Antikommunismus: Grazer ÖVP eröffnet den Wahlkampf mit schwerem Foul

Eine Aussendung der Grazer KPÖ über den 60 Jahrestag des Raumflugs des sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarins nahm die ÖVP zum Anlass, in der Gemeinderatssitzung am 29. April einen Dringlichkeitsantrag zu stellen, um alle antikommunistischen Register gegen die KPÖ zu ziehen. Wir dokumentieren den Redebeitrag der KPÖ-Gemeinderätin Elke Heinrichs.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Damen und Herren, werter Antragsteller!

Eine Gemeinderatswahl steht vor der Tür. Das ist das einzig Dringliche an diesem Antrag. Die Sowjetunion gibt es seit 30 Jahren nicht mehr. Ebenfalls seit 30 Jahren beweisen wir, die KPÖ hier in Graz, dass wir eine solide Arbeit für die Menschen machen, eine brauchbare Kommunalpolitik im Dienste der GrazerInnen durch Beratung, Unterstützung und Hilfeleistung.

Liest man den gesamten Text des Dringlichen Antrages genau und zwischen den Zeilen, so erkennt man die Absicht, wonach es überhaupt nicht um besagte Aussendung der KPÖ zu Juri Gagarin geht, sondern um etwaige 20 Prozent an Wählerstimmen – und um Ablenkung von allerhand Dingen, die nicht so laufen, wie sie laufen sollen!

Abgelenkt soll – und davon sind wir überzeugt – vor allem von der guten Arbeit werden, welche die KPÖ für Graz seit vielen Jahren, schon seit den Tagen Ernst Kalteneggers, leistet.


Da wir nicht die Absicht haben, diese vorgelegte Wahlkampfinitiative der ÖVP in Form eines Dringlichen Antrages zu unterstützen, darf ich in aller Kürze das für uns Wichtigste im Zusammenhang betonen:

Nicht nur, dass es aktuellster Weise öffentliche Statements zum Thema seitens Frau Stadträtin Elke Kahr gibt, es gibt diese nicht nur von ihr, es gibt die entsprechend verschriftlichten Stellungnahmen – Reformparteitag 1991! – es gibt darüber genügend Lesestoff für wirklich Interessierte, also der Publikationen genug.

An einem besonderen Beispiel, an dem Franz Koritschoners, einem großartigen obersteirischen Genossen, welcher in den Lagern der ehemaligen Sowjetunion umgekommen ist, sowie anderer führender Genossen und Genossinnen der KPÖ und der KPD, welche ebenso in fürchterlicher Weise Opfer Stalins und seiner mordenden Helfershelfer geworden sind, betone ich wiederum:

Meine Genossen und Genossinnen und ich von der KPÖ Graz und der Steiermark wären wohl die allerletzten, welche sich für diese geschichtlichen Fakten nicht schon längstens interessiert hätten. Wir sind keinesfalls die von Brettern vernagelten Leute, die nicht hören und sehen und lesen können. Irren sie sich darin bitte vielmals nicht!

Daher wissen wir natürlich ganz genau über stalinistische Verbrechen Bescheid, wahrscheinlich viel genauer als Sie alle, werte KollegInnen hier im Gemeinderat.

Bescheid wissen wir aber auch darüber, dass der Kampf der ehemaligen Sowjetunion kein Verbrechen gewesen ist, ganz im Gegenteil – ein wesentlicher, schlagkräftiger Bestandteil der Anti-Hitler-Koalition.

Dass die Rote Armee geblutet hat, wie keine andere, um uns vom Nazi-Faschismus zu befreien, was wir ja aus eigener Kraft leider nicht geschafft hätten.

Dass daher mit unserem Staatsvertrag Österreich verpflichtet ist, die entsprechenden Gedenkstätten zu bewahren (z. B. Schwarzenberg Platz/Wien, Zentralfriedhof/Graz ), und das mit allen Insignien.

Dass am 27. April 1945 durch besagte Hilfe von außen Österreich als 2. Republik – mit den drei Gründerparteien ÖVP, SPÖ und KPÖ – gegründet werden konnte, zeigt, dass mit der Kommunistischen Partei Österreichs also sehr wohl ein Staat zu machen(!) ist – entgegen Deiner Ansicht, werter Kollege Peter Piffl-Percevic.

Wir sprechen also von der Gründerpartei KPÖ, der einzigen Partei, welche sich nach dem Krieg nicht neu aufstellen musste, weil unsere kommunistischen Genossen und Genossinnen eben keine faschistische Vergangenheit hatten, im Gegenteil die ersten waren, welche mit den Zeugen Jehovas abtransportiert wurden in die KZs.

2000 GenossInnen waren es, deren Namen wir als Kommunisten und Kommunistinnen weiterhin ehren werden. 80 Prozent derjenigen, die wegen widerständiger Tätigkeiten vor dem Nazi-Volksgerichtshof und dem Oberlandesgerichtshof standen, waren KommunistInnen oder des Kommunismus Verdächtige.

An dieser Stelle zwei Zitate ihnen bekannter Persönlichkeiten:
Ernest Kaltenegger: „Die Welt bleibt nicht stehen, und sie dreht sich nicht zurück. Neue Bewegungen entstehen, die die Vision einer solidarischen Gesellschaft (und um diese geht es uns in unserer Arbeit!) wachhalten, die sich gegen Benachteiligung zur Wehr setzen und die Menschenrechte einfordern.“
Franz Stephan Parteder sprach von der Erkenntnis, „dass unsere Weltanschauung nur dann reale Veränderungen durch unser Handeln in der Gesellschaft bewirken kann, wenn sie sich der Wirklichkeit zuwendet, wenn wir keine Scheuklappen haben, und wenn wir auch unangenehme Tatsachen nicht verdrängen. Das gilt für die Analyse der aktuellen Situation in Österreich, aber auch für die Vergangenheit in unserer Bewegung.“

Schritt für Schritt haben wir seither in Graz und in der Steiermark Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen, haben vielen Menschen geholfen und politisch auch einiges bewegt. Das beunruhigt die politischen Mitbewerber und die politischen Gegner!

Es gibt kein einziges Beispiel dafür, dass wir in der Zeit gegen demokratische Grundsätze verstoßen hätten. Vielleicht wäre es für ÖVP und FPÖ sinnvoller, einmal vor der eigenen Tür zu kehren. Wer in diesen Tagen mit solch gravierenden Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist, wie die ÖVP auf Bundesebene, sollte uns gegenüber nicht so arrogant auftreten.

Werte Damen und Herren von der ÖVP,
Sie eröffnen den Wahlkampf mit einem schweren Foul! Wir werden aber nicht mit gleicher Münze heimzahlen, sondern weiter unsere Arbeit machen. Die Grazer und Grazerinnen mögen uns nach unseren Taten messen, sie werden letztlich entscheiden, was sie von uns halten.

Nachsatz: Unsererseits gibt es keinerlei Verklärung oder gar Glorifizierung. Jegliche politische oder religiöse Theorie, welche mit Feuer und Schwert oder absoluten Machtgelüsten verteidigt wird, ist in unserem Sinne jedenfalls nicht.

10. Mai 2021