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EU will Sozialdumping verordnen

Umstrittene Dienstleistungsrichtlinie im Ausschuss durchgedrückt

Die EU will mit der neuen Dienstleistungsrichtlinie ein massives Sozialdumping durchsetzen. Konservative und Liberale im EU-Parlament halten an dem von faktisch allen Organisationen der Arbeiterbewegung abgelehnten Ursprungslandsprinzip fest, das dem Sozialabbau Tür und Tor öffnet und die Privatisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge erleichtert. Der Sager von Bundeskanzler Schüssel, dass die Richtlinie zurückgezogen werden sollte, hat sich als Luftblase für die Medien erwiesen.
Das sagte der steirische KPÖ-Vorsitzende Franz Stephan Parteder am Mittwoch zu den ernüchternden Abstimmungsergebnissen im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments.
Wie ernst die Situation ist, zeigt folgende Stellungnahme :
„Die Delegation der Linkspartei.PDS erklärt zum Ergebnis der Abstimmung über die Dienstleistungsrichtlinie im federführenden Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europäischen Parlament:

Der Ausgang der Abstimmung im Binnenmarktausschuss hat bestätigt, was sich bereits seit längerem abgezeichnet hat: Konservative und Liberale setzen alles daran, die Bolkestein-Richtlinie im Europäischen Parlament mit möglichst geringen Änderungen am Kommissionsentwurf durchzupeitschen und stimmen dabei, ähnlich wie im Wirtschaftsausschuss, auch gegen eigene Änderungsanträge. Mit der Abstimmung im Binnenmarktausschuss soll nun der Weg bereitet werden für ein ähnliches Votum bei der Sitzung des Europaparlaments im Januar. Das Votum des Parlaments soll dann dazu dienen, unbeeindruckt von der massiven öffentlichen Kritik das Festhalten am neoliberalen Rundumschlag der EU im Dienstleistungssektor zu rechtfertigen.
In monatelangen zähen Verhandlungen im Binnenmarktausschuss hatte sich bereits gezeigt, dass Konservative und Liberale nicht gewillt waren, an den entscheidenden Stellen Kompromisse mit den Sozialdemokraten auszuhandeln. Das Herkunftslandprinzip sollte nicht fallen - dabei hatte die sozialdemokratische Berichterstatterin versucht, hier noch eine goldene Brücke zu bauen. Doch selbst die von ihr vorgeschlagene Kompromisslösung, die nahezu identisch mit den in Deutschland von konservativer Seite erhobenen Forderungen ist, wurde nicht akzeptiert. Ähnlich sieht es in der Frage der Dienste der Daseinsvorsorge aus. Auch hier wurde von konservativer Seite eine beinharte Linie vertreten. Ergebnis der Abstimmung im Binnenmarktausschuss ist eine Position, die auf Liberalisierung um jeden Preis setzt und so gut wie keine Ausnahmen vorsieht. Einzig der Gesundheitssektor, audiovisuelle Dienste und das Glücksspiel sollen ausgenommen sein.
Dass einige Sozialdemokraten dem Bericht trotzdem in der Endabstimmung zustimmten und sich diverse, unter ihnen die Berichterstatterin Evelyne Gebhardt enthielten, belegt einmal mehr die zweifelhafte Rolle, die die Sozialdemokraten in der Frage der Dienstleistungsrichtlinie einnehmen. Auch Gerhard Schröders öffentlichkeitswirksam mit Jacques Chirac geäußerte Kritik an der Richtlinie hatte nicht das französische Verfassungsreferendum überdauert. Über den Sommer hatten Kommission und Regierungen versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die Richtlinie in der vorgelegten Form nicht bestehen bleibe, ja sie quasi schon vom Tisch sei. Das Kalkül war, dass der Widerstand durch Nebelkerzenwerfen nachlassen und die Richtlinie ohne viel Aufhebens die Hürde des Parlaments nehmen würde. Das heutige Votum zeigt, dass das Vorgehen Erfolg zu haben droht.
Diese Strategie darf nicht aufgehen! Noch ist Zeit, die Richtlinie zu stoppen und dafür zu sorgen, dass das Europaparlament im Januar laut und deutlich Nein sagt! Um dies zu erreichen, ist jedoch massiver öffentlicher Druck nötig. Wir rufen deshalb auf: Das Votum des Binnenmarktausschusses muss ein Signal sein für eine neue Mobilisierung gegen die Richtlinie des Sozialabbaus und der Aushöhlung von Arbeits- und ökologischen Standards und des Verbraucherschutzes"

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23. November 2005