30 Antworten auf 30 Fragen

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Es war ein unüblicher Schritt. Bei der letzten Gesprächsrunde zwischen KPÖ und ÖVP im Grazer Rathaus legte zweitere einen 30-Fragen-Katalog vor. Von vielen wird das als Manöver interpretiert, das es der Volkspartei ermöglichen soll, nicht ernsthaft in konkrete Verhandlungen gehen zu müssen.

Sehr geehrter Herr Stadtrat Hohensinner,
lieber Kurt,

wie auch allen BürgerInnen der Stadt beantworten wir Ihnen die Fragen, die Sie uns gestellt haben. Ausdrücklich möchten wir jedoch festhalten, dass der Wahlkampf zu Ende ist und Unterton, Unterstellungen und Untergriffe, die in manchen Fragen mitschwingen, irritieren.

Wir sind – wie in der Vergangenheit auch – in vielen Punkten unsere Stadt betreffend einer Meinung und das wird sich wohl auch in der Zukunft in den Abstimmungsergebnissen im Gemeinderat widerspiegeln. Dass diese 30 Fragen „einer Kooperation von KPÖ und ÖVP im Weg“ stehen würden, wie eine Zeitung online getitelt hat, sehen wir nicht, auch wenn KPÖ und ÖVP in manchen Bereichen durchaus unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Die KPÖ hat vor der Gemeinderatswahl ihr Programm nicht verheimlicht und tut dies auch nach der Wahl nicht. Die KPÖ ist eine kommunistische Partei und Teil der ArbeiterInnenbewegung, die versucht, auf ihre Weise die Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Wir sind weit entfernt von Theorie und Praxis der damals regierenden Parteien in Ost- und Südosteuropa und versuchen als KPÖ Graz, seit über 30 Jahren unseren eigenen Weg zu gehen. Dabei sind die Abkehr von autoritären Methoden und das unbedingte Festhalten an der Demokratie zentrale Punkte.

Wir hoffen, dass wir zu einer Verständigung kommen und Sie es nicht nötig haben, Fragen der Geschichte oder der Weltanschauung vorzuschieben, um eine Kooperation aus parteitaktischem Kalkül zu verunmöglichen. Die Zusammenarbeit zwischen ÖVP und KPÖ in den Jahren 2015–17 hat ja bewiesen, dass wir in vielen Punkten, in denen es um die ganz konkrete Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in Graz geht, zusammenfinden können. Auch damals hat es für Sie keine Rolle gespielt, dass die Kommunistische Partei kommunistisch ist.

  1. Als KommunistInnen sind wir InternationalistInnen. Frieden und Völkerverständigung sind seit der Gründung der KPÖ vor über 100 Jahren ebenso Mittelpunkt unserer Bewegung wie das Ringen um sozialen Fortschritt und Wohlstand für alle Menschen, die hier leben. Die derzeitige neoliberale Ausrichtung der EU steht diesen Ansinnen jedoch entgegen. Wir werden es uns nicht nehmen lassen zu kritisieren, dass der Brüsseler Apparat von Lobbyismus geprägt ist, dass das Frontex-Grenz-Regime tausende Menschenleben fordert, dass der Zwang zur Austerität Millionen EuropäerInnen in Armut stürzt, dass der Brain Drain und die innereuropäische Care-Chain viele periphere EU-Staaten seiner Fachkräfte beraubt, um sie hierzulande als billige Arbeitskräfte einzusetzen, oder dass Militarisierung und Aufrüstung quasi in Verfassungsrang gehoben werden sollen.
  2. Wir wiederholen: Das Existenzrecht Israels ist für die KPÖ unantastbar. Ein Boykott israelischer Waren, wie von der BDS-Kampagne gefordert, erinnert vor dem Hintergrund der deutsch-österreichischen Geschichte an die widerwärtige „Kauf nicht beim Juden“-Propaganda der Nazis und wird von der KPÖ als konsequent antifaschistische Partei, die tausende ihrer Mitglieder im aktiven Kampf gegen die NS-Barbarei verloren hat, zutiefst abgelehnt. Das alles ist und war immer klar.
    Zu „Irritationen“ ist es gekommen, weil Bürgermeister Nagl und sein deutschnationaler Stellvertreter eine getrennte Abstimmung in einem Dringlichkeitsantrag unterbunden hat. Klubobmann Manfred Eber hat damals unmissverständlich festgehalten:
    „Graz hat aus der NS-Zeit den entsetzlichen Titel „Stadt der Volkserhebung“ geerbt. Antisemitische „Einzelfälle“ häufen sich, über 500 Übergriffe pro Jahr auf Juden wurden 2018 bekannt. Die Burschenschaft Cheruskia mit ihrem widerlichen Liederbuch ist nur 400 Meter vom Grazer Rathaus entfernt. In diesem Klima beschließt die Stadt Graz eine Erklärung gegen Antisemitismus. Das ist gut. Untragbar ist aber, dass sich die Erklärung auf eine in Graz völlig irrelevante Splittergruppe beschränkt. All die verschwörungstheoretischen, deutschnationalen und burschenschaftlichen Antisemiten lässt sie völlig außer Acht. Für uns als KPÖ ist das heuchlerisch und inakzeptabel. Unsere Änderungsvorschläge wurden von den anderen Parteien niedergestimmt. Dennoch wollten wir einzelnen Punkten zustimmen. Das wurde uns vom Bürgermeister verwehrt und alles en bloc zur Abstimmung gebracht. Die Erklärung als Ganzes geht in die falsche Richtung. Wie sehr, beweist die FPÖ-Zeitung, die am Tag darauf erschien. Sie titelte mit dem Slogan „Niemals wieder“ – meinte aber nicht Auschwitz, sondern Spielfeld 2015.“
  3. Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf Graz sind zentralste Momente, auf die die Stadtpolitik in den kommenden Jahren reagieren muss. Hierzu braucht es eine Vielzahl an konsequenten und nachhaltigen Maßnahmen. Was die KPÖ ablehnt, sind Shows und Ablenkmanöver, die ein Handeln suggerieren, aber in Wahrheit Untätigkeit übertünchen sollen. Statt Sprenkel-Anlagen wie am Tummelplatz inkl. verschwendeter Marketing-Gelder brauchen wir mehr Grünraum, Verpflichtung von Bauträgern für Freiflächen zu sorgen, Entsiegelung statt Zubetonieren, einen umfassenden Umweltaktionsplan mit realisierbaren mittelfristigen Zielen bis 2025. Er muss Abfall, Boden, Energie und Klima, Luft, Lärm, Verkehr und Wasser umfassen, den Umstieg auf alternative Energieformen, z. B. durch Einsatz von Fotovoltaik (Sonnenenergie), die Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmimmissionen (z. B. durch Großveranstaltungen, Baulärm usw.) für mehr Wohnqualität und eine forcierte ökologische und öffentliche Abfallbewirtschaftung mit dem Schwerpunkt auf Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft
  4. Das haben wir immer getan und werden wir weiterhin tun.
  5. Die Steuer- und Abgabenhoheit liegt – wie Sie wissen – bei Land und Bund. Die KPÖ setzt sich für einen Umbau des Steuersystems ein, der das Geld bei denen holt, die es reichlich haben – den Millionären und Milliardären. In Österreich besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung 40 Prozent des Privatvermögens.
  6. Die Messe Graz ist ein großer Defizitposten im Budget der Stadt Graz. Die Postenvergabe in der Geschäftsführung inklusive üppiger Boni, die sie für das simple Erfüllen ihres Dienstverträge erhält, hat dem Ansehen der Messe Graz zutiefst geschadet.
    Dass Graz als Kongress-Standort und das Messegelände für Kultur- und Konzertveranstaltungen gedeihen muss, steht für die KPÖ außer Frage.
  7. Wie Sie wissen und wie wir bereits unter Punkt 5 angeführt haben, liegt die Steuerhoheit bei Land und Bund. Die Unterstellung, dass die KPÖ Grazer Traditionsunternehmen, die in Graz tausende Arbeitsplätze sichern, schaden wollte, weisen wir entschieden zurück. Wir werden uns aber mit allen möglichen Mitteln einer Entwicklung entgegenstellen, in der Online-Multis die Grazer Handelsbetriebe in Bedrängnis bringen und Immobilien-Konzerne skrupellos Grünraum verbauen und Mieten hochschrauben.
  8. Im Mittelpunkt bei der Wirtschaftsförderung stehen für die KPÖ vor allem Klein- und Kleinstunternehmen, die unter dem Druck des globalisierten Kapitalismus einerseits und bürokratischen Hürden andererseits leiden. Sie sind das wirtschaftliche Rückgrat unserer Stadt.
  9. Die KPÖ steht zu den Beschlüssen, die der Gemeinderat über den Ausbau der Schulen gefasst hat. Eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung von Anfang an ist auch ein elementarer Beitrag zur Kinderbildung. Große Kindergruppen, ein Mangel an Fachpersonal, kaum Vorbereitungszeit auf den Kinderdienst und bürokratische Tätigkeiten sowie zu wenig Geld sind derzeit leider vielfach Realität. Deshalb müssen sich die Bedingungen ändern. Die Zukunft unserer Kinder muss der Gesellschaft etwas wert sein!
    Der Skandal um die Veruntreuung von Geldern durch den größten privaten Trägerverein bestätigen jedoch unsere Haltung, dass Dinge, die von zentralem öffentlichen Interesse sind, auch in öffentlicher Hand sein sollen.
  10. Graz ist eine Universitäts- und Hochschulstadt, in der Beeindruckendes in der Wissenschaft geleistet wird. Das soll auch weiterhin unterstützt und gefördert werden. Gleichzeitig erleben wir, dass viele Studierende sich das Wohnen und Leben immer schwerer leisten können. Sie müssen deshalb mehr arbeiten, um sich das Studium zu finanzieren, was wiederum ihr Studium verlängert. Dazu, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, möchten wir in den kommenden fünf Jahren einen Beitrag leisten.
  11. Sport gehört nicht nur zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen, er wirkt auch ausgleichend und trägt zur Gesundheit bei. Die KPÖ möchte größten Wert auf den Schul- und Breitensport legen. Die Arbeitsbedingungen für die vielen Grazer Vereine an der Basis, die nur durch das Engagement ihrer ehrenamtlichen FunktionärInnen existieren können, müssen weiter verbessert werden. Investoren müssen vertraglich dazu verpflichtet werden, bei Bauprojekten für ausreichend Grünraum, Spiel- und Sportplätze zu sorgen.
  12. Der Ausbau der sportlichen Infrastruktur ist auch der KPÖ ein wichtiges Anliegen. Die diesbezüglichen Beschlüsse sind im Gemeinderat auch immer einstimmig gefällt worden. Gegenüber Großevents möchten wir jedoch dem Breitensport den Vorzug geben. Wir setzen uns zudem für einen Ausbau der Grazer Bezirkssportplätze ein und die Ausstattung mit Toiletten, damit sie auch von Mädchen besser genutzt werden können.
  13. Leistbares Wohnen ist das Kernanliegen der Kommunistischen Partei – und das seit vielen Jahren. Dass die Immobilienpreise so in die Höhe schnellen, liegt auch an einer verfehlten Stadtplanungspolitik, die viel zu lange dem investoren- und renditegetriebenen Bau von Anlegerwohnungen den Weg bereitet hat. Das wollen wir ändern. Dabei legen wir den Fokus auf leistbare Mieten.
  14. Die restriktiven Vergaberichtlinien haben nicht nur die Wohnungsnot in Graz verschärft, sondern auch dazu geführt, dass immer mehr Gemeindewohnungen leer stehen – und sogar dazu, dass das Sparbuch des Wohnungsamtes dazu verwendet wurde, eine Werbekampagne für das städtische Wohnen zu initiieren. Es braucht also dringend Vergaberichtlinien, die den konkreten Bedürfnisse der Menschen auf Wohnungssuche Rechnung tragen.
  15. Die KPÖ wird sich in den Verhandlungen um die Stadtbudgets in den kommenden Jahren um eine soziale und solide Finanzentwicklung bemühen. Dass Einnahmen und Ausgaben dabei in einer vernünftigen und zukunftsgewahren Relation stehen müssen, steht außer Frage.
  16. Die konsolidierte Finanzplanung hat sich bewährt. Konkrete Volumina der städtischen Investitionen können wir zur Zeit noch nicht nennen. Das wäre unseriös, weil sie ja von Verhandlungen – auch mit Ihnen – abhängen.
  17. Synergien zu nutzen, steht für die KPÖ außer Frage. Leider wurden durch die Umstrukturierungen im „Haus Graz“ jedoch der Arbeitsdruck auf viele MitarbeiterInnen erhöht. Während es in manchen Bereichen an Personal fehlt, um die wachsenden Aufgaben einer wachsenden Stadt bewältigen zu können, wurden gut dotierte Manager- und Geschäftsführerposten geschaffen.
  18. Um den „großen Wurf“ beim Öffi-Ausbau zu erreichen, von dem Sie sprechen, muss es gelingen, alle relevanten Player ins Boot zu holen. Bund und Land müssen sich an der zukunftsweisenden Lösung beteiligen. Grundlage dieser Lösung können nur solide Planungsarbeiten der zuständigen Abteilungen sein. Eine U-Bahn halten wir für keine taugliche Option. Einen konkreten Zeitplan zu nennen, wäre unseriös, aber wir gehen davon, dass Planungen entscheidend beschleunigt werden können, wenn die zu befassenden Ämter nicht aus politischem Kalkül in unterschiedliche politische Zuständigkeiten aufgesplittet sind.
  19. Kinder müssen immer, jeden einzelnen Tag, im Fokus der Stadtpolitik sein. Diesen Fokus auf ein Jahr zu beschränken, ist für uns zu wenig. Kinder und Jugendliche im umfassenden Sinne zu fördern – in der Bildung, im Sport, im psychosozialen Bereich, in der Kultur, in der Freizeit – und in allen Agenden der Stadtplanung und des Verkehrs in den Mittelpunkt zu stellen, steht für die KPÖ außer Frage.
  20. Der Ausbau der Leistungen der SozialCard wird für die KPÖ im Mittelpunkt stehen. Wo Sachgutscheine zur Bürokratisierung der Abläufe und Stigmatisierung von SozialCard-BesitzerInnen geführt haben, möchte die KPÖ zu bewährten, unkomplizierten Abwicklungsmodellen zurückkehren.
  21. Wie Sie wissen, legt nicht die Stadt Graz, sondern die Bundesregierung die Prämissen der Migrationspolitik fest. Als KPÖ stehen wir dazu, dass Menschen, die hier leben, auch die Möglichkeit haben müssen, zu arbeiten und so selbstständig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, um nicht in Armut und Kriminalität abzurutschen. Der Erwerb der deutschen Sprache ist der Kern aller Integrationsbemühungen. Hier möchten wir ausreichend Angebote schaffen.
  22. Aufgrund des immensen Gender-Pay-Gaps und vor allen Dingen eines in der Covid-Krise stark gestiegenen Gender-Care-Gaps ist Frauenförderung dringend notwendig. Wir orientieren uns dabei allerdings an dem ganzheitlichen Förderkonzept, wie es im feministischen Manifest für die 99 % verschriftlicht wurde. Zur Verdeutlichung ein Zitat dazu von Cinzia Arruza, Tithi Bhattacharaya und Nancy Fraser: „Es interessiert uns nicht, die Glasdecke zu durchstoßen, um es dann der überwiegenden Mehrheit zu überlassen, die Scherben aufzukehren.“ Für uns in der Stadt Graz bedeutet das, sich auch für die vielen Frauen in prekären Jobsituationen einzusetzen, wie etwa in den Bereichen der Reinigung und der Pflege und Betreuung.
  23. Wie oben schon gesagt, werden finanzielle Fragen in den Budgetverhandlungen zu klären sein. Für Rückwidmungen von Bauland in Freiland gibt es derzeit ohnehin wenig Möglichkeiten. Wir werden versuchen, mit strikten Vorgaben im Rahmen von Bauvorhaben durch Abschluss von bindenden städtebaulichen Verträgen den Erhalt und die Schaffung von Freiflächen sicherzustellen. Dieses Vorhaben ist ein langfristiges, da bereits genehmigte Bauvorhaben nicht nachträglich mit solchen Verträgen ausgestattet werden können.
  24. Die Murwasserqualität ist durch den Bau der Staustufe in Puntigam drastisch beeinträchtigt. Das Baden in Mur, wie es in der Vergangenheit durch die ÖVP immer wieder beworben wurde, ist gesundheitsgefährdend. Die Fertigstellung des Speicherkanals ist trotz der problematisch hohen Kosten dadurch zur zu akzeptierenden Notwendigkeit geworden. Einer Erweiterung über die gesamte Nord-Süd-Achse des Stadtgebietes werden wir nicht zustimmen.
  25. Die finanzielle Absicherung des Kulturbetriebs steht für die KPÖ außer Frage – dazu zählen für uns jedoch nicht allein die Bühnen Graz, sondern auch die vielfältigen Kulturinitiativen, die mit ihrem Engagement das kulturelle Leben unserer Stadt entscheidend mitprägen. Wir werden uns darüber hinaus stark für die finanzielle Absicherung der Kulturschaffenden stark machen und streben eine Implementierung des Fair-Pay-Systems nach Vorgaben der IG Kultur auf alle von der Stadt geförderten Spielstätten und Projekte an.

Den Antworten auf die folgenden Fragen sei eine grundsätzliche Bemerkung vorangestellt: Lassen wir die Kirche im Dorf bzw. das Rathaus am Hauptplatz! In den Gesprächen um die Zukunft von Graz sollte es um die Zukunft von Graz gehen – und nicht um Geschichte und Weltpolitik und die Geschichte der Weltpolitik. Die KPÖ fordert von den ÖVP-PolitikerInnen im Grazer Stadt- und Gemeinderat keine Distanzierungen von Dollfuß, Schuschnigg und dem Austrofaschismus oder der demokratiefeindlichen und repressiven und autoritären Politik konservativer Regierungen etwa in Ungarn oder Polen. Dass auch hochranginge steirische ÖVP-Politiker in die USA gereist sind, um aus Donald Trumps Wahlkämpfen zu lernen, dass die ehemalige ÖVP-Außenministerin Claudia Bandion-Ortner über Saudi-Arabien gesagt hat, dass eh „nicht jeden Freitag geköpft“ würde oder dass Alexander Schallenberg „die Taliban an ihren Taten messen“ will, werden wir nicht zum Inhalt unserer Gespräche machen.

Sie alle kennen uns und unsere Arbeit. An ihr werden wir von den GrazerInnen gemessen und an ihr möchten wir auch von Ihnen gemessen werden. Der Wahlkampf ist vorbei und es würde uns freuen, wenn Sie dazu bereit wären, gemeinsam an den Herausforderungen, vor denen unsere Stadt steht, zu arbeiten. Wir möchten in den kommenden Jahren eine neue Kultur des Respekts und des Umgangs in der Grazer Politik pflegen – mit mehr Empathie und Mitmenschlichkeit. Wir wollen keine Partei ausgrenzen, nichts und niemanden auseinanderdividieren.

  1. Die KPÖ stellt sich schon lange der historischen Verantwortung, nicht nur ihrer eigenen Vergangenheit, sondern auch der Kommunistischen Weltbewegung. Das Facebook-Posting, auf das Sie anspielen, lässt es keineswegs an Respekt ermangeln. Dass sich einer Ihrer Mitarbeiter darin verbissen hat, ist für uns kein ausreichender Grund, sich bei Gesprächen, in denen es um die Zukunft von Graz geht, damit zu befassen.
  2. Elke Kahr hat bereits mehrfach betont, dass sie keinerlei Sympathie für Lukaschenkos Regime hegt. Auch Werner Murgg hat festgestellt: „Es ist wichtig, sich selbst ein Bild von der Lage im Land zu machen. Das bedeutet aber nicht, dass ich oder die KPÖ das Regime unterstützen oder gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in diesem Land blind sind. Die EU-Sanktionen schaden den Menschen, die damit angeblich unterstützt werden sollen.“
  3. Die KPÖ unterhält keine Kontakte zur KP Chinas oder staatlichen Einrichtungen. In der Grazer Stadtregierung wurden unseres Wissens die Kontakte zur Volksrepublik China bislang nur von Bürgermeister Nagl und Stadtrat Riegler unterhalten. Menschenrechtsverletzungen werden von der KPÖ immer kritisiert – egal, wo sie passieren. Auch in dem Beitrag, aus dem Sie selektiv und aus dem Zusammenhang gerissen zitieren.
  4. Jugoslawien ist in den Jahrzehnten der Präsidentschaft von Josip Broz Tito aus einem feudal-agrarischen Land zu einer Industrienation geworden. Das Land hat Tito, auch mit Methoden, die wir zutiefst ablehnen, zusammengehalten. Die Zerfallskriege, mit all dem Leid, all den Toten, all den Vertreibungen, all dem nachwirkenden Hass verdeutlichen, wie wichtig seine Rolle war.
    Beim Begräbnis von Tito haben sich im Jahr 1980 sehr viele Spitzenpolitiker aus Ost und West versammelt – von Bruno Kreisky, Rudolf Kirchschläger und Kurt Waldheim über Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Karl Carstens, Walter Mondale, König Baudouin, Prinz Philip, König Olav V., König Carl XVI., Indira Gandhi bis hin zu Margaret Thatcher –, um einen Staatsmann zu würdigen, dem es gelungen war, zwischen den Machtblöcken zu vermitteln und auch der eigenen Bevölkerung einen bescheidenen Wohlstand zu sichern. Die Befreiung von der Nazi-Herrschaft war eine nachhaltige Leistung der von Tito angeführten jugoslawischen Widerstandsbewegung, die auch von den westlichen Alliierten unterstützt wurde. Im Unterschied zu den BewohnerInnen anderer osteuropäischer Länder konnten jugoslawische StaatsbürgerInnen ohne Beschränkungen frei ins Ausland reisen. Das wurde damals allgemein anerkannt. Wenn man sich positiv darauf bezieht, dann sollte das auch im Jahr 2021 zulässig sein.
    In und um die Grazer KPÖ sind Menschen aus allen Republiken des früheren Jugoslawien aktiv – und wirken gemeinsam gegen den mörderischen und nationalistischen Hass, der ihre Völker nach Titos Tod entzweit hat. Unsere traditionelle Yugo Fešta beim Grazer Volkshaus zeigt, wie Völkerverständigung und Gemeinsamkeit kulinarisch, musikalisch und künstlerisch gelebt werden kann.
  5. Der Beitrag auf der Homepage der KPÖ Steiermark, aus dem Sie anhand des profil selektiv zitieren, hat sich gegen die direkte Einmischung und Putschversuche in einem Land gewendet, das wegen seines Öl-Reichtums immer wieder ins Fadenkreuz gerät. Dass der demokratische und soziale Aufbruch in Venezuela erstarrt ist und sich teilweise verkehrt hat, bestreiten oder beschönigen wir nicht. Die KPÖ begrüßt die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition unter norwegischer Vermittlung. Einseitige Parteinahme und Einmischung in tausende Kilometer entfernte Staaten, wie sie durch Bundeskanzler Kurz und Außenminister Schallenberg an der Seite von US-Präsident Trump – unter Missachtung der in der Verfassung verankerten immerwährenden Neutralität – passiert sind, lehnen wir ab.

12. Oktober 2021