100 Jahre Arbeiterkammer

Ein Schritt zur Organisierung der Arbeiter

In wenigen Monaten, am 26. Februar 2020, ist es 100 Jahre her, dass das Gesetz über die Einrichtung von Arbeiterkammern in Österreich beschlossen wurde. Von der Teilnahme an der AK-Wahl 2019 kann es abhängen, ob die Rechte und Möglichkeiten dieser Einrichtung beschnitten werden oder nicht.

 

Die Arbeiterkammer ist nämlich kein Amt, das von oben her eingerichtet wurde. Sie ist – wie die Betriebsräte, der Achtstundentag, das Frauenwahlrecht oder der Mieterschutz – ein Ergebnis der revolutionären Entwicklung beim Sturz der Habsburgermonarchie. Und die Unternehmerseite hat mehr als einmal versucht, diese Errungenschaften zurückzudrängen.

Das Bürgertum hatte bereits im 19. Jahrhundert seine Kammern geschaffen: Die Handelskammer mit Pflichtmitgliedschaft bereits im Revolutionsjahr 1848, die Rechtsanwaltskammer usw. Darin drückte sich auch die Macht einer aufstrebenden Klasse aus. Die arbeitenden Menschen hatten nichts dergleichen. Es gab nicht einmal Betriebsräte. Deshalb kämpfte die Sozialdemokratie in der Monarchie für die Schaffung von Arbeiterkammern. 1872 wurde von Vertretern des Ersten Allgemeinen Arbeitervereins dem Ministerium des Inneren und dem Reichsrat ein Memorandum überreicht, das die Errichtung von Arbeiterkammern forderte. 

Die Regierung lehnte dies zuerst ab und wollte – als der Druck stärker wurde – nur Kammern mit sehr beschränkten Kompetenzen zulassen. Deshalb erklärte der Vereinigungsparteitag von Hainfeld 1889 in einer eigenen Resolution unzweideutig, „dass der Gesetzentwurf über die Errichtung von Arbeiterkammern ... den Anforderungen, welche an eine zweckdienliche Vertretung der Interessen der Lohnarbeiter gestellt werden müssen, weder wirtschaftlich noch politisch entspricht.“ Die Arbeiter hätten an der Errichtung der Arbeiterkammern nur dann ein politisches Interesse , wenn damit „ein Schritt zur Organisierung der Arbeiterklasse geschieht“.

 

Ein Schutzschild 

Erst der Sturz der Monarchie schuf in der Umbruchperiode 1918 -1920 die Voraussetzungen für die Schaffung von Arbeiterkammern, die diesem Zweck dienen konnten. Man hatte Angst davor, dass Österreich dem Beispiel der Oktoberrevolution folgen könnte. Und so waren auch den Unternehmervertretern die Arbeiterkammer lieber als eine Räterepublik. Der Kongress der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften forderte 1919 kategorisch die Errichtung von Arbeiterkammern als „Schutzschild“ für die sozialen Errungenschaften. Am 26. Februar war es dann soweit. Die neuen Arbeiterkammern wurden den Handelskammern (heute Wirtschaftskammer) völlig gleichgestellt. Die AK sollte „den Gewerkschaften ein Apparat sein, die Wirtschaft zu durchleuchten, sozialpolitisch das Gestrüpp der gesetzlichen Einrichtungen zu durchdringen und arbeitsrechtlich alles verteidigen zu helfen“. Die regelmäßigen Wahlen der Vollversammlung machte sie zu einem Arbeiterparlament. Schon in der ersten Republik hatte die KPÖ dort einen gewissen Einfluss. Sie erreichte bei der AK-Wahl 1926 in der Steiermark drei Mandate.

Diese starke Rolle der Arbeiterkammer war von Anfang an im Visier der Rechten. Der Austrofaschismus machte sie deshalb von einem Instrument der arbeitenden Menschen zu einem Teil des Ständestaates. Der spätere Landeshauptmann Josef Krainer wurde damals zum steirischen AK-Präsidenten ernannt. Nach dem 12. März 1938 und dem Einmarsch Hitlers in Österreich wurden auch die Arbeiterkammern beseitigt. Sofort nach der Befreiung richteten SPÖ, KPÖ und ÖVP die Arbeiterkammern wieder ein - das entsprechende Gesetz dazu wurde bereits am 20. Juli 1945 beschlossen. 

 

Angriff von Schwarz/blau

In der zweiten Republik war die Spitze der AK jahrzehntelang daran gewöhnt, wichtige Entscheidungen im Rahmen der Sozialpartnerschaft zu treffen. Sie baute ihre Positionen und die Privilegien ihrer Spitzenfunktionäre aus. Deshalb trafen sie die Angriffe von Schwarz/blau im Jahr 2000 unvorbereitet. Auch die neue schwarz/blaue Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm das Ziel festgeschrieben, die AK zu schwächen. Die Zerschlagung der Sozialversicherungen hat einen Vorgeschmack gebracht. Die Selbstverwaltung der Versicherten und der Einfluß von AK und ÖGB wird geschwächt. Gleichzeitig bleiben die Versicherungen der Selbständigen unangetastet. Genau dasselbe hat man bei den Kammern vor. Die Wirtschaftskammer soll noch mehr Einfluss bekommen, von der Anwaltskammer oder der Ärztekammer redet niemand. Nur die AK soll zusammen gestutzt werden. Sie ist nicht ideal. An ihr gibt es sehr viel zu kritisieren, vor allem ihre Rolle in der Sozialpartnerschaft. Jetzt braucht sie aber unsere Unterstützung. Durch eine hohe Wahlbeteiligung Und am besten durch eine Stimme für GLB-KPÖ. 

 

Franz Stephan Parteder

 

Veröffentlicht: 9. März 2019