Krieg und Profit

Arbeitsteilung und sozialer Antagonismus in Bezug auf den Ersten Weltkrieg

Einleitung von Werner Lang zur Herausgabe der Broschüre über der Ersten Weltkrieg – Nachdruck aus der „Geschichte Österreichs” von Eva Priester.

 

In rein arbeitsteiligen Gesellschaften kann ein Krieg für das ganze Volk eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen bedeuten. Aber bei gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sich die Gesellschaft schon zum größten Teil zu einer in Produzenten und Eigentümer gespaltenen entwickelt hat, können die, die im Besitz der Produktionsmittel sind und die Kommandohöhen der Wirtschaft beherrschen, so wie es im Ersten Weltkrieg der Fall war, auch in Kriegszeiten immense Gewinne einfahren. Für die Mehrheit der Bevölkerung, besonders für die Lohnarbeiter, auf die hier eingegangen wird, „trat im ersten Weltkrieg eine richtiggehende Verelendung ihrer Lebensbedingungen ein“, (Hautmann). Das ist mit Literatur von unten angeführten Historikern leicht zu beweisen.

Für den Beweis der Profitmacherei auch in Kriegszeiten braucht man nicht mehr als ein paar Zahlen, Daten und Beispiele anführen. Z.B., wenn wir die Kriegsgewinne, also die Reingewinne von einigen Rüstungsfirmen (jeweils in Millionen) vom Vorkriegsdurchschnitt abschauen und sie mit den Gewinnen von 1916/17, vergleichen, so betrug der Gewinn bei Krupp, (Deutsches Reich), vor dem Krieg durchschnittlich 31,6, Mio. Mark. Ab 1914 ist der Gewinn kontinuierlich ansteigend. 1916/17 betrug er 79,7. Mio. Mark.
Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik vor 1914 5,5, Mio. Mark 1916/17 12,7 Mio. Mark. Kölner Pulverfabriken davor 4,3 Mio. Mark, 1916/17, 14,7Mio. Mark.
Rheinmetall davor, 1,4, Mio. Mark, 1916/17 15,3Mio. Mark.
Skodawerke (Österreich-Ungarn,) Vorkriegsdurchschnitt 5,6 Mio. Kronen, kontinuierlich ansteigend auf 18,2 Mio. Kronen 1916/17.
Waffenfabrik Steyr davor 2,7 Mio. Kronen, 1916/17, 18,2Mio. Kronen.
Schneider-Creusot (Frankreich) Vorkriegsdurchschnitt 6,9 Mio. Franc, 1916/17 11,2 Mio. Franc.
Hotchkiss (USA) 1915/16 2,9 Mio. Dollar, 1916/17 14,0 Mio. Dollar.
 (Sibylle Reinhardt, S.54).
Um ein Beispiel herauszunehmen, so kann man bei Roman Rossfeld und Tobias Straumann nachlesen, dass in der Schweiz die Versicherungen und die chemische Industrie vom Krieg profitierten, weil diese Branchen bis 1914 stark von deutschen Firmen dominiert gewesen waren. „Die Chemie war damals vor allem eine Farbstoffindustrie. Da im Ersten Weltkrieg die zuvor noch farbigen-, und bunten Uniformen vermehrt durch feldgraue ersetzt wurden, war der Bedarf an Farbstoffen sehr groß. Die Banken wiederum profitierten, weil die Vermögensverwaltung durch den Zufluss ausländischer Gelder stark expandierte.“
„In der österreichischen Monarchie profitierten sie am Krieg auf jede nur erdenkliche Weise“, schreibt der Historiker Hans Hautmann. „Z. B. borgten Sie dem Staat gegen Zinsen Geld für die Kriegführung, sie verdienten an der geschäftlichen Abwicklung der Kriegsanleihen, sie machten märchenhafte Gewinne im Weg über die in ihrem Machtbereich befindlichen Unternehmen der Kriegs- und Rüstungsindustrie und lukrierten große Provisionen bei der Finanzierung der Rohstoffbeschaffung, sodass die Geldmittel, die der Staat gegen Zinsen von ihnen bekam, zum Großteil als Unternehmergewinn wieder in ihre Hände gelangte usw.“ (Arbeiter-Zeitung, 11.4.1916, S.1).
„Die Gewinnsteigerung der Creditanstalt betrug 1915 gegenüber dem Vorjahr beinahe 100 Prozent. Das Eigenkapital der sieben Großbanken stieg im Krieg um 691 Millionen Kronen, die Fremdkapitalien wuchsen auf 9,4 Milliarden, also 14mal so stark wie die eigenen.“ (Scheffer Egon, S. 315)

Die Vergrößerung der Gewinne erzielte man durch verstärke Ausbeutung. Die arbeitenden Menschen wurden in die Verelendung und zum Hungertod getrieben.
„Zur Verelendung von Lohnarbeitern führte, einerseits die Preisentwicklung und Reallohnverlusten, andererseits ab 1914 in form der Militarisierung der Arbeit, durch das am 25, Juli 1914 Inkrafttreten des „Kriegsleistungsgesetzes“. Das im Jahre 1917 erlassene Kriegswirtschaftsgesetz unterstellte praktisch die gesamte private Wirtschaft der Diktatur des Staates.“ (F. Tremmel S. 373). Damit wurde die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Jurisprudenz aufgehoben. Z. B., 1917/1918 mussten, in der österreichischen Reichshälfte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, 1,3 Millionen Arbeiter in 4.500 Betrieben allen Befehlen der militärischen Leitung Folge leisten. Sie unterstanden militärischer Disziplinar- und Strafgewalt. Ein Streikverbot wurde erlassen. Der freie Arbeitsvertrag wurde einfach beseitigt.“ (Adler Emanuel). Durch dieses Gesetz wurde das Recht des Arbeiters, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, gleich mit beseitigt, dass den wesentlichen Unterschied vom Lohnarbeiter gegenüber den Sklaven ausmacht. „Die Lebenshaltungskosten (berechnet nach dem durchschnittlichen Lebensmittelverbrauch (von Wiener Arbeiterfamilien im Jahre 1912) stiegen bis zum Oktober 1918 um 1200 bis 1600 Prozent. Demgegenüber waren die Löhne nur etwa das Doppelte angewachsen, so dass die Arbeiter gezwungen waren, durch Überstunden ihren kargen Lohn zu erhöhen.“ (F. Klenner, Bd. 1, S. 457). „Auch die zunehmende Geldentwertung führte nach 1916 immer mehr zu einem Rückgang des Realeinkommens. Aus diesem Grund verdiente ein Arbeiter zu Kriegsende real um 63 Prozent weniger als im Jahre 1914.“ (Hautmann/Kropf). Als die Arbeiter Karten bekamen, um ihre Ration an Lebensmittel zu erhalten, sanken sie auf das Niveau der Sklaven herab. Wenn man von Sklaverei spricht, ist auch der Arbeitseinsatz von Kriegsgefangenen in Erinnerung zu rufen.
Die Grundlage dafür, dass es für die Arbeiter – ob noch Lohnarbeiter oder schon Sklave – so weit kommen kann, liegt nicht nur am Krieg, sondern, dass er zum Arbeitsgegenstand für den Krieg degradiert und so auch behandelt wird. Wie heißt es bei Marx: „Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre Vergegenständlichung. … Die Verwirklichung der Arbeit erscheint so sehr als Entwirklichung, dass der Arbeiter bis zum Hungertod entwirklicht ist.“
Dass es damit nicht mehr so weit kommt, kann nur eine starke Arbeiterorganisation verhindern. Damit allerdings ist nicht die Sozialdemokratie gemeint.

Die österreichische Sozialdemokratie ging so wie die Deutsche bei Kriegsausbruch auf die Seite ihres kriegsführenden Bürgertums über. Auch die sozialdemokratischen Parteien Frankreichs, Englands, kapitulierten vor ihrem Bürgertum und stellten sich auf die Seite der „Vaterlandsverteidigung“, schreibt Eva Priester.
Dazu Antonio Gramsci: „Keine Regierungsmacht, die sich auf das Parlament stützt, kann die Kapitalisten (Unternehmer, Bankiers, Spekulanten, Großgrundbesitzer, hohe Beamte) dazu zwingen, auf ihre Gewinne zu verzichten … Keine parlamentarische Regierung hat die Macht, eine Produktionsordnung zu normalem Funktionieren zu bringen, die sich zersetzt hat.
In Deutschland stimmte die Mehrheit der Sozialdemokratischen Partei sogar für Kriegskredite. (Chronik 1917, Sibylle Reinhardt, S.33) „Friedrich Austerlitz verfasste als Chefredakteur einen symptomatischen Leitartikel über die Zustimmung der deutschen Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten, der im deutschen Reichstag behandelt wurde.“ (Hanno Wisiak). In der Arbeiter-Zeitung der österreichischen Sozialdemokratie ist daraufhin am 5. August 1914, ein Leitartikel mit der Überschrift „Der Tag der Deutschen Nation“ erschien. In ihm heißt es: Diesen Tag des 4. August werden wir nicht vergessen. Wie immer die eisernen Würfel fallen mögen – und mit der heißesten Inbrunst unseres Herzens hoffen wir, dass sie siegreich fallen werden für die heilige Sache des deutschen Volkes; das Bild, das heute der Deutsche Reichstag, die Vertretung der Nation, bot, wird sich unauslöschlich einprägen in das Bewusstsein der gesamten deutschen Menschheit, wird in der Geschichte als ein Tag der stolzesten und gewaltigsten Erhebung des deutschen Geistes verzeichnet werden … Nie hat eine Partei größer und erhebender gehandelt als die deutsche Sozialdemokratie.

„In Österreich war der Reichsrat seit dem 14. März ausgeschaltet. Es wurde eine Art Diktatur eingeführt. Die österreichische Sozialdemokratie war daher nicht gezwungen zum Kriegsausbruch Stellung zu nehmen, sie tat es in ihren Publikationen. Ihre Parole lautete: „Wir übernehmen keine Verantwortung“. (Hautmann/Kropf S117). „Und die Reichsgewerkschaftskommission rief ihre Mitglieder auf, alle Lohnbewegungen für die Dauer des Krieges einzustellen.“ (F. Klenner, S. 395). Der Weg zur Staatstreue wurde beschritten. Das heißt, als die österreichische Sozialdemokratie den Arbeitern einreden wollte, man müsse für den Krieg eintreten und ihn unterstützen, da das „Furchtbare“ nun einmal geschehen sei, hat sie als Arbeitervertretung die Arbeiter mit ihren Interessen und Bedürfnissen hintergangen. Die Arbeiter konnte man von nun an ohne richtige Gegenwehr über ihre physischen Grenzen hinaus ausbeuten.

„In Deutschland appellierten die Arbeitgeberverbände noch am 17. März 1917 für die Fortsetzung des Krieges bis zum Sieg. Das diente auch dem Hilfsdienstgesetz, das einen verstärkten Arbeitseinsatz erzwingen sollte.“ (Chronik 1917, Sibylle Reinhardt).

„1916/1917 führte der Krieg, durch den eintretenden Lebensmittelmangel, bei den arbeitenden Menschen zur Hungersnot. Um den Engpässen abzuhelfen, ist im April 1914 staatlicherseits nach und nach ein Kartensystem eingeführt worden, für Brot und Mehl, später für Zucker Milch, Kaffee, Fett, Kartoffeln usw. Die tägliche Kaloriensumme der über das Kartensystem den Schwerarbeitern zustehenden Mengen betrug 1917 durchschnittlich 1.730 und im Jahr 1918 nur mehr 1.300 Kalorien“, schreibt Hautmann.
„Die Ernährungswissenschaft hat festgestellt, dass ein Mensch bei vollkommener Ruhe, den ganzen Tag in Bett liegend, in 24 Stunden etwa 1500 Kalorien verbraucht“.
Eine andere Quelle gibt an, dass für Selbstversorger und Schwerarbeiter die Kopfquote bis April 1917 pro Tag 300-366g in Österreich, in Ungarn allerdings 400-500g betrug.
„Die nicht schwer arbeitende städtische Bevölkerung erhielt 200g, die ungarischen Normalverbraucher aber mindestens 210g – und diese wurden häufiger auch tatsächlich ausgegeben als in Österreich, wo oftmals nicht die gesamte Quote ausgegeben werden konnte.“ (Bruckner S.335).

„Die Männer, die nur halbwegs kriegstauglich erschienen, wurden in den Kriegsdienst eingezogen. Die frei werdenden Arbeitsplätze wurden bis auf wenigen Stellen in der unmittelbar kriegswichtigen Industrie in Deutschland so gut wie alle mit Frauen besetzt, die obendrein eher von schwacher Konstitution waren, da in den Lazaretten immer mehr Schwestern zur Pflege der Verwundeten gebraucht wurden“, kann man von einer „Chronik 1917“, Herausgeberin: Sibylle Reinhardt, über Frauen als Schwerarbeiter in Deutschland zusammenfassen. „Von den 1,3 Millionen Arbeiter in den „Kriegsleistungsbetrieben“ der österreichischen Reichshälfte waren 1917/18 363.000 Frauen“, gibt die Alfred Klahr Gesellschaft an. „In den Munitions- und Pulverfabriken von Hirtenberg, Wöllerstorf und Blumau bestand 1917/18 die Belegschaft zu 45 Prozent aus Frauen. Die Löhne betrugen oft nur die hälfte der Männerlöhne. Und um tagsüber ihre Kinder betreuen zu können, waren viele Frauen zur Nachtarbeit gezwungen.“ (Hautmann). „Daneben kamen auch Jugendliche, ältere Personen und Kriegsgefangene immer stärker zum Einsatz.“ (W. Weber, S. 583).

Mathias Brucker, schreibt in seiner Diplomarbeit über die Arbeitsbedingungen Mietzuhilfenahme von Adler:
„Als schwere Arbeit galt die Tätigkeit im Bergbau. Diese Berufsgruppen haben einen relativ hohen Energiebedarf. Acht bis zehn Stunden verbrachten die Arbeiter unter Tag und versorgten sich dabei mit Brot, Wurstwaren sowie Kaffee. Mit dem Krieg wurde auch für sie die Versorgung immer schwieriger. Die Bergbauunternehmen versuchten für die Beschäftigten durch Zufuhren, Tauschhandel und „Werkfassungen“ (Betriebsküchen) den täglichen Bedarf zu decken. Doch trotz dieser Maßnahmen gelang es nicht, die Bergbauarbeiter ausreichend zu versorgen, was auch bei ihnen zu Mangel- und Unterernährung führte. Infolge der Verschlechterung des Gesundheitszustandes gingen auch die Leistungen zurück. Auch die Konzentrationsfähigkeit litt durch die schlechte Ernährung, was mehr Unfälle zur Folge hatte. Kranke und Verletzte mussten oft Stunden auf ärztliche Versorgung warten, da viele Ärzte und Sanitäter an die Front beordert worden waren. (56) Nicht besser sahen die Zustände bei den Textilarbeiter/Innen aus. Mangelernährung war auch hier ein großes Problem, das unter anderem durch die niedrigen Löhne im Verhältnis zu den Preisen für Lebensmittel auf den Märken mit verursacht wurde.(57) Wie ernst sich die Lage darstellte, wird in einem Zitat aus dem Jahresbericht 1918 der Allgemeinen Arbeiterkranken- und Unterstützungskasse deutlich (58): „Der Gesundheitszustand der Mitglieder hat sich infolge der Unterernährung namhaft verschlechtert […] Das abgelaufene Jahr kann mit vollem Recht das Jahr der erhöhten Sterblichkeit und auffallend hohen Anzahl von Infektionskrankheiten, des beispiellosen Rückgangs der Geburten und verschlechterten Gesundheitszustandes der Mitglieder charakterisiert werden.“ (59) Speziell wurde hier auf die Tuberkulosefälle hingewiesen. Hinzu kamen auch viele Hungerkranke im Jahr 1918, deren Anzahl wohl um einiges höher war als die von den Ärzten festgestellte. Auch in den früheren Kriegsjahren sollen zahlreiche Erkrankungen aufgetreten sein. (60) Mit zunehmender Kriegsdauer verschlechterte sich auch die gesundheitliche Situation bei den Eisenbahnern und deren Familien. So wurden auch unter ihnen zunehmend mehr Erkrankungen verzeichnet: Für das letzte Kriegsjahr nahmen die Erkrankungen um hundert Prozent gegenüber dem Jahr 1913 zu, bei den Todesfällen um fünfzig Prozent.“ (61), (S. 17, S. 18).
 „Nach einer Statistik des Reichsamtes des Inneren starben 1917 in Deutschland etwa 260.000 Menschen unmittelbar an den Folgen der Mangelernährung. An der Not der Bevölkerung verdienten Schwarzhändler und Schieber. Die Preise für die seltenen Lebensmittel waren auf dem schwarzen Mark für die meisten Menschen unerschwinglich“, (Chronik 1917, Sibylle Reinhardt, S. 21).

„Hätte es den Schleichhandel nicht gegeben, wären noch viel mehr Menschen an Entkräftung zu Grunde gegangen, als das ohnehin schon der Fall war. Fakt ist, dass die Monarchie hungerte, und das zu einem guten Teil nicht aufgrund äußerlicher, unabänderlicher Umstände, sondern wegen der selbst auferlegten und selbst geschaffenen Höchstpreisproblematik.
Denn bei den wichtigsten Nahrungsmitteln, wie Fleisch, Fett, Milch Eier, hatte die Regierung Höchstpreise festgesetzt. Sobald für eine Ware ein Höchstpreis verlautbart war, verschwand sie vom Markte, um dann auf den dunklen Wegen des Schleichhandels um ein Mehrfaches des Höchstpreises abgesetzt zu werden“, schreibt Mathias Bruckner. (S.118). „Bis zu Frühjahr 1918 wiesen Preise eine Steigerung von 300 bis 1000 Prozent auf.“ (Hautmann/Kropf S.114)
„Die Bauern waren stinksauer, weil sie gezwungen wurden, ihre Erzeugnisse zu Spottpreisen abzugeben; genauso die Städter – vor allem jene nicht für den Krieg arbeitenden – welche besonders ab dem Herbst 1916 bitteren Hunger leiden mussten, und es 1918 gar zu einer Hungerkatastrophe kam.“ (Bruckner).
Zur Erhöhung der Ausbeutung ins Unendliche sind die Kriegsgefangenen nicht zu vergessen, die auch zu verschiedensten Arbeiten herangezogen wurden. Nach den Angaben der Historikerin und Ausstellungsmacherin Julia Walleczek-Fritz kann man diesbezüglich keine genauen Zahlen nennen. Die Spanne reicht von 1,2 bis 2,3 Millionen Gefangenen, die sich in k.u.k. Gewahrsam befanden.
Sie erzählte in einem Interview, dass sich ab der zweiten Jahreshälfte 1915 nur mehr 30 bis 40 Prozent der Kriegsgefangenen in den Lagern des k.u.k. Reiches befanden. „Die große Masse arbeitete in diversen Betrieben, in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft, im Bergbau, aber sie wurden auch im Etappenraum, bei der Armee im Felde und an der Front eingesetzt. Historisches Fotomaterial zeigt beispielsweise zaristische Soldaten, die im Winter als Trägerkolonne in Südtirol Richtung Ortlergipfel marschieren. Man kann sich gar nicht vorstellen, unter welchen verheerenden Bedingungen die Gefangenen dort arbeiten und leben mussten. Die Kriegsgefangenen wurden aber auch dazu verwendet, italienisches Beutematerial einzusammeln. Die Einsatzgebiete waren vielseitig und verheerend. … Die Gefangenen wurden in sogenannte stabile und mobile Arbeitspartien zusammengefasst und quer durch das Habsburgerreich verschoben. Österreich-Ungarn hat ein ausgeklügeltes und nicht einfach zu durchblickendes System dieses Arbeitszwanges geschaffen, das mit teils ungeheurem administrativen Aufwand verbunden war. Aber das ist keine Besonderheit im Vergleich zu anderen kriegsteilnehmenden Staaten. … Für die Kriegsgefangenen in österreichisch-ungarischem Gewahrsam war die Situation spätestens ab 1917 verheerend, viele sind an Unterernährung gestorben“.
Nach der Information von Mathias Bruckner lebten nach Abzug der Soldaten in Österreich 26 Millionen Menschen, davon 17 Millionen Nichtselbstversorger, von diesen wiederum 5 Millionen Schwerarbeiter; die übrigen 9 Millionen waren Selbstversorger, davon 6 Millionen Schwerarbeiter mit der damit Hand in Hand gehenden höheren Bezugsberechtigung.
„Die Arbeitszeit in den Kriegsjahren betrug in den militärischen Betrieben, in der Regel, 13 Stunden, und darüber hinaus. Die gesetzlichen Bestimmungen über Sonn- und Feiertagsruhe wurden eliminiert.“ (Hautmann / Klahr Gesellschaft).
Hautmann weiters: „In der Munitionsfabrik Hirtenberg und im Krupp-Metallwerk Berndorf haben Frauen bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet. Die Unfälle am Arbeitsplatz nahmen, durch Außerkraftsetzung einer Reihe von Schutzbestimmungen zu Beginn des Krieges und Einbeziehung einer großen Zahl ungelernter Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben, die mit dem Arbeitsablauf nicht vertraut waren, und die aus Lebensmittelmangel sowie steigender Arbeitsintensität resultierende physische und psychische Überlastung, beträchtlich zu.
Die tödlichen Unfälle wuchsen ab 1916 rapide an. Angemerkt sei die Explosionskatastrophe von 17. Juli 1917 in der Pulverfabrik Blumau-Großmittel mit über 100 Toten und vom 18. September 1918 in der Munitionsfabrik Wöllersdorf, bei der 382 Menschen starben.“
Wenn der Zeitzeuge Wsewolod Volin über das zaristische Russland 1917 schreibt, dass der Krieg einen entsetzlichen Preis kostete; „abgesehen von den Unsummen, die er verschlang, wurden Millionen von Menschen absolut nutzlos und ohne geringsten Effekt geopfert. Wieder hatte das Regime vor aller Augen seine Unfähigkeit, seine Fäulnis, seinen Bankrott bewiesen“, so galt das für ganz Europa zu dieser Zeit.
Denn wenn man nur die gefallenen Soldaten im gesamten ersten Weltkrieg zusammenfasst, starben fast neun Millionen, darunter über zwei Millionen aus Deutschland, fast 1,5 Millionen aus Österreich-Ungarn, über 1,8 Millionen aus Russland, annähernd 460.000 aus Italien. Frankreich hatte über 1,3 Millionen, Großbritannien rund 750.000 militärische Todesfälle zu beklagen. Hinzu kamen etwa 78.000 Tote aus den französischen und 180.000 Tote aus den britischen Kolonien. Die USA verloren nach ihrem Kriegseintritt im April 1917 rund 117.000 Mann in Europa.  HYPERLINK "http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/tod/" http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/tod/
Dazu kommen die getötete Zivilisten: Mittelmächte, insgesamt 3,4 Millionen, darunter Deutschland 700 000 (vor allem Hungertote im Winter 1916/17), Österreich-Ungarn 400.000, Osmanisches Reich 2,0 Millionen (vor allem verfolgte Armenier), Bulgarien 300.000 (darunter viele Verfolgte)
Entente, insgesamt 2,55 Millionen, darunter Frankreich 600 000, Großbritannien 600.000, Russland etwa 1 Mio. (vor allem Hunger und Krankheiten), Italien 700.000.
http://www.bild.de/politik/ausland/erster-weltkrieg/erster-weltkrieg-in-zahlen-34110242.bild.html
„In all den Ländern wurden Millionen Menschen getäuscht, verwirrt, begeistert und gezwungen, sich wie eine Viehherde zur Schlachtbank führen zu lassen“ (Volin).

Aus den ersten Weltkrieg können wir die Erkenntnis ziehen:
Wenn Großbetriebe immer mehr die Kleinbetriebe verdrängen, – 1911 gab es 736 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von 3.894,2 Millionen (Eva Priester) – und der immer stärker werdende Kapitalexport zu immer schärferen Konflikten zwischen den einzelnen Staaten führt, so wie vor dem Ersten Weltkrieg, dass zur Aufrüstung und zur Vorbereitung militärischer Auseinandersetzungen, das Rüstungsbudget wie vor 1914 in allen Staaten erhöhte, so können das Anzeichen von zukünftigen drohenden Kriegen sein. Wenn der Lohnarbeiter etwas daraus lernt, so muss es in erster Linie ein Anliegen der arbeitenden Menschen sein, Kriege zu verhindern. Sie können dabei nur verlieren. Darum haben wir zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg eine Broschüre über den „Weltkrieg“ von Eva Priester herausgegeben. Dieser Broschüre beinhaltet nur einen kleinen Teil aus ihrem Buch, „Kurze Geschichte Österreichs“, Teil zwei, erschienen 1949, indem sie mit der Methode des Historischen Materialismus einen guten Einblick in diese Zeit vermittelt. Zu dieser Methode gehören die Untersuchung von Bewusstsein und Arbeit, Arbeit und Produktivkraft, Produktivkraft und gesellschaftliche Beziehungen, Widerspruch von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, Produktionsverhältnisse und Ideologien, Ideologien und Überwindung dieses Widerspruchs usw. (Leo Kofler).

Begriffserklärung:
Unter Lohnarbeiter wird der Begriff aus der Industriesoziologie verwendet: „Die Lohnarbeiter sind „frei“ in dem doppelten Sinne, dass sie einerseits ungehindert von frühen Zwängen (wie z, B. Leibeigenschaft, Schollenzwang) über ihre Arbeitskraft als freie Personen verfügen können, und andererseits nichts anderes besitzen, was sie verkaufen könnten als eben ihre Arbeitskraft; frei sind also von allen zur Produktion nötigen Mitteln. Damit sind sie gezwungen, den Geldbesitzern ihre Arbeitskraft anzubieten. So wird das Geldkapital durch seine Verwandlung in Produktionsmittel und deren Kombination mit lebendiger Arbeitskraft zum Kapital im eigentlichen Sinne.“ (Günther Wachtler; „Lohnarbeit im industriellen Kapitalismus; S.27).

  • Verwendete Literatur:
  • Adler Emanuel, „Das Arbeitsrecht im Kriege“, in: Ferdinand Hanusch Emanuel Adler, „Die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Kriege.“ Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges: Österreichische und ungarische Serie. Wien 1927, S. 19-170.
  • Arbeiterzeitung, vom 5. August 1914, Leitartikel.
  • Vgl. Breitenstern Max / Koropatnicki Demeter Demeter, „Die Kriegsgesetze Österreichs, & Bände“, Wien 1916-1921.
  • Brucker Mathias, Diplomarbeit, „Die Kriegswirtschaft Österreich-Ungarns im Ersten
  • Weltkrieg. Rüstungsproduktion, Mannschafts- und Offiziersersatz,
  • Transportsystem, Ernährungs- und Finanzwirtschaft sowie Kriegssozialismus“. S.17, S.18,
  • Pragenau, Ottokar: Landwehr S. 26 Landwehr von „Hunger. Die Erschöpfungsjahre der Mittelmächte“, Amalthea-Verlag, Wien 1931
  • 56 Vgl. Adler Emanuel(Hrsg.), Die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Kriege, S 212-220.
  • 57 Vgl. Adler Emanuel, (Hrsg.), Die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Kriege, S 291-294.
  • 58 Vgl. Adler Emanuel, (Hrsg.), Die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Kriege, S 291-296.
  • 59 Adler Emanuel, (Hrsg.), Die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Kriege, S 294.
  • Gramsci Antonio, “Il Soviet „Formiamo i Soviet?“, 21. September 1919. Il Soviet, 1. Januar 1920. Siehe auch: Christine Buci-Glucksmann „Gramsci und der Staat“ S. 131.
  • Hautmann Hans zum Jännerstreik 1918 Alfred Klar Gesellschaft am 17. Jänner 1998 in Wiener Neustadt. Die ökonomische, soziale und politische Lage der österreichischen Industriearbeiter im Ersten Weltkrieg,
  • Hautmann Hans: „Die Wiener Großbanken im Gefüge der österreichischen Imperialismus–Momentaufnahme 1913, Ausklang: Vom „Geldverdienen“ der Wiener Großbanken im Krieg S. 7. Alfred Klahr Gesellschaft 20. Jg./Nr. 4 Dezember 2013
  • Hautmann Hans, Kropf Rudolf, „Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945“, „Sozialökonomische Ursprünge ihrer Ideologie und Politik“, Europaverlag. Schriftenreihe des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung Nr. 4.
  • Klenner F, „Die österreichischen Gewerkschaften“ (1951), Bd. 1, S. 457)
  • Kofler, Leo, Perspektiven des revolutionären Humanismus. 1968, S. 83
  • Löwenfeld–Russ: „Die Regeln der Volksernährung im Kriege, S.62, S. 124. Loewenfeld-Russ, Hans: „Die Regelung der Volksernährung im Kriege“, Hölder-Pichler-
  • Tempsky, Wien 1926
  • Marx, Karl, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW Ergänzungsband I, S. 512.
  • Priester Eva, „Kurze Geschichte Österreichs“ Globus-Verlag Wien, 1949, Anhang.
  • Reinhardt Sibylle, „Chronik 1917“. Tag für Tag in Wort und Bild, Chronik Verlag, in der Harenberg Kommunikation- Verlags- und Mediengesellschaft mbH&Co. KG Dortmund 1986 S.103, S. 54,
  • Hr., Reinhart Sibylle, Chronik 1917, Tag für Tag in Wort und Bild, 5., überarbeitete Auflage 1992, Redaktion,Reuter Ingrid, (Text) Norbert Fischer, Schürmann-Baetzel Traute (Bild), Chronik Verlag, in der Harenberger Kommunikation Verlags- und Mediengesellschaft, Dortmund 1986, S.54, S.103.
  • Rossfeld Roman und Straumann Tobias (Hrsg.): «Der vergessene Wirtschaftskrieg. Schweizer Unternehmen im Ersten Weltkrieg». Chronos Verlag. Zürich 2008. 548 Seiten. 68 Franken.
  • Scheffer Egon: „Das Bankwesen in Österreich. Entstehung, Entwicklung, Bedeutung für Wirtschaft und Geist.“ Wien: Burgverlag 1924 (Deutsch-österreichische Bücherei. 4.), 408 S. & 1 Tabelle.
  • Der Siegeszug des Leihkapitals. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung des Bankwesens für Wirtschaft und Geist, dargestellt am Schicksale Österreichs. (4.–6. Tausend vom Bankwesen in Österreich.) Wien: Burgverlag 1924, 408S.
  • Walleczek-Fritz, Julia, Historikerin und Ausstellungsmacherin. Ihre Forschungsschwerpunkte in Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg sind die Kriegsgefangenenproblematik in Österreich-Ungarn, die Südwestfront / Krieg im Gebirge und Krieg und Kulturtourismus. (Privatbesitz) Julia Walleczek-Fritz, „Der Mythos von der besseren Gefangenschaft“,
  •   HYPERLINK "http://science.orf.at/stories/1727488/" http://science.orf.at/stories/1727488/
  • Volin, Wswolod, „Die unbekannte Revolution“, Verlag Associatioin GmbH, 1. Auflage: Oktober 2013, Originalausgabe bei Pierre Belfond, Paris: „Volin, La Revolution Inconnue.“
  • Weber W., „Die sozialpolitische und sozialrechtliche Entwicklung in Österreich 1848 – 1948“, S. 583
  • Wisiak Hanno, Freitag 14. O8 2009 08:40 Uhr, Geschichte  HYPERLINK "http://www.secarts.org/journal/index.php?show=article&id=915" http://www.secarts.org/journal/index.php?show=article&id=915
  •  HYPERLINK "http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/tod/" http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/kriegsverlauf/tod/
  • http://www.bild.de/politik/ausland/erster-weltkrieg/erster-weltkrieg-in-zahlen-34110242.bild.html

Veröffentlicht: 2. Juni 2014