Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.

Bremst die Schuldenbremse Österreich aus?

Für Preisstopp und Gebührenbremse

Österreich diskutiert über die heimische Schuldenquote. Nicht ganz zu Unrecht: Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 wird allein Österreich 2012 rund 50 Milliarden Euro mehr an Schulden angehäuft haben und die hiesige Schuldenquote steigt auf etwa 75 Prozent der Bruttowertschöpfung (von immerhin rund 300 Milliarden Euro pro Jahr). D.h., jede/r Österreicher/in steht mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 30.000 Euro in der Miese und zahlt dafür rund 1.000 Euro an jährlichen Zinsen.

 

Nun soll in Österreich demnächst eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert werden. Die angestrebte Senkung der öffentlichen Verschuldung von rund 75 auf 60 Prozent des BIP, das ist ein Schuldenabbau von immerhin 15 Prozent, in den nächsten zehn Jahren, wird sehr umfangreiche Budgetsanierungsmaßnahmen erfordern, vor allem, wenn man bedenkt, dass die eine Hälfte des jährlichen Sparziels von 1,5 Prozent – also immerhin 0,75 Prozent – unmittelbar den öffentlichen Haushalt betrifft. Die andere Hälfte des jährlichen Sparziels soll durch Mehreinnahmen aufgrund des Wirtschaftswachstums in die leeren Staatskassen gespült werden. Die Politik hat sich also vorgenommen die Pro-Kopf-Verschuldung mit allen Mitteln zu drücken und rund 2,25 Milliarden Euro jährlich einzusparen.


Werden etwa 40 Prozent dieser Summe ausgabenseitig eingespart, ergibt das ein Sparparket von immerhin 900 Mio. Euro jährlich: Die Bundesregierung wird also in den nächsten Jahren Lohnabschlüsse für die öffentlichen Bediensteten deutlich unter der Inflationsrate forcieren und Mehrdienstleistungen nicht mehr gebührend abgelten, frei werdende Planstellen nicht mehr nachbesetzen sowie die Sätze für soziale Leistungen nicht mehr valorisieren … Der deutlich größere Teil des Sparvolumens wird seinen Weg auf andere Weise ins Staatssäckel finden, wie z.B. durch das Wirken der kalten Progression: also der Steuermehrbelastung, die dann eintritt, wenn die Lohnsteigerungen lediglich zum Inflationsausgleich führen und gleichzeitig die Einkommensteuersätze nicht der Preissteigerungsrate angepasst werden, was bereits seit mehreren Jahren der Fall ist.


Was sollte eine sich ihrer sozialen Verantwortung bewusste Bundes- oder Landesregierung bei ihren Sparbemühungen berücksichtigen, wenn sie „Grauslichkeiten“ vermeiden will: Erstens werden kurzfristige Sparmaßnahmen den sich für die kommenden Monate abzeichnenden Stillstand oder sogar Einbruch der Konjunktur verschärfen. Zweitens ist eine Einbettung der angedachten Sparbemühungen in eine Wachstumsstrategie mit höheren Zukunftsinvestitionen (wie z.B. vor allem in Bildung, in die Bereitstellung ausreichender öffentlicher Mittel für den Wohnbau und in die Aufrechterhaltung der sozialen Sicherungssysteme) dringend notwendig. Drittens ist die Frage nach den Ursachen der aktuellen Schuldenkrise zu stellen: Der Anstieg der öffentlichen Verschuldung ist das Ergebnis von zwei klar zu unterscheidenden Faktoren. Von 1980 bis zum Vorkrisenjahr 2007 wuchs die Staatsverschuldung relativ moderat von 35 auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung (also um rund 1 Prozent jährlich) vor allem wegen des Ausbaus der sozialen Sicherung und der Alterung der Bevölkerung Österreichs. Des Weiteren wurden kostendämpfende Strukturreformen bei Gesundheit und Pensionen aufgeschoben.

Aber der jüngste sprunghafte Anstieg der öffentlichen Verschuldung um fast 15 Prozent seit 2007 ist primär den Krisenkosten geschuldet. … Also steckt Österreich nicht wegen ausgeweiteter Sozialausgaben in Finanzierungsproblemen, sondern weil die Finanzkrise der öffentlichen Hand viel Geld gekostet hat. Und jetzt soll die Schuldenquote um eben genau diese 15 Prozentpunkte wieder gesenkt werden: Allerdings hat die Regierung darauf vergessen, die Verursacher der Staatschuldenkrise dafür bezahlen zu lassen.
Für die Politik ist bloßes Sparen angesagt, sie fordert die Schuldenbremse. Eine Schuldenbremse ist ein fragwürdiges Prinzip, weil nicht nur die Zukunftsinvestitionen leiden, sondern vor allem auch die soziale Gerechtigkeit. Eines muss nochmals in aller Deutlichkeit gesagt werden: Während der Finanzkrise haben Menschen mit hohem Einkommen und Vermögen vom staatlichen Schutz mehr profitiert als die kleinen Leute. Eine sinnvolle Maßnahme zur Senkung der Verschuldung auf Vorkrisenniveau wären höhere Spitzensteuersätze für hohe Einkommen und die Abschaffung der Höchstbeitragsgrundlage für die Sozialversicherung; auch Vermögenssteuern sind eine Variante, falsch wären höhere Umsatzsteuern oder Kürzungen der Sozialleistungen.

von Prof. Mag. Dipl.-Ing. Hannes Grünbichler, MA

Der Autor ist Volkswirt und KPÖ-Gemeinderat in Leoben
 

29. November 2011