen anders geführt werden muss, als ein Haushalt. So nimmt ein kluger Unternehmer genau dann Kredite auf, wenn er in ein sinnvolles Projekt investieren kann. Das sollten auch Staaten tun und in Bildung, Forschung und in die soziale Zukunftssicherung investieren. Die jetzt von der Regierung und von Herrn und Frau Österreicher geforderte Schuldenbremse verletzt die goldene Regel der Finanzpolitik, dass der Staat Zukunftsinvestitionen mit Krediten finanzieren soll. Die Schuldenbremse schränkt die staatlichen Möglichkeiten ein und ist eine Gefahr für unsere Zukunft.



Viele unserer Politiker sind unfähig, die einfachsten volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu sehen: Sparen ist nicht immer klüger, als Steuern zu erhöhen. Ein Problem ist immer, dass sich in Krisenzeiten die Defizite nicht mehr so schnell abbauen lassen, wie es eine in der Bundesverfassung verankerte Schuldenbremse vorsieht. Eine Schuldenbremse ist ein fragwürdiges Prinzip, weil nicht nur die Zukunftsinvestitionen leiden, sondern auch die soziale Gerechtigkeit. Während der Finanzkrise haben Menschen mit hohem Einkommen und Vermögen vom staatlichen Schutz mehr profitiert als die kleinen Leute. Die logische Antwort wären höhere Spitzensteuersätze, etwa auf einem Niveau von 55 Prozent - wenn das EU-weit erfolgt, gäbe es überhaupt kein Problem. Auch Vermögenssteuern sind eine Variante. Falsch wären höhere Mehrwertsteuern oder Kürzungen der Sozialleistungen. 
Österreich und die Euro-Länder stecken nicht wegen ausgeweiteter Sozialausgaben in Finanzierungsproblemen, sondern weil die Finanzkrise viel Geld gekostet hat.

 

von Prof. Mag. DI Hannes Grünbichler, MA
Der Autor ist Volkswirt, HTL-Lehrer und Gemeinderat
 

Veröffentlicht: 21. November 2011

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