Vor 25 Jahren – und heute?

Notizen zum Artikel „Im Nachtrab“, Profil 47/ 14

Wie war das mit der KPÖ vor 25 Jahren und danach? Beim Lesen des Artikels von Christa Zöchling über die KPÖ im Jahr 1989  ist mir einiges wieder eingefallen, was ich fast vergessen gehabt hatte.

Von Franz St. Parteder

 

 

Frühjahr 1989. Arbeiterdelegation  in der Sowjetunion. Hotel Moskwa in Taschkent. Ich schockiere eine verdiente Genossin mit der Behauptung: „Das nächste Land, das niedergehen wird, ist die DDR“. Das hat mir in der KPÖ keine Pluspunkte gebracht. Aber ich war ohnehin schon an den Rand der Partei gedrängt worden,weil ich 1987 Sachen gesagt hatte, die Silbermayr, Heidi Ambrosch  oder Baier erst 1989 oder 1991 sagen würden. Jetzt stand „Ernie“ - Ernst Wimmer – noch hoch im Kurs bei denen. Das sollte sich erst ändern, als nicht nur die DDR niedergegangen war.
Ich bin nicht nachtragend. Aber wenn ich aus dem Mund dieser Leute Erneuerungsphrasen höre, dann denke ich halt immer daran, was sie damals gesagt haben, als in der KPÖ Anpassung an den offiziellen Sowjetmarxismus noch karrierefördernd war.

Für mich hätte es ohne den Untergang des Realsozialismus in  Osteuropa keinen Platz mehr in der KPÖ gegeben (höchstens als zahlendes und schweigendes Mitglied). Weil sich die Geschehnisse aber anders entwickelt haben als in unseren Fünfjahresplänen, ist es zu folgender Szene gekommen: Volksstimmefest, September 1989, Zelt der Festleitung. Draußen regnet es. Im Zelt teilen mir Franz Muhri und Walter Silbermayr mit, dass ich wieder als „Freigestellter“ arbeiten kann: Verantwortlicher für Kommunalpolitik in der Steiermark. Silbermayr betont ausdrücklich seine Bedenken: Er hält mich für einen guten linken Funktionär, aber nur bedingt für einen guten Kommunisten. Eineinhalb Jahre später wird er für den Typ des traditionellen KP-Funktionärs nur mehr Verachtung übrig haben.

Nützlich

Und so ist es weitergegangen: Der Sozialismus ist verschwunden, ich bin auf dem sinkenden Schiff KPÖ aufgestiegen. Das Schiff ist aber in der Steiermark nicht gesunken, es ist nicht gekentert, es hat sogar Fahrt aufgenommen. Warum?

Waren und sind wir in der Steiermark Linkspopulisten wie Christa Zöchling behauptet? Ich habe unsere Haltung anders in Erinnerung. Wir – damit meine ich Ernest Kaltenegger, Karl Fluch, Elke Kahr und mit Abstrichen auch den langjährigen Landesvorsitzenden Willi Gaisch – hatten erkannt, dass wir den Markenkern der Partei ändern und die Verbindung zur Welt der Arbeit suchen mussten. Eine abstrakt verkündete Erneuerung war ungenügend. Wir mussten in der gesellschaftlichen Praxis zeigen, dass wir eine nützliche Kraft für die Menschen waren und sind. Dabei durften wir nicht unhinterfragt an Theorie und Praxis des sogenannten Realsozialismus anknüpfen. Es ging und geht darum, die Erfahrungen der Interessensvertretung unter kapitalistischen Bedingungen zu verallgemeinern und historische Beispiele wie das rote Wien der Zwischenkriegszeit auszuwerten. Nur wenn wir in der Realität  eine feste Basis gefunden hatten, war die Entwicklung neuer theoretischer Konzeptionen und die tiefgehende Analyse der Geschichte unserer Bewegung erfolgversprechend.

Dieser Ansatz war originell und konnte nicht in das übliche Schema parteiinterner Auseinandersetzungen gepresst werden. Vom Standpunkt eines Dogmatikers waren wir Reformisten und Opportunisten, vom Standpunkt eines Erneuerers wie Silbermayr oder Baier waren wir rückwärtsgewandt, weil wir hartnäckig auf die Bedeutung der Welt der Arbeit insistiert haben.

Unsere Auftritte auf den sich häufenden Krisenparteitagen der KPÖ haben  von Anfang an einen anderen Ton angeschlagen als damals üblich war.
 Zwei Beispiele: 27. KPÖ-Parteitag 1990. Ich spreche nach Heidi Ambrosch, die mit dem Betonen ihrer Emotionalität vergessen lassen will, wie sie erst vor wenigen Monaten eiskalt die Wünsche der Parteiführung gegenüber Kritikerinnen im Kommunistischen Studentenverband (KSV) exekutiert hat.
Ich sage (unter anderem) Folgendes: „Außerhalb unserer Sitzungsräume und Parteilokale werden wir vor allem daran gemessen, ob wir in der Lage sind, gemeinsam mit anderen für gemeinsame Interessen einzutreten. Und wenn vom Glaubwürdigkeitsdefizit geredet wird, dann sollten wir auch auf eines achten: Das Glaubwürdigkeitsdefizit  ist ganz oben am höchsten und es ist dort am geringsten, wo die Genossinnen und Genossen in Gemeinden und in Betrieben konkrete Arbeit leisten. Dafür braucht sich niemand von uns zu schämen“. (Protokoll des 27. Parteitages der KPÖ, S. 114).

Am 28. Parteitag der KPÖ 1991  – Walter Silbermayr hatte sich von unserer Bewegung verabschiedet, Walter Baier war dabei, die KPÖ zu übernehmen und in seinem Sinne zu formen -  durfte ich ein Referat halten. Damals war ein Kompromiss zwischen der Wiener Gruppe und den steirischen Basisarbeitern gefunden worden. Im Grazer AK-Saal sagte ich : „Wir waren und sind es zum Teil noch immer: WeltmeisterInnen im Produzieren von bedrucktem Papier. Auf dem Papier haben  wir alle Probleme immer wieder ganz hervorragend gelöst. In der Wirklichkeit hat die Sache dann immer wieder ganz anders ausgeschaut. Wenn wir aus der Krise unserer Bewegung den Schluss ziehen, künftig viel bescheidener aufzutreten, wenn wir offene Fragen zur Diskussion stellen, wenn wir das Wahrheitsmonopol ein für alle Mal aufgeben, dann leisten wir wir damit einen Beitrag dazu, dass es eine Zukunft für unsere Bewegung geben wird, und zwar in der Wirklichkeit und nicht bloß auf dem Papier“. Dokumentation 28. Parteitag der KPÖ 1991. S.49
Und Ernest Kaltenegger sagte in seiner Begrüßungsrede: „Werden die KommunistInnen ihre Energien in parteiinternen Grabenkämpfen verschwenden? Oder wird die KPÖ wieder zu einer Kraft, die an der Seite der Benachteiligten und Betroffenen steht?“ (Ebd. S. 11).

Ein Konzept

Das alles habe ich deshalb zitiert,um zu zeigen, dass hinter unserer Arbeit in der Steiermark ein Konzept stand und steht, das den Test der Zeit bestanden hat. Vor 25 Jahren hatte die KPÖ einen Gemeinderat in Graz, 17 Gemeinderäte in den steirischen Bezirken und 1 Arbeiterkammerrat. Im Jahr 2014 gibt es 1 Vizebürgermeisterin, 3 Stadträtinnen (darunter die Grazer Wohnungsstadträtin), 69 kommunale Mandatare, zwei Landtagsabgeordnete und 4 Arbeiterkammerräte.
Was aber viel wichtiger ist: Es ist uns gelungen, in der Frage des Wohnens und des Eintretens für eine soziale Absicherung der Menschen in der Steiermark eine „Unique Selling Proposition (USP) zu erlangen. Wohnen und auch Eintreten gegen den Sozialabbau wird von vielen Menschen automatisch mit der KPÖ verbunden. Wir sind anerkannte Teilnehmerinnen und Teilnehmer an sozialen Bewegungen und konnten auch -vor allem in Graz – messbare Verbesserungen  für die Leute erzielen.

Zum Schluss: Mir kommt es so vor, dass die KPÖ auf Bundesebene trotz der plakativ vor sich hergetragenen Erneuerungsmonstranz in Struktur und Denkformen noch viel mehr mit der „alten“ Partei zur Zeit des Realsozialismus verbunden ist als wir in der Steiermark.
Die Erfahrungen des letzten Vierteljahrhunderts haben uns umgeformt und in die Lage versetzt, auch neue Herausforderungen zu bestehen. Dass wir den finanzmarktgetriebenen  Kapitalismus  nicht für das Ende der Geschichte halten und eine neue ausbeutungsfreie Gesellschaftsordnung anstreben darf uns niemand verwehren, der es für legitim hält, wenn politische Bewegungen nicht am Status quo festhalten wollen.


In Österreich fehlt auf Bundesebene eine soziale Alternative. Das hat vor allem objektive Ursachen. Trotzdem wäre es sinnvoll, dass man sich überall – von der Sektion 8 der Wiener SPÖ bis zu den immer vielfältiger werdenden Kleingruppen, die sich auf Marx, Lenin oder Trotzki beziehen und vor allem bis zu gewerkschaftlich organisierten Menschen, die wirklich für die Interessen der arbeitenden Menschen eintreten wollen - überlegt, was von unseren Erfahrungen in der Steiermark für das Herausbilden einer massenwirksamen linken Kraft in Österreich übernommen und adaptiert werden könnte.


Denn eines muss ich gestehen. Meine Hoffnung, dass die steirische KPÖ zum Kristallisationspunkt der fortschrittlichen Kräfte über unser Bundesland hinaus werden könnte, hat sich bisher leider nicht erfüllt.

17. November 2014