ATB: Das traurige Ende der Elektromotorenproduktion im Murtal

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Die Schließung der Produktion der ATB in Spielberg ist ein schwerer Schlag für die Beschäftigten. Der Verlust des Industriezweiges Elektroindustrie hat aber auch schwerwiegende Folgen für die Zukunft unserer Region.

 

Seit den 1970igern, mit der Schließung des Bergbaus in Fohnsdorf und der weltweiten Stahlkrise befindet sich unsere Region in einem ständigen Abwärtstrend. Viele Zusagen wie z.B. der Luftfahrtcluster bei der Beschaffung der Abfangjäger oder der Ansiedlung eines Motorenentwicklungszentrums bei der Revita-lisierung des Ö-Rings haben sich nicht bewahrheitet oder realisieren lassen.

Die industriellen Kernelemente in unserer Region sind im wesentlichen die Holz- und holzverarbeiten-de Industrie, die Stahlveredelung, Stahlverarbeitung, Maschinenbauindustrie, Zellstoff und Papierindustrie und rund um die ATB eine Elektroindustrie.

Die ATB hat eine bewegte Geschichte. Bis zur Bau-knechtpleite war das Werk im wesentlichen ein Zulie-ferbetrieb für das private deutsche Stammwerk. Nach der Rettung durch die Übernahme von Bund und Land Steiermark entwickelte die ATB eine eigene Motoren-herstellung mit eigenem Vertrieb.

Nach sechs Jahren wurde der Betrieb wieder priva-tisiert, von den Investoren wirtschaftlich an die Wand gefahren und wieder durch die öffentliche Hand auf-gefangen. Leider nur um dann wieder privatisiert zu werden.

Ursprünglich war das Werk mit rund 2.200 Be-schäftigten einer der größten Betriebe in unserer Re-gion mit vielen relativ gut bezahlten Frauenarbeits-plätzen. Jeder der zahlreichen privaten Investoren hat nach seinem Abgang einen kleineren Betrieb mit we-niger Beschäftigten hinterlassen.

Zuerst wurden öffentliche Förderungen kassiert, dann wurde der Betrieb ausgepresst, Forschung und Entwicklung vernachlässigt. Selten wurden neue In-vestitionen getätigt. Um den Profit zu maximieren wurden Lohnverzicht und der Verzicht auf bezahlte Pausen durchgesetzt und die Antreiberei verstärkt.

Wir sind der Meinung mit einer Übernahme durch die öffentliche Hand hätte sich auch jetzt eine Chan-ce für das Überleben der Elektroindustrie in unserer Region aufgetan. Bei einem Betrieb in öffentlichem Eigentum muss nicht zwingend die Gewinnerwar-tung an erster Stelle stehen. So kann in Ruhe, auch in Zusammenarbeit im Universitäten, die Entwicklung neuer Produkte und Technologien forciert werden um die Produktion auch längerfristig abzusichern.

Wir wollten Wege aufzeichnen wie die Elektromo-torenindustrie längerfristig eine Zukunft in unserer Region haben könnte und haben ein Konzept entwi-ckelt. In den Gemeinderäten von Spielberg, Judenburg und Knittelfeld haben wir den Antrag gestellt eine Ini-tiative für den Erhalt des „Standbeins Elektroindustrie“ ins Leben zu rufen an der die politischen VertreterInnen aller Parteien unserer Region mitarbeiten. Die Arbeit dieser Initiative sollte sich an folgenden Zielen und Maßnahmen orientieren:

Maßnahmen zur Erreichung der Ziele:

o Übernahme des Produktionsstandortes der ATB durch die öffentliche Hand.

o Marktforschung und Analyse im Bereich elektrischer Antriebssysteme.

o Erhaltung und Fortführung der derzeitigen Produktion von Elektromotoren bei ATB bis zur Serienreife neuer Produkte in diesem Segment.

o Schaffung eines von der öffentlichen Hand geführten Innovations- und Kompetenzzentrums für elektrische Antriebssysteme unter Einbezie-hung von entsprechenden Universitäten incl. Errichtung einer Außenstelle.

o Ansiedlung einer Fachhochschule für Elekt-romobilität und Antriebssysteme.

o Vernetzung aller in diesem Bereich tätigen Firmen mit dem Ziel Synergien zu nutzen.

o Einrichtung einer Ideenschmiede für alterna-tive Antriebsmöglichkeiteno Ausschreibung eines Ideenwettbewerbes für nachhaltige Produktionen in diesem Segment.

Forderungen zur Erreichung der Ziele:

o Die Bundesregierung wird aufgefordert mit den Besitzern von ATB in Verhandlungen zur Übernahme in das öffentliche Eigentum einzu-treten.

o Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Sonderfinanzierung der Region Murtal.

o Einrichtung eines Entwicklungs- und Innova-tionsfonds für das Murtal.

o Einrichtung eines Koordinationsbüros zur schrittweißen Planung und Umsetzung der Maßnahmen.

o Sonder-Wirtschaftsförderungen bedingen eine verpflichtende Beteilung der öffentlichen Hand um so ein Mitspracherecht zu gewährleisten.

In Spielberg und Judenburg wurde der Antrag mit den Stimmen von SPÖ und KPÖ beschlossen, in Knittelfeld mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt.

Die Beschlussfassung des Antrags durch den Spiel-berger und Judenburger Gemeinderat hätte ein erster Schritt sein können. Ein Schulterschluss aller politi-schen Kräfte unserer Region wäre nötig gewesen um aktiv für die Inhalte des Antrags zu werben und den Antrag damit mit Leben zu erfüllen. Das ist leider nicht geschehen.

In der Zwischenzeit wurden durch die Demontierung und den Abtransport der Maschinen Fakten geschaffen. Der Abbau der Maschinen hätte mit allen Mitteln - auch mit Blockaden und einem Streik - verhindert werden müssen.

Der Betriebsrat der ATB hat sich die Rettung durch ein günstiges Urteil des Insolvenzgerichts und einen neuen Investor erhofft. Nach den vielen schlechten Erfahrungen hätte man wissen müssen dass private Investoren keine Wohltäter sind. Ein Betrieb wird nicht erworben um Arbeitsplätze zu retten sondern um Profit zu machen. Das eingesetzte Kapital muss eine möglichst hohe Rendite bringen. Das ist das Gesetz des Kapitalismus.

Das Gericht hat gegen den Betriebsrat entschieden und den Verkauf der Maschinen genehmigt. Mit dem Abtransport der Maschinen wurde das Schick-sal der ATB besiegelt. Unserer Region verliert damit das wichtige Standbein der Elektroindustrie und 360 Menschen sind arbeitslos. Unserer Meinung nach wäre diese Entwicklung nicht alternativlos gewesen. Natürlich gibt es keine Garantie, dass unser Konzept aufgegangen wäre, aber es nicht einmal zu versuchen ist ein Schaden für unsere ganze Region.

Nachtrag

Oft wird eine Beteiligung der öffentlichen Hand ab-gelehnt und verpönt. Dabei ist das eine Chance zur Sicherung der Industrieproduktion in Europa. Nicht umsonst ist z.B. das Land Niedersachsen Miteigen-tümer bei VW oder Frankreich und Deutschland bei Airbus.

 

Veröffentlicht: 20. Oktober 2020