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15 Jahre Vertrag von Maastricht

Ernest Kaltenegger nimmt an Konferenz in Berlin teil

Kein Grund zum Feiern
Von Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht sitzt für die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken / Nordische Grün-Linke imAusschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments.

Am 7. Februar 1992 wurde der Vertrag von Maastricht unterzeichnet, der die Europäische Union begründete. Kernstück des Vertrags war die Wirtschafts- und Währungsunion. Über fünf Millionen neue Arbeitsplätze sollte sie schaffen und einen beispiellosen Wachstumsschub in Europa auslösen, versprach man damals. Das Gegenteil ist eingetreten. Mit Verweis auf die Maastricht-Kriterien wurde in Europa ein rabiater Sparkurs durchgesetzt, der flächendeckenden Sozialkahlschlag und den Ausverkauf öffentlichen Eigentums nach sich zog. Fortschreitende Deregulierung und die verschärfte Konkurrenz im Binnenmarkt hatten Lohndumping und die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen zur Folge. Während es einigen Großkonzernen gelang, sich als mächtige global player zu etablieren und ihre Marktstellung immer mehr auszubauen, konnten unzählige kleine und mittlere Unternehmen dem Wettbewerbsdruck nicht standhalten.
Das neoliberale Binnenmarktprojekt, das auf politische Schritte zur Angleichung von Sozial- und Steuerstandards auf oberem Niveau bewusst verzichtet, öffnet die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter: Während die Gewinne der Konzerne und die privaten Vermögens-einkommen explodieren, führen Sozialraub und Steuerdumping zu wachsender Armut. Und die Profiteure haben noch längst nicht genug. Mit der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wird der Druck auf die Löhne weiter zunehmen, auch zahlreiche Regelungen zum Gesundheits- und Verbraucherschutz werden dem Profitinteresse zum Opfer fallen.
Da die neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU zu einem erheblichen Verlust von Kaufkraft geführt hat, setzen die großen europäischen Konzerne verstärkt auf Expansion. So hat ein erbitterter Kampf um neue Absatzmärkte in Asien, Lateinamerika und Afrika begonnen. Unter dem Stichwort der »Energiesicherung« bemüht sich die EU zudem, die Kontrolle über Rohstoffe und Handelsrouten zu erlangen. Diesem Ziel dient auch die mit dem Vertrag von Maastricht begründete Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die einer aggressiven Militarisierung Vorschub geleistet hat. Durch Aufrüstung und den Aufbau eigener Streitkräfte will die europäische Union zu einer Weltmacht »auf gleicher Augenhöhe« mit den USA werden.
Mit dem Vertrag von Maastricht wurde der Weg der Europäischen Union in einen entfesselten, von sozialen Hemmschwellen zunehmend befreiten Kapitalismus zementiert. Die EU ist zu einem Europa der Konzerne geworden, das die Interessen der Shareholder in den Mittelpunkt stellt, die nach Profitmaximierung und Vermögenssteigerung um jeden Preis streben. Dem gilt es europaweit Widerstand entgegen zu setzen. Die französische Bevölkerung hat im vergangenen Jahr mit ihrem erfolgreichen Kampf gegen eine Aushöhlung des Kündigungsschutzes gezeigt, wie sich soziale Verbrechen in Europa verhindern lassen.
Der 15. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht ist Anlass, Bilanz zu ziehen und darüber nachzudenken, wie Alternativen zur verfehlten EU-Politik der vergangenen 15 Jahre aussehen können. Einen Beitrag hierzu soll die Konferenz »Armut und Reichtum in Europa – 15 Jahre nach dem EU-Vertrag von Maastricht« mit Oskar Lafontaine, Ernest Kaltenegger und weiteren Referentinnen und Referenten aus Politik, Wissenschaft und Gewerkschaft leisten, die auf Einladung der Fraktion der Vereinten Linken im Europäischen Parlament am kommenden Sonnabend, den 10. Februar ab 13 Uhr im Berliner Europahaus, Unter den Linden 78, stattfindet.

Neues Deutschland , 9. 2. 07

Veröffentlicht: 9. Februar 2007

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