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Bettelverbot wird keines der Probleme in der Steiermark lösen

Claudia Klimt-Weithaler: „Armut schafft man nicht ab, indem man das Betteln verbietet“

KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler bekräftigte angesichts der bevorstehenden Beschlussfassung des steirischen Landtags zum sogenannten „Bettelverbot“, dass die KPÖ bei ihrer Haltung bleibe und gegen den Gesetzesentwurf stimmen werde: „Gegen jene Missstände, die immer wieder vorgeschoben werden (Ausbeutung, Kinderarbeit), um ein Bettelverbot zu rechtfertigen, gibt es längst eine gesetzliche Handhabe. Letztendlich geht es nur darum, von einer ungerechten Belastungspolitik abzulenken, indem systematisch eine kleine Gruppe kriminalisiert und zum Sündenbock gemacht wird. Armut schafft man nicht ab, indem man das Betteln verbietet.“

„Die wirklichen Probleme in der Steiermark sind die leeren öffentlichen Kassen, die Wiedereinführung des Regresses bei der Pflege und bei der Mindestsicherung, die Senkung der sozialen Mindeststandards durch die Abschaffung der Sozialhilfe, die Wiedereinführung von Kindergartengebühren, der Ausbaustopp für Kinderbetreuungseinrichtungen, der Ausverkauf öffentlichen Eigentums und leider noch vieles mehr. Das Bettelverbot wird keines dieser Probleme lösen. Es wird aber ein paar Tage davon ablenken, dass die Landesregierung Tag für Tag gegen die Bevölkerung regiert“, so die KPÖ-Abgeordnete.

Auszüge aus der Rede von Claudia Klimt-Weithaler

in der Debatte zum Bettelverbot im steirischen Landtag im Frühjahr 2010

Aus dem letzten Steirischen Sozialbericht (2007/2008) wissen wir: 12% der SteierInnen sind derzeit armutsgefährdet – ohne Pensionen und Sozialleistungen wären es sogar 43%. Eltern leiden darunter, dass es viel zu wenige Kinderbetreuungsplätze gibt. Es kracht finanziell im Bildungs- und Gesundheitssystem. Mir würden noch viele Beispiele einfallen, die beweisen, dass wir in diesem Land genug Probleme haben, um die sich der Landtag und die Landesregierung kümmern müssen. Angesichts dieser Tatsachen erscheint es schon ungewöhnlich, dass eine kleine Gruppe von Menschen zum Hauptproblem der Steiermark stilisiert wird. Menschen, die so arm sind, dass sie betteln müssen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich dabei vorwiegend um Personen handelt, die einer Minderheit angehören und teilweise haarsträubender Diskriminierung ausgesetzt sind, die Roma. Die meisten bettelnden Menschen in Graz kommen aus der Slowakei, oft der angefeindeten ungarischsprachigen Minderheit angehörig, einige wohl auch aus Bulgarien und Rumänien. Also Menschen aus EU-Staaten, die aufgenommen wurden, obwohl die Menschenrechtslage für diese Bevölkerungsgruppen indiskutabel ist. Und genau jene Parteien, deren Abgeordnete brav die Hand gehoben haben, als es um die Aufnahme dieser Länder in die EU ging, haben jetzt ein „Bettelproblem“.

Es ist kein Verbrechen arm zu sein. Die BettlerInnen mit einem Verbot aus dem Blickfeld zu entfernen, ist ein klares Bekenntnis dazu, die Probleme unter den Tisch zu kehren. Ganz nach dem Motto: Aus den Augen – aus dem Sinn! Kein Bettelverbot löst soziale Probleme oder schafft Armut ab, sondern treibt die Betroffenen in die Illegalität. Jemand, der sich nicht anders zu helfen weiß, als zu betteln, wird das immer wieder tun – malen Sie sich dieses Szenario einmal aus: Immer wieder Strafen, die ziemlich sicher durch Ersatzfreiheitsstrafen abgesessen werden müssen.

Die SPÖ hat noch im Sommer 2009 zurecht darauf hingewiesen, dass es für alle denkbaren Missstände im Bereich der Bettelei (z.B. was Kinderarbeit anbelangt oder das Betteln in aufdringlicher Weise) bereits eine gesetzlich Handhabe gibt, festgeschrieben im steirischen Landessicherheitsgesetz 2005. Aus dem Unterausschuss wissen wir, nach den Erläuterungen eines Polizisten aus Salzburg, dass sich der Vollzug eines Bettelverbots als äußerst schwierig erweist. Jeden Bettler, jede Bettlerin aufzugreifen, die Identität dieser Leute festzustellen, Anzeigen zu schreiben und zuzustellen, das bindet eine Menge Personal und kostet viel Geld.

Man muss und kann zwischen BettlerInnen und organisierter Bettelei unterscheiden. In Wien werden nicht die durch Bettelei ausgebeuteten Menschen kriminalisiert, sondern die Betreiber solcher Organisationen. Es ist schwierig, die Hintermänner auszuforschen, aber es bringt mehr, als die Opfer zu bestrafen und dadurch offen gezeigte Armut zu kriminalisieren.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass bei der ganzen Debatte eines stark auffällt: Während sich ÖVP, FPÖ, BZÖ und jetzt auch noch die SPÖ einen Schlagabtausch liefern, wie notwendig doch ein vollständiges oder teilweises Bettelverbot ist – immer mit dem Hinweis, um das organisierte Betteln in den Griff zu bekommen – hält sich die Polizei mit Wortmeldungen dazu dezent zurück. In einer Stellungnahme der Grazer Staatsanwaltschaft vom 10.November 2006 ist zu lesen, dass „nach umfassenden Ermittlungen der Polizei derzeit keine organisierte Struktur und Ausbeutung der derzeit in Graz aufhältigen Bettler festzustellen“ sei. In der Kleinen Zeitung vom 5. Februar 2010 sagt der Grazer Polizeidirektor Helmut Westermayer, dass er nicht sagen kann, in welchem Ausmaß die Bettler organisiert sind. Heißt das jetzt, dass es kein organisiertes Betteln in der Steiermark gibt? Heißt das, dass die Polizei darüber nicht Bescheid weiß? Heißt das, dass die Polizei, wenn es um organisiertes Betteln geht, nicht durchgreifen kann? Oder ist das Thema Betteln eines, dass so richtig schön emotional ist, und deswegen von manchen Parteien gerne am Köcheln gelassen wird?

Die Position der KPÖ ist klar: Wir sind gegen ein Bettelverbot – egal ob vollständig oder teilweise, denn nicht das Betteln gehört verboten, sondern die Armut!

Veröffentlicht: 15. Februar 2011

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