Gedankenfetzen zum Gazakrieg

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Der Krieg Israels gegen die Hamas bringt in unserer Bewegung Diskussionen hervor, die mich an längst vergangene Zeiten erinnern.
 

Beispiel 1: Vietnamkrieg

Die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg wurde vor allem von der studierenden Jugend getragen. Ihre Losung war der „Sieg des Vietkong“. Die kommunistischen Parteien demonstrierten hingegen unter der Losung „Friede für Vietnam!“ In meinem Arbeitszimmer hängt ein Foto, das den Grazer Gemeinderat Ferdinand Kosmus mit einem solchen Plakat zeigt. Die KP wurde damals – auch von mir – für revisionistisch gehalten, weil sie an die Stimmung in der Bevölkerung dachte und zu militante Protestinhalte für kontraproduktiv hielt.

Die Studentenbewegung ist Geschichte. Vietnam hat vor allem wegen der Unterstützung durch die sozialistischen Länder und die weltweite Friedensbewegung gesiegt und entwickelt sich bis heute auf seinem eigenen Weg.
 

Beispiel 2: Kambodscha

Unter Präsident Nixon kam es zur Ausweitung der US-amerikanischen Aggression auf das bisher neutrale Kambodscha. Das führte schließlich zur Machtergreifung der Roten Khmer. In der Folge vollbrachte diese Partei, deren Ideologie eine Mischung aus Maoismus und völkischem Nationalismus war, unfassbare Verbrechen an der eigenen Bevölkerung. Erst eine militärische Intervention Vietnams konnte dieses Regime stürzen.

Zuerst betrachtete man den Sieg der Roten Khmer als Erfolg gegen den Imperialismus. Unsere Bewegung wandte sich aber sehr bald gegen ihre Politik. In Österreich standen lediglich die maoistischen Gruppen auf ihrer Seite und leugneten bis zuletzt alle Verbrechen.
 

Beispiel 3: Iran

In Graz waren zu Beginn meiner politischen Arbeit einige fortschrittliche Gruppen von iranischen Studenten (unter anderem von Mitgliedern der kommunistischen Tudeh-Partei) aktiv, die den Widerstand gegen das Schah-Regime in Persien unterstützen und die Öffentlichkeit bei uns über die Repression in ihrem Land informierten. Sie beteiligten sich im Jahr 1979 am Sturz des Schahs und bewerteten damals die islamische Republik als antiimperialistisch und sozial positiv. Nach etwa einem Jahr kam es aber zur „Nacht der langen Messer“ im Iran. Das Mullah-Regime verhaftete auf einen Schlag zahlreiche GenossInnen und tötete viele von ihnen, darunter auch einen Genossen, den ich von seiner Arbeit in Graz her gekannt hatte.
 

Beispiel 4: Palästina

Unsere Bewegung hat den Zionismus seit seiner Gründung als nationalistische Bewegung kritisiert. Trotzdem war die Sowjetunion unter Stalin die entscheidende Kraft im UNO-Sicherheitsrat, um nach dem Holocaust die Gründung des Staates Israel zu ermöglichen. Seit den Fünfzigerjahren unterstützt unsere Bewegung den Kampf des palästinensischen Volkes (Das hat im Jahr 1967 zu schweren Auseinandersetzungen in der KPÖ über den Charakter des Sieben-Tage-Kriegs geführt, der die Annexion des Westjordanlandes mit sich brachte).
Wir haben den Friedensprozess von Oslo unterstützt und treten für die Zweistaatenlösung auf Grundlage der entsprechenden UNO-Resolutionen ein.

Der verbrecherische Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 wird von der israelischen Regierung zum Anlass genommen, in einem blutigen Krieg vollendete Tatsachen zu schaffen.
In dieser Situation sehe ich in Österreich Ähnlichkeiten mit der anfangs beschriebenen Lage im Vietnamkrieg. In einer Atmosphäre der Verhetzung, in der selbst die UNO für obsolet erklärt wird, in der aber sehr viele Menschen Mitleid mit allen Opfern des Krieges empfinden, ist die Forderung nach Waffenstillstand und nach einem gerechten Frieden vordringlich.

Klerikalfaschistische Organisationen wie die Hamas (aber auch wie die Taliban in Afghanistan) können von uns nicht als Bündnispartner betrachtet werden. Es ist bezeichnend, wen sie (auch) am 7. Oktober getötet haben: TeilnehmerInnen an einem Musikfestival, Bewohner von genossenschaftlich organisierten Kibbuzen, Friedensaktivisten. Mich beeindruckt die Haltung von vielen Angehörigen der Geiseln, die von ihrer Regierung den Waffenstillstand und eine Friedenslösung fordern.

Daran sollten wir uns orientieren.
Nicht immer ist eine radikale Sprache am sinnvollsten, wenn es darum geht, das Bewusstsein der Menschen zu erreichen.

Franz Stephan Parteder

Veröffentlicht: 2. November 2023