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BUWOG: Einmal Privatisierung und zurück

Lehman Brother erhielten 10,2 Millionen Euro für Beratung

2004 wurden die Bundeswohnungen - gegen den Widerstand er KPÖ privatisiert. Leo Furtlehner durchleuchtet die Hintergründe und Folgen.
Schneller von der Geschichte eingeholt als ihnen lieb ist werden jetzt die Akteure der Privatisierung der Bundeswohnungen, nachdem die Turbulenzen am Finanzmarkt den Komplex von Constantia Privatbank und Immofinanz zum hochgradigen Kriminalfall gemacht haben.

Zur Erinnerung: Nach dem Antritt der schwarzblauen Regierung im Jahre 2000 war entsprechend ihrem Dogma „Weniger Staat, mehr privat“ eines ihrer Projekte die Privatisierung der 62.000 Bundeswohnungen, die von fünf Wohnungsgesellschaften (WAG/Linz, BUWOG/Wien, WGB/Wien, ESG/Villach und EBS/Linz) verwaltet wurden. Dazu wurden als erster Schritt bereits per 1. April 2001 die fünf Bundeswohnungsgesellschaften nach der Aufhebung der Gemeinnützigkeit in gewerbliche Bauträger umgewandelt.

Gegen das Vorhaben gab es massive Proteste, vor allem von betroffenen MieterInnen und Gemeinden, aber auch von Gewerkschaften. Die KPÖ hatte sich von Anfang an gegen diese Privatisierung ausgesprochen, weil sie es stets als eine grundlegende Aufgabe des Bundes gesehen hat, durch einen öffentlichen Wohnungsbestand regulierend auf die Entwicklung der Mieten einzuwirken und eine Wohnungsvergabe nach sozialen Kriterien zu ermöglichen. Zur Unterstützung ihrer Position hatte die KPÖ die Forderung nach Erhaltung der Bundeswohnungen auch mit einer Petition an den Nationalrat im Juni 2001 untermauert.

Bundeswohnungen verkauft

Der Widerstand wurde aber von der Regierung niedergemacht und 2004 wurden die fünf Gesellschaften um 961 Millionen Euro an ein „Österreich-Konsortium“ – bestehend aus Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Immofinanz, Wiener Städtische, OÖ Landesbank und OÖ Versicherung– verkauft.
Vom Erlös mussten freilich gleich vorweg 10,2 Millionen Euro an die Consultingfirma Lehman Brothers und weitere Millionen an andere Berater abgeführt werden.
Bei dieser Filetierung wurden BUWOG und ESG von der Immofinanz übernommen, die anderen Mitglieder des Konsortiums übernahmen WAG und EBS. Die WBG wurde an die BWS (Gemeinnützige Allg. Bau-, Wohn- u. Siedlungsgenossenschaft reg.Gen.mbH) veräußert. Die am „Österreich-Konsortium“ beteiligte Raiffeisen Landesbank Oberösterreich war schon vor der Übernahme der WAG an der Gesellschaft für Wohnbau (15.270 Wohnungen) und über diese an der GIWOG (31.340 Wohnungen) beteiligt und hat bereits wiederholt Interesse an der Linzer GWG (17.000 Wohnungen) angemeldet. Mit dem Verkauf der Bundeswohnungen wurde also die Entwicklung zu einem gigantischen Wohnungssektor unter der Fuchtel von Banken, Versicherungen und Immobilienkonzernen forciert.

„Gute österreichische Lösung…“

Die ÖVP sprach von einer „guten österreichischen Lösung“. Vom damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde der Deal als „professionell und transparent“ garniert mit Beschwichtigungen der MieterInnen hochgejubelt. Aber wenige Monate nach dem erfolgten Verkauf verzichtete die Republik klammheimlich und großzügig auf das Einweisungsrecht in die BUWOG-Wohnungen, die seinerzeit für den Bedarf von Bundesbediensteten errichtet worden war. Tatsächlich war der Verkauf der Bundeswohnungsgesellschaften nicht nur ein massiver Einschnitt in der österreichischen Wohnungspolitik, sondern auch eine Schmierenkomödie ersten Ranges zugunsten von Banken und Versicherungen.
Der für den Verkauf zuständige damalige Finanzminister Grasser hatte ausgerechnet den damaligen für beste Kontakte mit Jörg Haider bekannten BUWOG-Chef Ernst-Karl Plech mit der Abwicklung des Verkaufs der Bundeswohnungen beauftragt und damit den Bock zum Gärtner gemacht. Plech machte von Anfang an deutlich, dass ein Verkauf en bloc an „kommerzielle Investoren“ beabsichtigt war. Er handelte damit explizit gegen öffentliches Interesse und vertrat auch durch seinen Vorstoß zur generellen Abschaffung der Gemeinnützigkeit nur die Anliegen der Hausbesitzer und Immobilienhaie.

Kritik bestätigt

Bestätigt wurde die Kritik am Deal um die Bundeswohnungen durch den Rechnungshof: Die ehemaligen Bundesimmobilien (62.000 Wohnungen, 5,1 Mio. Quadratmeter unbebaute Grundstücke, 400 Gewerbeimmobilien, 23.000 Parkplätze) wären heute dreimal so viel wert wie beim Verkauf, so das oberste Kontrollorgan der Republik. Der Rechnungshof kritisierte auch, dass die Republik wenige Monate nach dem Verkauf auf das im Gegenzug für vom Staat gewährte günstige Darlehen vereinbarte Einweisungsrecht verzichtet hat. Wenn das vorher bekannt gewesen wäre, hätte das „mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Erhöhung der Kaufangebote geführt“, so der Rechnungshof.
Mit dem Zusammenkrachen des von dem Multi-Manager Karl Petrikovics aufgebauten Immofinanz-Imperiums im Herbst 2008 ist freilich auch die Zukunft der BUWOG virulent geworden. Um Schlimmeres zu verhindern sollen diese Wohnungen jetzt wieder vom Staat übernommen werden. Die dafür genannte Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) sperrt sich allerdings gegen dieses Ansinnen kategorisch.
Kein Wunder, wurde die BIG doch jahrelang auf das Gegenteil, nämlich die Privatisierung bundeseigener Immobilien ausgerichtet. So wurden etwa 2003 um 145 Millionen Euro die von der BIG übernommenen früheren 3.859 bundeseigenen Wohnungen an eine von dem Investor Rudolf Fries geführte und eigens zu dem Zweck gegründete Gesellschaft namens DRF (Fries-Privatstiftungen, Sankt Klemens-Privatstiftung, Breinbauer, Gröller, EHI, KOOP Lebensraum, UWS Privatstiftung) verkauft.
Daher will die BIG auch keine von der Politik verlangten überhöhten Preise für ihr aufgedrängte Immofinanz-Objekte wie das Justiz-Tower in Wien-Mitte zahlen um der angeschlagenen Immofinanz zur dringend benötigten Liquidität zu verhelfen. Denn allein heuer braucht Immofinanz mindestens hundert Millionen Euro um zu überleben. Die BIG ist im Übrigen auch mit der „Abwicklung“ nicht mehr genutzter Bundesheer-Kasernen beauftragt, wobei sie nicht mehr wie bisher als Vermittler bei einem Verkauf an private Interessenten auftreten will, sondern die 20 größten noch zum Verkauf anstehenden Kasernen erwerben, „anentwickeln“ und dann verkaufen will.

„Karl der Große“ im Alleingang

Der jahrelang von den einschlägig neoliberal ausgerichteten Medien gepushte und durch seine Expansionslust bekannte Manager Karl Petrikovics ist im Sommer 2008 schlagartig von der Bildfläche verschwunden. Er hatte die Constantia Privatbank ebenso wie die Immofinanz und Immoeast neben 180 (!) anderen Funktionen geführt. Bei der Finanzmarktaufsicht wurde eine Anzeige wegen Bilanzmanipulation eingebracht. Bei Immofinanz und CPB fand am 25. November eine Hausdurchsuchung statt. Der Multimanager Petrikovics räumte mittlerweile verschiedene Fehlgriffe ein, auch wenn alle Medien hoch und heilig beteuern, dass nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt.
Die 1990 gegründete Immofinanz verwaltet mit ihren Tochtergesellschaften Immowest, Immoeast und Immoaustria 3.135 Objekte mit 13,6 Millionen Quadratmeter Nutzfläche und einem Verkehrswert von 16,2 Milliarden Euro. Größter ausgewiesener Einzelaktionär ist die Fries-Gruppe (sie hält über diverse Privatstiftungen Beteiligungen bei DRF, Eybl, Hanova, Engel und Friesca und machte mit dem Verkauf ihrer Anteile bei Böhler-Uddeholm an die voestalpine gigantische Gewinne) mit 8,6 Prozent, der Rest ist Streubesitz.
2007 hatte sich die Immoeast 2,8 Milliarden Euro frisches Geld durch eine Kapitalerhöhung über die Börse besorgt, davon flossen 1,8 Mrd. Euro an die Immofinanz weiter, die an Immoeast mit 50 Prozent beteiligt ist. Der Kauf der Buwog im Zuge der Privatisierung der Bundeswohnungen durch die Immofinanz wurde nämlich ausschließlich fremdfinanziert. Welche Auswirkungen das auf die MieterInnen der rund 19.500 Buwog-Wohnungen hat ist offen.
„Constantia Privatbank, Immofinanz, Immoeast: ein einziger Scherbenhaufen“ resümierte die großbürgerliche „Presse“ zu dem Werk, das „Karl der Große, völlig unkontrolliert“ angerichtet hatte. Als sich der Industrielle und Milliardär Herbert Turnauer vom ehemaligen ÖVP-Chef Josef Taus die Gründung einer Privatbank für ein betuchtes Publikum einreden ließ wurde von deren Chef Christoph Kraus der „nicht von Selbstzweifeln geplagte“ Supermanager Petrikovics angeheuert um ein Immobilien-Standbein aufzubauen. Erfahrungen dazu hatte dieser bei der CA Immobilien gesammelt.
Alsbald verdrängt der Newcomer den Bankchef Kraus, Turnauer Berater Guido Schmidt-Chiari, ehemals CA-Chef, hatte keine Einwände dagegen. Nach dem Tode Turnauers befällt die Constantia eine „seltsame Eigendynamik“, Petrikovics kontrollierte alsbald den gesamten Komplex, CPB, Immofinanz und Immoeast. Sein Kontrollzwang ist unbegrenzt, alles musste über seinen Schreibtisch gehen – nur er selbst wurde von niemand kontrolliert, von keinem Vorstand, von keinem Aufsichtsrat.

Der CA-Klüngel

Bezeichnenderweise saßen überall ehemalige CA-Leute: Karl Arco im Vorstand der Privatbank. Schmidt-Chiari im Aufsichtsrat der Immofinanz. Der von der CA kommende spätere Wienerberger-Chef Erhard Schaschl sowohl bei Immofinanz als auch Immoeast, ebenso sein Nachfolger als Wienerberger-Boss Wolfgang Reithofer – beide haben im Oktober das sinkende Schiff verlassen und ihre Aufsichtsratsmandate zurückgelegt.
Die aufkommende Immokrise interpretiert Petrikovics als „vorübergehende Delle“ und sieht „alles im grünen Bereich“. Bis das Kartenhaus zusammenbricht und Klärungsbedarf deutlich wird, wo das Geld aus einer Megakapitalerhöhung geblieben ist und ob nicht Aktien heimlich zwecks Kurspflege gekauft wurden. Das Turnauer-Vermögen ist jedenfalls weitgehend futsch, die Erbin Christine de Castelbajac hat Petrikovics geklagt.

Wie weiter?

Zur Rettung der Immofinanz-Gruppe wollen die beteiligten Banken auch den Staat anzapfen, etwa durch eine Wandelanleihe und den Verkauf von Immofinanz-Immobilien, die an den Bund vermietet werden an die zu hundert Prozent im Staatsbesitz stehende BIG. Damit würde eine totale Rollenumkehr erfolgen, stand die BIG bislang doch vor allem für den Verkauf von Bundesimmobilien an private InteressentInnen. Obwohl im Staatseigentum gehört auch die BIG zum Geflecht um die Immofinanz. Aufsichtsratschef der BIG war bis vor kurzem kein geringerer als Karl Petrikovics.
Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses über den Verkauf der Bundeswohnungen und insbesondere der BUWOG im Jahre 2004 an die jetzt konkursgefährdete private Immofinanz-Gruppe wie sie der steirische KPÖ-Landtagsklubchef Ernest Kaltenegger und die Grazer KPÖ-Wohnungsstadträtin Elke Kahr verlangen wäre mehr als gerechtfertigt.
Es gilt aufzuarbeiten welche Rolle der damalige Finanzminister Grasser, der bisherige Wirtschaftsminister Bartenstein zu dessen Ressort die BUWOG gehörte, der ehemalige BUWOG-Chef Plech und das „Wunderkind“ Petrikovics als Aufsichtsratsvorsitzender der BIG dabei spielten. Vor allem aber geht es auch darum, dass die Einweisungsrechte des Bundes wiederhergestellt werden und sich der Bund bei einer politisch sowohl sinnvollen wie auch notwendigen neuerlichen Übernahme der BUWOG-Wohnungen finanziell an den NutznießerInnen der damaligen Privatisierung schadlos hält.

Dezember 2008

Veröffentlicht: 5. Dezember 2008

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