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Alfred Hrdlicka als "Domkünstler"

Kaltenegger: "Allen Formen der Intoleranz, der Inhumanität und des Faschismus begegnen"

Gedenkrelief für Schwester Restituta im Wiener Stephansdom enthüllt
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Hätten die vielen Dombesucher, die das Hauptschiff bevölkerten, am Donnerstag dem 27. Mai 2009 den Reden in der Barbarakapelle des Wiener Stephansdomes zuhören können wären sie aus dem Staunen nicht herausgekommen. So aber blieben die durchaus nicht sakralen Klänge der Straßenbahnermusikkapelle das Einzige, was den anderen Besuchern signalisierte, dass da etwas Besonderes am Rande des Hauptschiffes passierte. Sie hätten gestaunt, wie oft und wie viel man in diesem Gemäuer Positives über Kommunisten zu sagen und berichten wusste. Dompfarrer Faber sprach über diese Ordensschwester Restituta, die mit bürgerlichen Namen Helene Kafka hieß und dem realen Leben, dem Glas Bier und dem Gulasch nicht abgeneigt war, war sie doch in Brünn geboren, von wo sie erst viel später nach Wien kam.

Er zitierte lange Passagen aus dem Schriftstück, das die kommunistische Zellengenossin Anni Haider (sie lag im Februar 1934 beim Schlingerhof hinter einem Maschinengewehr und flüchtete dann mit ihrem Kind Karl Ladislaw in die Sowjetunion, wo dieser während des Krieges als junger Partisan" für die Seligsprechungskommission im Vatikan zu Protokoll gab.
Sie, die Ordensschwester Restituta, die im Mödlinger Spital als Operationsschwester tätig war, ein Gedicht gegen den Krieg verfasste, verbreitete und dafür zum Tode verurteilt worden war, saß einige Zeit mit Anni Haider, selbst wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, in einer Zelle. Sie freundeten sich an. Als man Restituta dann in die arme Sünderzelle holte, weinte sie (wie sie selbst es ausdrückte), nicht deswegen, weil ihr Leben zu Ende war, sondern weil sie sich freue, das sie, die Kommunistin Haider überleben wird können und danach weiter für die Ziele eintreten können, die auch ihr am Herzen lagen.

Die Verlegung der Gefangenen von der Todeszelle in die arme Sünderzelle bedeuteten unabdingbar, dass das Gnadengesuch von der NS-Blutjustiz verworfen und der Verurteilte in wenigen Stunden hingerichtet werden wird. Die wenigen Stunden, die ihm dort verblieben, bekam er, wenn gewünscht, geistlichen Beistand und durfte seinen letzten Brief verfassen.

An diesem 30. März 1943, als Helene Kafka hingerichtet wurde, wurden 19 Personen enthauptet. Im Minutentakt fielen die Köpfe...

Unter den Hingerichteten befanden sich nicht nur, wie Faber betonte, sechs kommunistische Straßenbahner, deren Namen im Relief für Restituta eingraviert wurden, sondern auch Maria Fischer. Sie war mit ihrem Mann Rudolf (ihn hatte man bereits Ende Jänner d. J. geköpft) führende Funktionärin der KPÖ in Wien, die den illegalen Widerstandskampf bis dahin organisiert hatten. Als Maria Fischer geköpft wurde, wurde aus der elfjährigen Tochter Erika eine Vollwaise. Es ist äußerst schade, dass man bei der konzeptionellen Planung dieses Gedenkreliefs darauf vergessen hat, neben diesen sechs Straßenbahnern (Josef Friedl, Ludwig Kupsky, Josef Krcmarik, Friedrich Stix, Leopold Slaby und Johann Plocek) auch der bedeutenden Widerstandskämpferin zu gedenken.

Dompfarrer Faber, der selbst aus einer Straßenbahnerfamilie kommt und, wie er nicht vergaß zu erwähnen, die 1. Mai-Aufmärsche am Wiener Ring aktiv erlebte, begrüßte in der Folge dann auch noch weitere Redner. Unter ihnen Ben Siegel, einen Schüler von Alfred Hrdlicka, der gemeinsam mit ihm die Plastik gestaltete, den ehemaligen Bundeskanzler Molterer, oder den ehemaligen sozialdemokratischen Zentralsekretär und Freund Hrdlickas Heinrich Keller, der darauf hinwies, dass die Kommunisten und Katholiken bei weitem mehr im Widerstand aktiv waren, als seine ehemaligen Parteigenossen. Er bezog sich erneut auf die Kommunistin Anni Haider und meinte, er möchte die politischen Passagen zitieren, die Haider in einem Radiointerview 1946 über Kafka formulierte.

Über die Aussagen von Keller, der Hrdlicka gar zu einem religiösen Künstler stilisierte, der quasi "ideologiefreie" Kunstwerke schaffe, konnte man nur staunen, vermitteln sie doch die Gedankenwelt eines Sozialdemokraten, der offensichtlich in "ideologiefreien" Kunstwerken wohl den Tschimborasso der Kreativität sehen dürfte. Dass Hrdlickas Kunst aber genau das Gegenteil belegt, ist, wie man mit Fug und Recht feststellen kann, in Stein gehauen.

Dass unter den Rednern von Faber auch der kommunistische Landtagsabgeordnete Ernest Kaltenegger aus der Steiermark begrüßt wurde, rundet das Bild ab. Kaltenegger erinnert sich an die Zeiten, in denen noch viele Naziverfolgte lebten und eine Kultur der respektvollen Ehrung und Erinnerung an den Widerstandskampf und die WiderstandskämpferInnen in der KPÖ existierte. Und dabei fehlte auch der Name der Schwester Restituta und anderer, nichtkommunistischer Kämpfer für ein freies demokratisches Österreich nicht. Mit dem Hinweis auf die ständige Notwendigkeit, allen Formen der Intoleranz, der Inhumanität und des Faschismus zu begegnen, schloss Kaltenegger seine Rede mit jener Aussage des Pastor Martin Niemöllers, in der er die Passivität im Kampf gegen den Faschismus zusammenfasste, bis schlussendlich, als man ihn holte, keiner mehr da war, um dagegen zu protestieren.

Anwesend und begrüßt wurde nicht nur die Tochter eines der damals Hingerichteten, sondern auch die anwesenden WiderstandskämpferInnen Edith Schober, Katharina Sasso und Walter Winterberg.

(Willi Weinert)

2. Juni 2009