Sturm auf Voitsberg

1934 war in Voitsberg schon 1931

Robert Engele berichtete in der Kleinen Zeitung vom 15.3.2020: In der politisch aufgeheizten Atmosphäre des Jahres 1931 kam es zum Volkssturm aufs Voitsberger Rathaus, der Tote und Verletzte forderte.

 

Die Zeit nach Ende des Ersten Weltkriegs war in der Steiermark politisch aufgeheizt, die Bevölkerung in politisch verfeindete Lager geteilt. In den ländlichen Regionen hatten sich paramilitärische Selbstschutzverbände gegen plündernde Soldaten und durchziehende Flüchtlinge gegründet. In den Städten und Industrieregionen entstanden Arbeiter-Schutztruppen, jeder misstraute damals jedem, alles war im Umbruch.

Auf der linken Seite bildete sich der straff organisierte Republikanische Schutzbund. Auf der rechten standen verschiedene regionale Wehrformationen, die unabhängig agierten und deren ideologische Einstellung christlich-sozial oder deutschnational war. Geeint wurden sie durch ihren Kampf gegen marxistische Ideen und gegen das „rote Wien“. So kam es am 18. August 1929 zu Unruhen und Schießereien in St. Lorenzen im Mürztal, die drei Tote und 250 Verletzte forderten. Und in der Nacht vom 12. auf den 13. September 1931 zum gescheiterten Putschversuch durch den steirischen Heimwehrführer Walter Pfrimer, einen Rechtsanwalt aus Judenburg, der mit 14.000 bewaffneten Anhängern die Regierung in Wien stürzen wollte – das Ergebnis: drei Tote und zahlreiche Verletzte.

Während in Graz Pfrimer der Hochverratsprozess  gemacht wurde, fand in spannungsgeladener Atmosphäre am Abend des 16. Dezember 1931 eine Parteiveranstaltung der Sozialdemokraten im Voitsberger Stadtsaal statt und der rote Bürgermeister Hans Steiner hielt vor seinen Genossen und extra angereisten Kommunisten eine Brandrede gegen die Nationalsozialisten.

Der 1896 in Donawitz geborene Steiner hatte sich schon früh politisch betätigt, war der kommunistischen Partei beigetreten, wechselte dann aber zu den Sozialdemokraten. 1926 ging er als Parteisekretär nach Voitsberg und wurde im März 1930 Bürgermeister. Steiner war auch Leiter des Stadtkinos und Obmann des Stadtverschönerungsvereines, er galt als geschickter Diplomat, der der dabei seine alten kommunistischen Ideen gut zu tarnen verstand.

Auch polarisierte er die eigenen Parteimitglieder, von denen einige Mandatare sogar aus dem Gemeinderat austraten, heißt es in der dreibändigen Ortschronik von Voitsberg, die Ernst Lasnik 2012 herausgegeben hat.

Dann aber kam die Nacht vom 16. Dezember 1931, die Voitsberg in die Schlagzeilen der Medien brachte. Hans Steiner hielt gerade seine Rede, als die Meldung kam, dass die Gendarmerie im Voitsberger Rathaus nach Waffen suchte. Nun richtete der Bürgermeister seine Wut gegen die Exekutive und stachelte die versammelte Menge auf, die sofort zum Rathaus stürmte. Dort waren wirklich leichtsinnig verwahrt 67 Handgranaten und fünfeinhalb Kilogramm Amonit-Sprengstoff von den Gendarmen entdeckt worden. Inzwischen hatten mehrere Hundert Menschen vor dem Rathaus Stellung gegen die Exekutive bezogen und wollten ins Gebäude eindringen. Dabei eskalierte die Situation.

Der stellvertretende Postenkommandant Franz Moitzi wurde von mehreren Burschen angegriffen, geschlagen und mit einem Messer verletzt. Der 26-jährige Anton Wretschko, ein Kommunist aus der Region, entriss einem Gendarmen den Karabiner, schoss auf Moitzi und traf ihn am linken Oberschenkel. Von seiner Säbeltasche aber prallte das Geschoss ab und traf die 32-jährige Fachlehrerin Lea Koch, die Schriftführerin der lokalen Sozialdemokratischen Partei war, tödlich in den Kopf.

Durch einen weiteren Schuss wurde auch der Gendarm Franz Sand verwundet.

Nun feuerte die Exekutive eine Salve in die Menge ab. Dadurch wurde der Bäckergehilfe Paul Großmann, Obmann der Voitsberger KPÖ-Ortsgruppe, schwer getroffen und erlag kurz darauf im Voitsberger Landeskrankenhaus seinen Verletzungen. Vier weitere Personen wurden schwer, zahlreiche andere leicht verletzt.

Jetzt herrschte verschreckte Stille. Doch sowohl der schwarze „Heimatschutz“ als auch der rasch herbeigeeilte rote „Schutzbund“ behielten zum Glück die Nerven und griffen nicht ein, sodass die angespannten  Situation nicht noch weiter eskalierte.

Die Landesregierung schickte umgehend 30 weitere Gendarmeriebeamte zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung nach Voitsberg. Aber mit den Toten und Verletzten waren die Weichen in eine blutige Zukunft bereits gestellt.

Im März 1933 errichtete Kanzler Engelbert Dollfuß ein autoritäres System. Zahlreiche weitere Terrorakte führten zum Verbot der Nationalsozialistischen Partei. Zu blutigen Kämpfen in Eggenberg, Bruck, Judenburg und anderen Orten kam es im Februar 1934 mit dem Schutzbund, dessen zwei Anführer Koloman Wallisch und Josef Stanek hingerichtet wurden. Am 25. Juli 1934 wurde Dollfuß bei einem Putsch der Nazis ermordet.

 

17. März 2020