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Glücksspielgesetz für KPÖ „Kapitulation der Politik vor Glücksspielkonzern“

Ernest Kaltenegger: „Gesetz ist maßgeschneidert für Novomatic“ – zukünftig können in sechzig Minuten legal 3600 Euro verspielt werden.

Ein vernichtendes Urteil über den Entwurf einer Glücksspiel-Gesetzesnovelle des Finanzministers fällt der steirische KPÖ-Landtagsklubobmann Ernest Kaltenegger. Die KPÖ setzt sich seit Jahren für Beschränkungen beim „Kleinen Glücksspiel“ und für aktiven Schutz von Spielsüchtigen in der Steiermark ein. Der Gesetzesentwurf würde die Anzahl der Spielsüchtigen – in der Steiermark sind laut offiziellem Suchtbericht des Landes 60-80.000 Menschen direkt oder indirekt betroffen – noch weiter in die Höhe schnellen lassen.


Die von Minister Molterer vorgelegte Novelle ist aus Sicht Kalteneggers auf die Interessen eines einzigen Konzerns zugeschnitten: Nur Novomatic kann die Auflagen für eine Konzession (50 Mio. Euro Eigenkapital) erfüllen. Statt bisher 50 Cent wird der Höchsteinsatz in Zukunft das Zwanzigfache, also 10 Euro, betragen. Ein Spielerschutz wird im Text zwar angesprochen, es sind aber keine Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen. Auch werden Länder und Gemeinden keinerlei Mitsprachemöglichkeiten mehr haben, wenn es um die österreichweite Zwangsbeglückung mit Spielautomaten – bisher ist das "Kleine Glücksspiel" nur in vier Bundesländern erlaubt – geht.

 

Die KPÖ fordert die Landesregierung deshalb auf, eine negative Stellungnahme zum Gesetzesentwurf abzugeben.

 

Ernest Kaltenegger: „Was Finanzminister Molterer hier vorlegt, ist verantwortungslos. Man spürt die Handschrift der Automatenbetreiber, die Politik hat offenbar vor einem großen Glücksspielkonzern kapituliert. In ganz Österreich wird die Zahl der Spielsüchtigen dramatisch ansteigen, mit allen bekannten negativen Folgen für die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft. Diese Novelle muss zurück an der Start!

 Die Gesetzesnovelle im Detail

 1. Grundsätzliches

Ziel des Gesetzes ist nicht die Spielsuchtprävention bzw. die Eindämmung der Automatenzockerei sondern die Gewinnmaximierung des Konzessionärs bzw. des Bundes. Dies wird einerseits an folgenden Umständen deutlich:

* Das einzige Kriterium das für den Zuschlag einer Konzession ausschlaggebend ist, ist laut §5 Abs. 2 Z 8 die Maximierung des Abgabenertrages ist.

* Zwar muss der Konzessionär Konzepte zum Spielerschutz und für Schulungen der MitarbeiterInnen in Sachen Spielsucht vorlegen, aber es bleibt folgenlos, wenn er diese Maßnahmen nicht implementiert.

* Wenn ein Konzessionär den Betrieb der Automaten einstellt oder die Konzession zurücklegt, muss der Betrieb der Automaten ein weiteres Jahr gesichert werden, bis ein anderer Konzern ihren Betrieb weiter aufrechterhalten kann.

 2. Der Staat kapituliert offiziell vor dem illegalen Glücksspiel

In den Erläuterungen des Gesetzes wird festgehalten: „Bloße Verbote hindern nicht die Aufstellung von Automaten, vor allem dann nicht, wenn die Sanktionen nicht vollzogen werden. Legalisierung entkriminalisiert und lenkt das Spielsuchtverhalten durch effektive Kontrolle von Geboten.“

In Gesprächen mit den SpitzenbeamtInnen der zuständigen Abteilung des Finanzministerium bekommt man den Eindruck, dass man dort nicht über die Auswirkungen des Glücksspiels besorgt ist, sondern über den Abfluss von Geldmitteln in Spielhöllen des benachbarten Auslands.

3. Aufgrund ihrer hohen Konzentration kann man in der Steiermark von einer Glücksspielautomatenschwemme sprechen. Zusätzlich zu den bisher aufgestellten Automaten (geschützt durch eine fünfjährige Übergangsfrist), die mittelfristig durch des neuen Konzessionärs ersetzt werden, kommen jetzt tausende Video-Lotterie-Terminalshinzu, durch deren Aufstellung anscheinend die Zustimmung der Österreichischen Lotterien zur Neuordnung dieses Marktes erkauft wurde.  

4. Länder und Gemeinden haben lediglich das Recht angehört zu werden, ob und wie viele Glücksspielautomaten auf ihrem Gebiet erlaubt werden, sie sind nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden.

5. Zu den Bedingungen der neuen Konzession für Automatenaufsteller

Die Aufstellung von Glücksspielautomaten bzw. die Neueinführung von Video-Lotterie-Terminals wird im gesamten Bundesgebiet, also auch in den Bundesländern, in denen bisher ein Verbot bestand, gestattet. Dies ist eine deutliche Verschlechterung des Status Quo. Die weit verbreitete illegale Aufstellung von Automaten in Bundesländern die das kleine Glücksspiel aus guten Gründen verboten haben, kann nicht seine Legalisierung zur Folge haben.

6. Das Gesetz ist eine „Lex Novomatic“! Es ist ein offenes Geheimnis, dass nur ein Konzern in Österreich die vom Konzessionswerber geforderten 50 Millionen Euro Kapital aufbringen kann, deren ehemalige Aufsichtsratsmitglieder in der derzeitigen Bundesregierung tätig sind, und mithin über ausgezeichnete Voraussetzungen für eine Bewerbung verfügt.

7. Der Bund streckt dem Konzessionär die Kosten für die Verkabelung der Automaten mit dem Bundesrechenzentrum auf 10 Jahre vor.

8. Der enorm Lange Konzessionszeitraum ist (wie in den Erläuterungen ausgeführt wird) gewählt, um dem Konzessionär auf jeden Fall die Amortisation seiner Investitionen zu gestatten.

9. Der Konzessionär muss zwar ein Spielerschutzkonzept vorlegen und ein Konzept für die Schulung der MitarbeiterInnen zur Suchtprävention, aber wenn diese nicht umgesetzt werden, bleibt dies für ihn folgenlos.


Spielerschutz und Suchtprävention durch wirkungslose Placebomaßnahmen

10. Die erlaubten Einsätze werden von 50 Cent (denen ein Maximalgewinn von € 20 pro Spiel gegenüberstand) auf € 10 angehoben. Die Beträge die man dadurch innerhalb kürzester Zeit legal verspielen kann, sind astronomisch. Bei einer Spieldauer von 10 Sekunden wäre theoretisch ein Verlust von € 3600 innerhalb von nur einer Stunde möglich. Die Industrie hat bisher durch geschickte Umgehung des Gesetzes (Zusatzspiele, Multiplikatortasten etc.) die Automaten so konfiguriert, dass  man einen Monatslohn in einer halben Stunde problemlos verspielen konnte. Dieser Graubereich wird jetzt legalisiert. Dadurch werden auch die vorgeschlagenen Begrenzungen der Tagesspielzeit wirkungslos.

11. Die vom Gesetzgeber verordnete „Cooling off“ Periode, bei der Automaten nach einer gewissen Spieldauer abschalten sind wirkungslos, da SpielerInnen bei einem benachbarten Gerät weiterspielen können. Während es bei Video-Loterie-Terminals die Möglichkeit gibt die Tagesspieldauer durch Idendifikation der Spieler mit einer elektronischen Karte am Gerät zu begrenzen, ist bei Automatensalons nur eine Begrenzung des Zutritts zum Spielsalon generell vorgesehen. 

12.  Dem Konzessionär wird aufgetragen die Anzahl, Dauer, und Ort der Automatensalonbesuche jeden einzelnen Spielers Aufzeichnungen zu führen. Über die Datenbanken des Automaten verfügt der Konzern auch über Detaillierte Daten über das Spielverhalten des Kunden selbst. Vorgeblich gilt dies natürlich dem Spielerschutz, aber es gibt keinerlei datenschutzrechtliche Einschränkungen diese Daten auch anderweitig, z.B. zur intensiveren KundInnenbindung und Ausbeutung der SpielerInnen zu benutzen.

13. Automaten müssen von Gesetzes wegen einen Banknoteneinzug haben!

14. Das Gesetz bleibt in entscheidenden Stellen vage, oder überläßt die Festlegung zentraler Fragestellungen dem Bundesminister im Verordnungsweg. Damit wird letztendlich die genauen Regelungen denen die Glücksspielindustrie unterworfen ist, einer demokratischen Kontrolle und Eingriffsmöglichkeit entzogen. Dies betrifft insbesondere die Mindestdauer eines Spieles, die Dauer der Zeiträume zwischen zwei Spielen, die Bandbreite der Einsätze und Gewinne, die Verlustwahrscheinlichkeit. In Gesprächen mit den Beamten des Finanzministeriums wurde klar, dass eine Mindestspieldauer weit unter der von der KPÖ geforderten Grenze von 20 Sekunden gedacht ist.

15. Dadurch das die bisherigen, in Fixbeträgen ausgestalteten, Landesabgaben durch eine Bundesautomatenabgabe von 25 Prozent des Jahresbruttospielgewinnes  ersetzt wird, werden auch bisher unrentable Standorte lukrativ: Auch für einen schwach frequentierten Automaten fallen nach Abzug der Umsatzssteuer und der Automatenabgabe Gewinne ab´.

Veröffentlicht: 30. Mai 2009

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