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Antworten auf den ÖGB-Fragenkatalog

KPÖ unterstützt gewerkschaftliche Forderungen

Der Fragenkatalog des ÖGB

Arbeitsmarktpolitik

Die Steiermark hat bereits vor dem diesjährigen Schulschluss mit 650 Lehrstellensuchenden bei 267 offenen Stellen (AMS Statistik Mai/05) ein akutes Problem auf dem Lehr-stellenmarkt.

Frage 1:

Jede(r) SteirerIn kann nach dem 15. Lebensjahr eine Schule besuchen. Da ausreichend Lehrplätze fehlen, kann aber keineswegs jede(r) einen Beruf erlernen.
Setzt sich Ihre Partei dafür ein, dass Jugendliche ebenso einen Anspruch auf berufliche Ausbildung auf einem Lehrplatz wie sie An-spruch auf einen Ausbildungsplatz in der Schule haben?
Wenn ja, würde Ihre Partei dem ÖGB-Modell eines „Lastenausgleichs“ zustimmen, in den nicht ausbildende Unternehmen einzahlen, um Lehrplätze in ausbildenden Unternehmen zu fördern?

Wirtschaftspolitik

Die Steiermark leidet vor allem im so genannten ländlichen Raum unter dem Abbau von Infra-struktur wie Postämtern, Gendarmerieposten, Buslinien und Regionalbahnen bzw. unter dem mangelnden Aus-bau von Infrastruktur im Verkehrsbereich.

Frage 2:

Welche Konzepte schlägt Ihre Partei vor, um die wirtschaftliche Ausdünnung der Regionen und die damit verbundene Schwächung vieler Gemeinden durch Verlust von Arbeitsplätzen und Bevölkerungsabwanderung zu stoppen bzw. eine Trendumkehr zu schaffen?

Frage 3:

Welche Instrumentarien kann sich Ihre Partei vorstellen, um sich der Erpress-barkeit von Großkonzernen durch die Androhung der Absiedlung von Arbeits-plätzen zu entziehen?

Die Debatte über eine Ausdehnung der Ladenöffnungs-zeiten an Feiertagen reißt nicht ab.

Frage 4:

Wäre Ihre Partei bereit, auf dem Verordnungsweg einer Ladenöffnung an weiteren Sonn- und Feiertagen zuzustimmen, bzw. würden Sie auch die bereits mehrfach genehmigte Öffnungsmöglichkeit am 8. Dezember zurücknehmen?

Sozialpolitik

Eltern, vor allem AlleinerzieherInnen, haben große Probleme, Beruf und Kinderbetreuung zu koordinieren.

Frage 5:

Was tut Ihre Partei zur Erhaltung bzw. Erweiterung eines bedarfsgerechten Angebotes an Kinderbetreuungseinrichtungen und kann sich Ihre Partei eine Ganztagsbetreuung in Schulen und Kindergärten zu sozial gestaffelten Kosten, also für einkommensschwache Familien auch kostenfrei, vorstellen?

Frage 6:

Der maximale Kinderbetreuungsgeldanspruch für eine Person und die arbeits-
rechtliche Karenzzeit sind unterschiedlich lang. Dies führt u.a. auch dazu, dass
Frauen verstärkt arbeitslos werden.
Welche Vorschläge zur Änderung dieser für die Frauenbeschäftigung bedroh-
lichen Entwicklung hat Ihre Partei?

Bildungspolitik

Die PISA-Studie hat dem österreichischen Bildungssystem eine schlechte Zensur erteilt. Der Reformbedarf ist in diesem Bereich hoch.

Frage 7:

Für welche konkreten Bildungsreformen im Bereich der Länderkompetenzen setzt sich Ihre Partei ein?
a) Sollen bei einem Rückgang der SchülerInnenzahlen LehrerInnen-Stellen gekürzt oder die KlassenschülerInnen-Höchstzahlen gesenkt werden?
b) Tritt Ihre Partei für eine Vorschul-Pflicht bereits im derzeitigen Kindergarten-alter ein?
c) Wie steht Ihre Partei zu Reformvorschlägen wie einer Gesamtschule der Zehn- bis Vierzehnjährigen oder einem Seminar-Modulsystem ohne Sitzenbleiben in der Oberstufe?

Gesundheitspolitik

Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Maßnahmen notwendig sein werden, um unser hoch stehendes öffent-liches Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten.

Frage 8:

Welche Maßnahmen kann sich Ihre Partei vorstellen, wenn das Ausschöpfen al-ler administrativen Sparpotenziale nicht ausreichen sollte, um die Finanzierung des Gesundheitssystems dauerhaft zu sichern?
a) eine Reduzierung der öffentlichen medizinischen Leistungen inklusive der Schließung von Landeskrankenhäusern?
b) höhere und neue Selbstbehalte für medizinische Leistungen?
c) die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage für Sozialabgaben?
d) die Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung?
e) ein steuerfinanziertes statt eines umlagefinanzierten Gesundheitssystems?
f) eine Kombination aus mehreren Maßnahmen und welche?

Verwaltung und öffentlicher Dienst

Reformen im öffentlichen Dienst gehen zunehmend mit der Forderung nach Einsparung von Dienst-nehmerInnen einher.

Frage 9:

Stimmt Ihre Partei weiteren Personaleinsparungen im Bereich der Landesver-waltung zu? Wenn ja, in welchen Bereichen und wie?

Frage 10:

Sollen weitere Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen (zB. Polizei) in der Steiermark aufgelassen werden und ist Ihre Partei für eine Erhöhung, Beibehaltung oder Reduzierung von Dienst-, und Planstellen im öffentlichen Dienst ?

Die Antwort der KPÖ im vollen Wortlaut:

An den ÖGB
Landesexekutive Steiermark
Südtiroler Platz 13
8020 Graz

Sehr geehrte Damen und Herren!

Besten Dank für die Zusendung des Fragenkataloges des ÖGB-Steiermark an die wahlwerbenden Parteien.
Die KPÖ begreift sich als Teil der ArbeiterInnenbewegung. In unserem Statut ist die Verpflichtung für die Mitglieder unserer Partei enthalten, auch Gewerkschaftsmitglieder zu werden.
Die Gewerkschaften können als breiteste und überparteiliche Organisation der arbeitenden Menschen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Angriffen auf ihre soziale Rechte und beim Eintreten für Verbesserungen spielen. In diesem Sinne unterstützen wir den ÖGB so gut wir es als kleine Partei können und haben vor – sollte uns der Einzug in den Landtag gelingen – gewerkschaftliche Anliegen auch auf dieser Ebene vorzutragen.
In unserer Konzeption von mittelfristigen Reformalternativen spielen die Gewerkschaften eine wichtige Rolle. In unserem 2001 beschlossenen Landesprogramm heißt es dazu wörtlich: „Die demokratischen Mitbestimmungsrechte in den Unternehmen müssen ihre Ergänzung finden durch Mitbestimmungsrechte der Gewerkschaften im volkswirtschaftlichen Maßstab.“

Was Ihren Fragenkatalog angeht, so sind wir der Meinung, dass viele Probleme, die darin angesprochen werden, auf grundsätzliche Weise nur im Bundesmaßstab oder auf der Ebene der EU gelöst werden können. Die EU-Verfassung und die geplante Dienstleistungsrichtlinie der EU müssen beispielsweise abgewendet werden, weil durch sie sehr negative Folgen für die arbeitenden Menschen auch in der Steiermark drohen.

Zur Frage 1:

In unserem Manifest für die Landtagswahl fordern wir wörtlich: „Schaffung von überbetrieblichen Lehrwerkstätten in allen steirischen Regionen. Betriebe, die selbst keine Lehrlinge ausbilden, müssen gesetzlich dazu verpflichtet werden, in einen Fonds zur Finanzierung dieser Lehrwerkstätten einzuzahlen.“

Zur Frage 2:

Eine wichtige Voraussetzung für einen Wende zum Besseren in den steirischen Regionen muss es sein, wieder in unserem eigenen Land selbständig über die Formen und das Ausmaß der Regionalförderung und der Unterstützungsmaßnahmen für die Landwirtschaft entscheiden zu können. Kompetenzen, die mit dem EU-Beitritt Österreichs an Brüssel abgegeben worden sind, müssen wieder nach Österreich und in die Steiermark zurückkommen. Das wird nicht ohne eine große gesellschaftliche Auseinandersetzung möglich sein.
Maßnahmen des Landes über die Raumordnung oder durch Förderungen von Einzelhändlern im ländlichen Raum haben bisher nur zu einer Verlangsamung dieser konstatierten negativen Entwicklungen geführt.
Unserer Auffassung wäre es sinnvoll, genossenschaftliche Initiativen der gegenseitigen Hilfe zu fördern, um die Bevölkerung des ländlichen Raumes besser zu versorgen.
Ein Staat, der in der Lage ist, Milliarden Euro für Kampfflugzeuge auszugeben, müsste auch in der Lage sein, gezielt in die Infrastruktur zu investieren. Dadurch könnten auch unliebsame soziale Folgekosten vermieden werden, die auf dem Land durch die Entvölkerung und in den Städten durch gesellschaftliche Entwurzelung verursacht werden.
Wir halten gezielte Investitionen in Verkehrswege und in den Öffentlichen Personennahverkehr für entscheidend. Deshalb treten wir für die Einführung einer Nahverkehrsabgabe nach dem Muster der Wiener U-Bahnsteuer ein, die von den Unternehmern eingehoben werden sollte. Dadurch könnten auch bestehende Betriebe ausgelastet und Zulieferbetriebe geschaffen werden, die sich auf den Ausbau der Infrastruktur spezialisieren.

Zur Frage 3:

Neben international wirksamen Maßnahmen wie der Steuer auf Spekulationsgewinne (Tobin-Steuer) ist es notwendig, Betriebe in öffentlichem Eigentum zu stärken bzw. neu zu gründen. Unser langfristiges Ziel ist die Schaffung eines Banken- und Industriesektors in öffentlicher Hand, der regulierend wirken und der Erpressung durch transnationale Konzerne entgegentreten können. In unserem Landesprogramm fordern wir die „Bildung eines öffentlich geförderten Wirtschaftssektors, der Aufgaben übernimmt, die weder vom privatwirtschaftlichen Sektor noch vom öffentlichen Dienst ausreichend wahrgenommen werden – beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Kultur. Förderung und Entwicklung neuer (oder selten praktizierter) Formen von Gemeineigentum: für genossenschaftliche, kommunale Betriebe und für öffentlich geförderte Projekte in Trägerschaft von Vereinen und Bildungseinrichtungen.“
Als Sofortmaßnahme ist der Aufbau von international wirkenden gewerkschaftlichen Vertretungen in transnationalen Konzernen notwendig, damit nicht ein Standort gegen den anderen ausgespielt werden kann.

Zur Frage 4:

Wir lehnen eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten ab, auch was den 8. Dezember betrifft, können wir uns eine Zurücknahme der Öffnungsmöglichkeit vorstellen.

Zur Frage 5:

In dieser Frage sind wir in Graz und anderen steirischen Gemeinden schon lange aktiv. In unserem Manifest für die Landtagswahl fordern wir: Gesetzliche Verpflichtung für Handelsketten, Betriebskindergärten einzurichten! Flächendeckende Schaffung von kostenlosen Kinderbetreuungseinrichtungen und Schülerhorten.
Erhöhung der Kinderbeihilfe auf ein existenzsicherndes Niveau. Gewährleistung einer unentgeltlichen gesellschaftlichen Betreuung der Kinder in Kinderkrippen, Kindergärten, Ganztagsschulen und Schulhorten.

Zur Frage 6:

Maximaler Kinderbetreuungsgeldanspruch und arbeitsrechtliche Karenzzeit sollen angeglichen werden, das heißt: Die Behaltefrist muss verlängert werden. Außerdem verlangen wir den flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreungseinrichtungen.

Zur Frage 7

a) Wir treten für die Senkung der KlassenschülerInnen-Höchstzahl auf 25 ein.
b) Die Vorschulpflicht im Kindergartenalter ist eine überlegenswerte Idee, die konkretisiert werden kann, wenn aus kinderpsychologischer Sicht nichts dagegen spricht.
c) Die KPÖ fordert die Gesamtschule aller 10 –15jährigen.

Zur Frage 8:

Wir treten für eine soziale Gesundheitsversorgung und die Abschaffung jeder Form von „Selbstbeteiligung“ in der Krankenversicherung ein. Daher wenden wir uns gegen eine Mehr-Klassen-Medizin: Alle Menschen haben ein gleiches Recht auf Gesundheit – Gesundheit darf keine Ware sein! Eine wichtige Forderung der KPÖ: Keine Privatisierung der KAGES!

Zu den Fragen 9 und 10:

Aus unserer Erfahrung in Graz wissen wir, dass in immer stärkerem Ausmaß versucht wird, Budgetprobleme auf Kosten des Personals im öffentlichen Dienst zu lösen. Wir sind für eine Reform der öffentlichen Verwaltung in der Steiermark, die ihren Dienstleistungscharakter verstärkt. Die KPÖ tritt für Einsparungen an der Spitze ein – vor allem bei den politischen Büros, die in großem Umfang der Selbstdarstellung von Politkern dienen. Wo es um den Kontakt mit der Bevölkerung und um Leistungen der sozialen Versorgung geht, darf nicht beim Personal gespart werden.

Zum Abschluss:
Die ungehemmte Kapitaloffensive hat auch in unserem Land alle gesellschaftlichen Bereiche der Kapitalverwertung unterworfen; Gesundheit, Bildung, Pensionen werden dem Kapitalmarkt geöffnet. Für Österreich bedeutet das: Eine faktische Zerschlagung der Verstaatlichten Industrie, die Öffnung der Pensionskassen für private Anbieter und damit einhergehend eine Schwächung des staatlichen Umlageverfahrens, Angriffe auf die gesetzliche Krankenversicherung - Stichwort Selbstbehalte - und schließlich die Unterordnung der Bildung unter Kapitalinteressen. Gerade die Steiermark hat durch die Privatisierung wichtiger Standorte der verstaatlichten Industrie einen vermehrten Aderlass an qualifizierten Facharbeitern zu verkraften gehabt, soziale Leistungen der ehemals verstaatlichten Betriebe wurden gegen Null gefahren.
Der ÖGB kann eine wichtige Rolle beim Versuch spielen, Gegenpositionen zu diesem Kurs auf Sozialabbau und Privatisierung aufzubauen.
Im Namen der steirischen KPÖ möchte ich die Hoffnung ausdrücken, dass sich auf diesem Gebiet Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Ihrer Organisation ergeben werden.

Hochachtungsvoll
Ernest Kaltenegger

3. August 2005