Die arbeitenden Menschen brauchen eine politische Heimat

Elke Kahr: Rede am 1. Mai 2012

 

Elke Kahr

Alles, was die Arbeiterbewegung erkämpft hat, steht auf dem Spiel

Rede auf der Maikundgebung der steirischen KPÖ. 1. 5. 2012

 Der 1. Mai hat als Kampf- und Feiertag eine lange Tradition für die arbeitenden Menschen. Aber fast genauso lange ist auch eine andere Tradition: Immer wieder wurde gerade dieser Tag als Kampftag der arbeitenden Bevölkerung offen diffamiert, mit Verboten belegt und auch mit Polizeiknüppeln dagegen vorgegangen. 

Man wollte nicht, dass die Menschen für ihre Rechte auf die Straße gingen. Heute ist das in vielen Ländern noch genauso. Und bei uns arbeiten andere Kräfte mit viel subtileren Methoden.

Sie sagen: Der 1. Mai hat vielleicht einmal in ferner Vergangenheit eine besondere Bedeutung gehabt, heutzutage geht es den Leuten ja gut, sie sollen ruhig feiern, aber auf einer Demonstration für eine Abgeltung der Teuerung, für eine Arbeitszeitverkürzung einzutreten oder gegen die Belastungspakete aufzutreten, das wäre nur mehr altmodisch und rückwärtsgewandt. 

Bisher haben nur die Industriellenvereinigung oder die ÖVP bei uns so geredet, heuer haben wir leider in Graz ein konkretes Beispiel dafür, dass die Argumente der Herrschenden auch bei der SPÖ Gehör gefunden haben. Der Rückzug von Organisationen der Arbeiterbewegung in geschützte Räume ist genau das Gegenteil von modern und zukunftsweisend. 

Schon lange war es nicht mehr so notwendig wie jetzt, am 1. Mai auf die Straße zu gehen. Denn in Wirklichkeit steht alles, was die Arbeiterbewegung in den vergangenen Jahrzehnten erkämpft hat, auf dem Spiel. Die Mächtigen dieser Welt nützen die Krise aus, um den Sozialstaat zurückzudrängen und zu vernichten. Sie wollen das Sozialsystem nicht umbauen wie sie sagen, sie wollen den Sozialstaat nicht für das 21. Jahrhundert fit machen, wie sie behaupten. Sie wollen den Sozialstaat und die Sozialsysteme vernichten. 

Niemand anderer als der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi hat in einem Interview vom Ende des Sozialstaates gesprochen und eine europaweite Kürzung der Gehälter und Löhne sowie die Zerschlagung der noch in öffentlicher Hand befindlichen Infrastruktur angekündigt. Soziale Sicherheit sei ein in der Europäischen Union unerwünschtes „Auslaufmodell“. 

Kann der 1. Mai in der Europäischen Union nach solchen Ankündigungen ein Feiertag wie jeder andere sein? Natürlich nicht.  Wir geben mit unserer Demonstration heute die Antwort darauf.

 

Wir sagen:

 

Wer für  die soziale Sicherheit aller eintritt, wer für Löhne, Gehälter und Pensionen ist, von denen man leben kann, wer gegen die ständige Teuerung ist, wer gegen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums, Entdemokratisierung und Sozialabbau ist, der muss für seine Rechte eintreten und kämpfen – sonst werden sie ihm weggenommen.

 

 

 

Der heutige Kapitalismus ist nicht mehr in der Lage, seine Widersprüche verschwinden zu lassen. Seine Kennzeichen sind Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse, er bringt auf der einen Seite riesigen Reichtum für eine kleine Minderheit und eine noch nie dagewesene Machtkonzentration hervor. 

Auf der anderen Seite vernichtet er tausende Arbeitsplätze und Lebenschancen für die große Mehrheit der Menschen, er fördert Umweltzerstörung und er setzt seine Herrschaft immer öfter auch mit Gewalt und mit Militär durch.

 

Mitten in der Krise werden Milliardenprofite gemacht, Weltweit gibt es Billionen von öffentlichen Steuermitteln zur Unterstützung des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus. Das ist eine gigantische Geldumverteilung von unten nach oben. Banken werden gerettet, die Rüstungsindustrie wird fit für neue Kriege gemacht. Das geht auf Kosten der Menschen. In Europa geht es den Sozialsystemen an den Kragen, aber ganz oben wird gefeiert, als ob es kein Morgen geben würde. Luxus ist in Mode, während bei sozialen Maßnahmen gekürzt wird.

 

Nein zum Fiskalpakt - Volksabstimmung

 

Das ist kein Zufall. Das hat Methode.

Die EU ist in Europa das Instrument, mit dem das alles durchgesetzt werden soll. Mit dem harmlos klingenden Namen Fiskalpakt soll ohne Volksabstimmung eine Bedrohung für die Demokratie und die sozialen Errungenschaften in Österreich in die Verfassung aufgenommen werden. Das würde bedeuten, dass Sozialpolitik  in Zukunft nur im Rahmen der Vorgaben der EU möglich wäre. Wohin diese Politik führt, sehen wir in Griechenland, Spanien, Italien oder Portugal.

Und auch die Belastungspakete von Bund und Land sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen und zu verstehen.  Deshalb fordern wir auch eine Volksabstimmung über den Fiskalpakt und rufen zur österreichweiten Demonstration am 11. Mai in Wien auf.

 

Und genau deshalb lehnen wir auch die Kürzungspolitik von SPÖ und ÖVP in Bund und Land ab. Wir sind solidarisch mit den vielen tausenden Menschen, die in den letzten Monaten und Wochen dagegen protestiert haben, sei es im Rahmen der Plattform 25, sei es bei den Aktionen gegen die Schulschließungen, oder gegen die Zerschlagung des Spitalswesens. 

 

Das gemeinsame Muster der Politik ist dabei klar zu sehen: Drüberfahren, Belastungen ohne Diskussion durchziehen, protestierende Menschen verhöhnen und sich dafür von den Medien auch noch feiern lassen.

Aber die Leute haben ein feines Gespür dafür, dass ganz Oben weiter geprasst wird, während sie den Gürtel enger schnallen müssen.

 

Korruption

 

Korruption gehört ganz oben – in der Politik und bei den großen Firmen - zum Alltag. Bei der Privatisierung von öffentlichem Eigentum haben die Günstlinge mitgeschnitten und Millionenprovisionen kassiert. Grasser hat als amtierender Finanzminister 500. 000 Euro in bar über die Grenze verschoben, für nichts und wieder nichts hat es hunderttausende Euro an  Scheinhonoraren gegeben, wenn man bei der richtigen Partie mit dabei war.

Die KPÖ hat immer gesagt - Privatisierung ist Diebstahl am öffentlichen Eigentum. Das hat sich in Österreich mittlerweile hundertemal bewahrheitet. Bei uns  braucht sich niemand mehr über sogenannte Balkansitten oder Bananenrepubliken aufzuregen. Österreich steht – was die Korruption angeht – in vielen Bereichen um nichts besser da.

Während das tägliche Leben für die Masse der Menschen immer schwieriger wird, boomen die Luxusartikel und Luxusmessen für die oberen Zehntausend.

 

Im Gegenzug kommen immer mehr Menschen zu uns, weil sie sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können. Und das betrifft nicht nur Menschen, die schon länger am Rande gestanden sind, wir sehen immer öfters, dass gerade die sogenannte Mittelschicht immer größere Probleme bekommt. Mehr als 60 Prozent der Menschen kommen mit ihrem Einkommen nicht mehr aus, diese alarmierenden Zahlen hat die Arbeiterkammer erst vor wenigen Tagen bestätigt.

 

Das tägliche Leben muss leistbar sein

 

Nicht nur der tägliche Einkauf wird Jahr für Jahr teurer, auch Gebühren und Tarife steigen ständig. Das ist keine zufällige Entwicklung, sondern die Folge von ganz konkreten politischen Fehlentscheidungen. Zuletzt hat der Gemeinderat von Graz eine Teuerungsautomatik für Kanalgebühren, Müllabfuhr und Wasser durchgesetzt. Ständige Erhöhungen beim öffentlichen Verkehr, bei den Benzinpreisen, beim Strom und Heizen  und im Gesundheitsbereich, belasten tausende von Haushalte in unserem Land. 

 

Lohnabschlüsse und Pensionserhöhungen bleiben aber hinter der Inflation zurück. Damit muss Schluss sein: Wir sagen: Das tägliche Leben muss wieder leistbar werden!

 

Deshalb fordern wir auch einen Gebührenstopp bei der öffentlichen Grundversorgung und eine amtliche Preisregelung bei allen Gütern des täglichen Bedarfs.

 

Um diese Forderung zu unterstreichen, haben wir eine Unterschriftenaktion gestartet. Je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto stärker wird auch der Druck auf die zuständigen Politiker und Manager sein.

 

 

Druck von unten bringt positive Ergebnisse. Das sieht man in Graz. Weil sich die Bevölkerung bei der Volksbefragung gegen den Verkauf der Gemeindewohnungen ausgesprochen hat, haben wir diese Privatisierung bisher verhindern können. Alle anderen städtischen Immobilien wurden  bereits verkauft, gegen die Stimmen der KPÖ.   Nur eine starke KPÖ im Grazer Rathaus ist auch weiterhin eine Garantin dafür, dass eine solche Entwicklung auf Widerstand stoßen wird.

 

Wohnen in Graz

 

KPÖ und Wohnen: das gehört in Graz zusammen. Und das ist etwas, auf das wir   stolz sein können. Wir haben erreicht, dass unter äußerst schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen erstmals wieder 500 neue Gemeindewohnungen gebaut werden.

Unsere Forderung nach einem Kautionsfond haben wir auch ohne Unterstützung von Schwarz-Grün seit letztem Jahr umgesetzt und helfen damit vielen Wohnungssuchenden bei den Einstiegskosten.

Die gesetzlich erlaubten Mietenerhöhungen haben wir in den letzten Jahren nicht durchgeführt, das Nasszellenprogramm konnte letztes Jahr erfolgreich abgeschlossen werden und in mehr als 600 Wohnungen haben wir alleine letztes Jahr Fernwärme eingebaut. 

 

Warum weise ich am 1. Mai auf diese Erfolge hin? Es geht dabei nicht um Eigenlob, wir vergessen auch nicht, dass wir damit die großen Ungerechtigkeiten der Gesellschaft nicht aus der Welt schaffen können. Wir zeigen aber in Graz – wie auch in vielen Gemeinden und Betrieben in der Steiermark - dass wir keine Sprücheklopfer sind, sondern dass wir Verantwortung für die Menschen übernehmen. Wir helfen, wo wir können, und wir versuchen, auch unter schwierigen Bedingungen konkrete Verbesserungen durchzusetzen.

 

Diese Seite unserer Arbeit ist wichtig. Genauso wichtig ist unsere grundsätzliche Haltung.

 Wir finden uns mit dem Gang der Ereignisse nicht ab.

Deshalb fordern wir einen Sozialpass, deshalb wenden wir uns dagegen, dass – wie im Fall Reininghaus – die Stadt Graz als Rettungsmannschaft für gescheiterte Spekulanten ausrückt und 75 Millionen Euro in den Sand setzt, die woanders dringend fehlen.

 

Deshalb kritisieren wir den Raubbau an der Grazer Altstadt und treten gegen Immobilienspekulanten auf, deshalb fordern wir soziale und ökologische Alternativen, statt der sogenannten Umweltzonen oder dem Murkraftwerk in Graz, deshalb wenden wir uns gegen die Privilegien von Politikern und Managern, deshalb kämpfen wir gegen das Geschäft mit der Spielsucht, treten gegen die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern auf, deshalb fordern wir die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und treten für eine friedliche und solidarische Gesellschaft aller hier lebenden Menschen ein.

 

Wir wollen und werden uns mit dem Gang der Ereignisse nicht abfinden. Der Sozialabbau und die Belastungspakete auf allen Ebenen machen Alternativen zu diesem System notwendig. 

 

Gerade auch am 1. Mai muss man das offen aussprechen und zeigen, dass es diese Alternativen gibt. Deshalb sind wir auch dieses Jahr wieder auf die Straße gegangen. Wir wollen eine Gesellschaftsordnung, in der auf keinen Menschen vergessen wird. Der Kapitalismus und die Parteien die seine Knechte geworden sind bieten den Menschen aber keine Zukunft.

Überlassen wir unser Land nicht den Börsenspekulanten, Großkonzernen und diesen Politikern.

Wir werden uns den öffentlichen Raum nicht wegdiskutieren lassen und wir werden uns von Modernisierungsphrasen nicht täuschen lassen. Wir werden immer wieder kommen. Denn die Menschen brauchen eine politische Heimat die gerade auch den heutigen Tag, den 1. Mai, nicht aufgibt und vergisst.

 

Es lebe der 1. Mai!

Hoch die internationale Solidarität! 

 

 

Veröffentlicht: 10. Mai 2012