Meinung | Kanzler Kern, die KPÖ und die Glaubwürdigkeit

Eine Einschätzung von Franz Stephan Parteder

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Diese Wahl wird für uns nicht leicht werden. Aber es gibt Hoffnung über den 15. Oktober hinaus, meint Franz Stephan Parteder.

I.

Wie verantwortungslos die Gruppe um Christian Kern in der SPÖ agiert, sieht man an folgenden Meldungen: Die Sozialmärkte in Graz melden am 3. Oktober, dass sich die Zahl der armen Menschen, die dort einkaufen müssen, um 20 Prozent erhöht hat. In den Medien wird die Lohnforderung der Metaller von vier Prozent als große Gefährdung für die Wirtschaft bezeichnet.

Und gleichzeitig fliegt die enge Verflechtung des SPÖ-Spitzenteams mit unsauberen Geschäftemachern auf. Der Verdacht erhärtet sich, dass die schmutzigen Wahlkampfteams auch den Zweck hatten, das Geschäftsmodell von Gusenbauer, Benko, Schlaff oder Haselsteiner über die Runden zu bringen.

Nach außen redet man von sozialer Gerechtigkeit. Im inneren Kreis sucht man nach hochprofitablen Anlagemöglichkeiten. Da macht es – um nur ein Beispiel zu nennen – nichts aus, dass die Ehefrau des Kanzlers eine Firma betreibt, die eine Software für die Überwachung von Kunden der E-Wirtschaft über intelligente Stromzähler entwickelt hat.

Das alles geht auf keine Kuhhaut. Und es ist jetzt aufgeflogen, aber nur, weil diese Leute zusätzlich zu ihren „normalen“ Geschäften auch mit üblen Tricks im Wahlkampf mitmischen wollten.

Jetzt will sich die Gruppe um Kern damit herausreden, dass die Leute ganz andere Sorgen haben als Internetauftritte unter falscher Flagge.
Das stimmt: Die große Mehrzahl der Menschen hat Probleme: Vom Wohnen bis zur Sorge um den Arbeitsplatz. Die Gruppe um Kanzler Kern ist aber nicht in der Lage, auch nur eines dieser Probleme zu beheben. Wer Anteile an international agierenden Firmen besitzt oder im Aufsichtsrat eines Immobilienriese sitzt, der hat kein Interesse daran, die Ursachen dieser Probleme aus der Welt zu schaffen. Ernest Kaltenegger betont deshalb: „Ich finde, es gibt aber auch einen Sachzwang zur Glaubwürdigkeit. Wenn ich jetzt vor der Wahl sage, ich bin gegen Privatisierung, und nach der Wahl Privatisierungen zustimme, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen nicht mehr zur Wahl gehen.“

Man darf sich nicht darüber wundern, dass die klassischen Parteien des Kapitals jetzt zulegen. Ich wundere mich auch nicht darüber, dass es in Österreich bisher noch keine starke Reaktion von links auf die Versumpfung der aktuellen SPÖ-Spitze gibt.

Wenn jemand über Jahrzehnte hinaus in Österreich einem „dirty campaigning“ ausgesetzt war, dann war dies die gesellschaftliche Linke – und im Speziellen die KPÖ. Man merkt das auch in diesem Wahlkampf. Fast jede Diskussion im Internet endet bei Nordkorea oder bei Stalins Verbrechen. Und ich bin überzeugt davon, dass die SPÖ-Wahlkämpfer in ihrer Verzweiflung auch jetzt zu diesem Mittel greifen. Sie hoffen, dass Menschen, die sonst KPÖplus ankreuzen würden, noch einmal – ein letztes Mal – SPÖ wählen, um Schlimmeres zu verhindern.

Was Gusenbauer und Kern aufführen, das ist aber schon schlimm genug.

 

II.

Trotzdem wird diese Wahl für uns nicht leicht werden. Das muss uns klar sein. Aber es gibt Hoffnung über den 15. Oktober hinaus.

Das ist einmal die Glaubwürdigkeit der Mandatarinnen und Mandatare der KPÖ.

Beispiel Graz: Mit Ernest Kaltenegger, Wilfriede Monogioudis, Elke Kahr und Robert Krotzer sind wir seit fast 20 Jahren in der Grazer Stadtregierung vertreten, ohne einen einzigen Skandal. Die KPÖ hat in Wahlkämpfen nie versprochen, was nicht zu halten war. Und man hat sich nicht angreifbar gemacht. Wer all die Jahre dabei war weiß, dass man jeden Tag aufpassen muss. Nur ein Beispiel: Wenn ein stadtbekannter Immobilienentwickler das Angebot macht, eine namhafte Summe völlig uneigennützig für soziale Zwecke zu spenden, dann muss man das ablehnen.

Beispiel Junge Grüne: Ich muss gestehen, dass ich anfangs große Vorbehalte gegenüber der Kandidatur von Flora Petrik und anderer auf unserer Liste hatte. In der Zusammenarbeit mit ihnen habe ich aber herausgefunden, dass es dieser Gruppe nicht nur um einen Wahlkampf sondern um die grundlegende Umgestaltung der Gesellschaftsordnung in Richtung Sozialismus geht. Es war in Wirklichkeit für sie auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, mit den Parlamentsgrünen zu brechen und die Zusammenarbeit mit der KPÖ zu suchen. Dort winkt kein leicht errungener Sitz im Nationalrat, sondern harte Arbeit ohne große finanzielle Unterstützung.

Glaubwürdigkeit kann man wählen. Das war eine der Losungen von Elke Kahr im Gemeinderatswahlkampf. Glaubwürdigkeit kann man wählen: Auch am 15. Oktober. Wie viele Menschen dieses Angebot aber annehmen werden, das ist aber eine große Frage.

Veröffentlicht: 5. Oktober 2017