Doppik: Gefähriche Entwicklung

Kommunen sind keine Konzerne

Doppik: Gefährliche Entwicklung

In der Steiermark wir die „Doppelte Buchführung in Konten“, kurz Doppik, nun auch auf Gemeindeebene umgesetzt. Warum die KPÖ damit keine Freude hat, erläutert Jakob Matscheko.

 

Die Einführung der Doppik auf kommunaler Ebene wurde mit vielen Schlagworten vermarktet. Eines davon ist die verbesserte Transparenz der Gemeindekassen.

Das ist ein Propagandaschmäh. Die Doppik ist eine Form der Buchführung, wie sie bei Konzernen angewendet wird. Es geht um die Abbildung von Abschreibungen, um Erfolgs- und Finanzplanung, um die Erstellung einer Bilanz. Die Gemeinden sollen also bilanzierungstechnisch mit der Privatwirtschaft gleichgestellt werden. Um Transparenz geht es dabei am allerwenigsten. Es geht um die Umsetzung eines neoliberalen Dogmas, nämlich Gemeinden als Unternehmen zu führen. In Deutschland wurde seinerzeit die Wortschöpfung „Konzern Kommune“ in den Medien lanciert. Da sieht man wenigstens, worum es geht.

 

Das heißt es geht gar nicht um verbesserte Darstellung für die Bürgerinnen und Bürger?

Alles was die Doppik bei den Gemeindehaushalten darstellt, könnte man mit wenig Aufwand auch kammeralistisch abbilden. Das grundsätzliche Problem, dass Diskussionen über die Gemeindefinanzen im Gemeinderat mittlerweile nur mehr Spezialistendebatten darstellen, wird nicht gelöst. Dazu bräuchte es ganz anderer Herangehensweisen in der Budgeterstellung, etwa unter Einbeziehung der Bevölkerung. Derzeit werden ja in der Regel nicht einmal alle Fraktionen in die Budgeterstellung eingebunden, das macht meist die städtische Finanzverwaltung mit der Mehrheitsfraktion.

 

Befürworter argumentieren, die Doppik würde die Effizienz der Gemeinden erhöhen.

Die Doppik ändert gar nichts an den finanziellen Problemen der Gemeinden. Dazu muss man wissen, wie sich die Gemeinden finanzieren. Das sind im Wesentlichen drei Bereiche: Kommunalsteuer, Mittel aus dem Finanzausgleich sowie Gebühren und Abgaben. Auf die Kommunalsteuer und die Finanzausgleichsmittel hat die Kommune faktisch keinen Einfluss, weil sie von der wirtschaftlichen Entwicklung und dem allgemeinen Steueraufkommen abhängig sind. Die sogenannte „Effizienz“ erhöhen kann eine Gemeinde also nur durch ein Andrehen der Gebührenschraube, oder durch Kürzung von Leistungen, Personalabbau oder Privatisierungen. Wenn die Doppik also diese Dynamik fördern soll, muss man sie aus fortschrittlicher Sicht erst recht ablehnen!

 

Die KPÖ sagt, die Doppik ist ein neoliberales Instrument. Was ist damit gemeint?

In Deutschland hat die Einführung der Doppik den Druck auf weitere Privatisierungen erhöht. Das alte „Kostendeckungsprinzip“ der kommunalen Haushalte wurde in eine Gewinnorientierung umgewandelt. Darunter leiden vor allem auch die Beschäftigten der Gemeinden. Aber auch auf der Ebene der Haushaltsfinanzierung wird sich einiges umstellen: Die Banken werden die Kreditvergaben künftig an Bewertungen, sogenannten „Ratings“, knüpfen. Ob und zu welchen Konditionen eine Gemeinde dann noch Kredite bekommt, wird sich längerfristig stark ändern. Das wird vor allem ländliche Gebiete, die von Abwanderung ohnehin stark getroffen werden, noch härter treffen.

 

Was wird die Grundlage dieser Bewertungen sein?

Die Kommunen müssen zukünftig eine Bilanz erstellen. Wesentlicher Teil davon ist eine Bewertung des Gemeindevermögens, also der Immobilien, Straßen usw. Auf dieser Grundlage werden die Gemeinden letztlich bewertet. Je größer das Vermögen, je höher der Cash-Flow, desto besser das „Rating“. Das hat dann Einfluss beispielsweise auf die Kreditvergabe.

 

Die Eröffnungsbilanz ermöglicht also Tricksereien?

Das ist ein Problem. Hier wird man den Bürgermeistern sehr genau auf die Finger schauen müssen, wie die Bilanzen erstellt werden. Viel grundlegender ist aber die Frage, wie das Gemeindevermögen überhaupt zu bewerten ist. Wie lege ich einen Wert für ein bereits verbautes Kanalrohr fest? Und umgekehrt: was passiert, wenn eine Gemeinde nicht mehr zahlungsfähig ist? Bislang war eine Kommunalinsolvenz in Österreich – anders als in Deutschland, wo das gesetzlich ausdrücklich verboten ist – schlichtweg undenkbar. Die Doppik liefert die buchhalterische Grundlage für die Insolvenz eine Gemeinde. Das ist ein Paradigmenwechsel!

 

Was passiert bei einer Insolvenz einer Gemeinde?

Dazu gibt es bereits Studien. Die Österreichischen Gemeinden würden dann auf das unmittelbarste zusammengeschrumpft werden. Alles, was nicht unter die gesetzlich notwendigen Aufgaben fällt, wird wohl abgeholzt werden. Das geht von Personalabbau über die Schließung von Bibliotheken, Musikschulen und Museen oder auch Schwimmbädern bis hin zum Verkauf sämtlicher Immobilien. Und die Kreditgeber hätten rechtliche Ansprüche auf ihr eingesetztes Kapital, die jegliche demokratisch legitimierte Instanz – etwa den Gemeinderat – aushebeln würden. Und noch etwas muss man betonen: Die Möglichkeit der kommunalen Insolvenz bedeutet für die Banken ein bisher nicht vorhandenes Kreditausfallrisiko. Daher werden die Banken auf kurz oder lang einen entsprechenden Risikoaufschlag auf Gemeindekredite verlangen.

 

Warum macht man das dann? Wer profitiert von der Umstellung auf die Doppik?

Profitieren werden Banken, Beratungskanzleien, Controlling-Agenturen und ähnlich spezialisierte Berufsgruppen. Für die Bevölkerung wird sich unmittelbar wenig umstellen. Langfristig aber wird sich die Art und Weise, wie sich Kommunen finanzieren, drastisch ändern. Besonders jene Gemeinden, die jetzt schon finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, werden zuerst unter die Räder kommen.

 

Warum tragen die Gemeinden das dann mit? Warum hört man keinen Aufschrei?

Es ist noch etwas zu erwähnen: Die Gemeinden dürfen kommendes Jahr einmalig fünfzig Prozent des Vermögens in der Eröffnungsbilanz als Bewertungsreserve ausweisen. Auf diese rein buchhalterischen Zahlen hin kann man dann Kredite aufnehmen um die Bilanz zu sanieren. Das gibt für einige Jahre Luft und verlängert den Lebenskampf vieler Kommunen, deshalb hört man von den Bürgermeistern keine grundsätzliche Kritik.

 

Veröffentlicht: 18. Dezember 2019