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Stellungnahme zur EU-Linkspartei

Parteder: Kongress in Athen wird keine Wellen schlagen

Franz Stephan Parteder
Freitag, 28. Oktober 2005

Ein Kongress, der keine großen Wellen schlagen wird

Die EU-Linkspartei tagt in Athen

Am 29. und 30. Oktober 2005 findet in Athen der 1. ordentliche Kongress der Europäischen Linkspartei (ELP) statt. Die Führung der Bundes-KPÖ – die mit 12 Delegierten an diesem Parteitag teilnehmen wird und als Gast unter anderem Leo Gabriel von der Linken eingeladen hat – war bei ihren Informationen über dieses Ereignis nicht besonders auskunftsfreudig. Auf der Homepage findet man unter dem Titel „Thesen zum ELP-Parteitag“ einen veralteten Entwurf des Dokuments, das dort beschlossen werden soll, der Bericht über die Bundesvorstandssitzung im September geht nur kurz auf dieses Thema ein, die KPÖ-Wien führt dieses Treffen wenigstens in ihrem Terminkalender an.
Man könnte meinen, dass die EU-Linkspartei für die KPÖ-Führung keine besondere Bedeutung mehr hätte. Das täuscht aber. Die Beteiligung von Abgesandten der KPÖ an den Treffen der ELP ist sehr rege.

I.: Ein Versprechen, das nicht eingelöst wurde

Wir erinnern uns noch daran, welches Getöse um den Jahreswechsel 2003/2004 in unserer Partei veranstaltet wurde: Unter dem Zeichen des „Neuen Internationalismus“ sollte es zu einem Aufbruch zu neuen Ufern der revolutionären Bewegung kommen. Im März 2004 wurde eine Parteikonferenz veranstaltet, auf der man alle Register (einschließlich effektvoller Auftritte ausländischer Gäste und von Leo Gabriel) zog, um eine knappe Mehrheit der TeilnehmerInnen für den Beitritt zu dieser neuen supranationalen Partei durchzusetzen. Bedenken und Kritik (unter anderem der steirischen KPÖ) wurden dabei vom Tisch gewischt. Der nunmehrige Stadtrat und KPÖ-Landtagsabgeordnete Dr. Werner G. Murgg musste damals erleben, dass man mit allen möglichen Untergriffen gegen ihn vorging, weil er jene Punkte anführte, die gegen die EU-Linkspartei sprachen.
Der Gründungskongress der Linkspartei in Rom geriet zu einem großangelegten Event im Vorfeld der EU-Parlamentswahlen. Allerdings gab es dort einen Misston, der die Jubelstimmung trübte: Die starke Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) verließ wegen der Manipulationen durch das Tagungspräsidium (Rifondazione Communista, PDS) den Kongress und trat dieser Partei nicht bei.

Der Autor dieser Zeilen wurde im Mai 2004 vom Parteivorsitzenden der KPÖ scharf kritisiert, weil ich in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung „Junge Welt“ (28. 4. 2004) die EU-Linkspartei als einen „Wanderzirkus von Parteifunktionären, der sich einmal in Athen, dann in Berlin oder in Rom, vor allem aber immer wieder in Brüssel trifft“ bezeichnet und hinzugefügt hatte, dass sich diese Partei in ihren Statuten ausdrücklich auf Paragraph 191 der Unionsverträge bezieht und sich verpflichtet , ein europäisches Bewusstsein zu fördern.
Besonders großen Unwillen an höchster Stelle in unserer Partei erweckten folgende Passagen des Interviews: „Wer später in diese Partei eintreten will, muss akzeptieren, was jetzt ausgehandelt wurde. Genau so wie das bei Neueintritten von Ländern in die EU der Fall ist (...)Es geht darum, noch bestehenden kommunistischen Parteien ihre kommunistischen Ideen auszutreiben. Der Linken im EU-Bereich soll der marxistische Giftzahn gezogen werden.“

Seit dem Gründungskongress der EU-Linkspartei sind eineinhalb Jahre vergangen. In dieser Zeit konnte man überprüfen, ob die Prognosen, die damals angestellt wurden, den Test der Zeit bestanden haben.
Eines kann man mit Bestimmtheit sagen: Die EU-Linkspartei hat in dieser Zeit in der europäischen Öffentlichkeit nicht durch Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. An der großen Bewegung gegen die EU-Verfassung hat sie als EU-weite Partei nur am Rande teilgenommen. In Frankreich war die FKP (eine Mitgliedspartei der ELP) sehr aktiv, in den Niederlanden hingegen die SP, welche die Gründung der EU-Linkspartei abgelehnt hat und ablehnt. Der marxistische Flügel der italienischen Partei Rifondazione Communista „Essere Communista“ stellt in einer Erklärung zum Kongress von Athen folgerichtig fest, dass dieses Gebilde „kaum einen Eindruck auf der Oberfläche politischer Ereignisse in Europa oder auch nur auf nationaler Ebene in den einzelnen Ländern hinterlassen hat“.
Auch Helmut Ettinger, außenpolitischer Mitarbeiter der Linkspartei.PDS und einer der Hauptbetreiber des Projekts EU-Linkspartei gesteht ein, dass „Netzwerke auf anderen Gebieten (als dem Feminismus) noch weitgehend auf dem Papier( stehen). Dabei wären sie, wie der Kampf gegen den Rechtsextremismus, Arbeit und Soziales oder Friedenspolitik, dringend erforderlich.“ (Disput. Oktober 2005). Selbst der Wahlerfolg der steirischen KPÖ bei der Landtagswahl am 2. Oktober muss für Ettinger herhalten, um den Einfluss der EU-Linkspartei zu dokumentieren.
Was geschaffen wurde, das ist eine bürokratische Struktur: Lassen wir Helmut Ettinger wieder zu Wort kommen: „Die EL hat das erste Jahr genutzt, um funktionierende Leitungsstrukturen aufzubauen. Der Vorstand der Partei, in den auf dem Gründungsparteitag je eine Genossin und ein Genosse jeder Partei, ob groß oder klein, gewählt wurden, hat zu einem stabilen zweimonatigen Sitzungsrhythmus gefunden. (...)Das EL-Büro mit zwei Mitarbeitern in Brüssel hält Kontakt zu den Parteien, führt die website (www.european-left.org), verwaltet die Finanzen“ (ebd.)
Finanziert wird diese bürokratische Struktur zu 75 % aus Mitteln der EU und zu 25 % aus Beiträgen der Mitgliedsparteien. In Österreich hat sich der Bundesvorstand der KPÖ das Recht vorbehalten, den Mitgliedsbeitrag zur EU-Linkspartei festzusetzen. Genauere Informationen über die Belastung der KPÖ-Finanzen durch diesen Mitgliedsbeitrag gibt es seither keine.
Hingegen hat der Verantwortliche für Außenpolitik der KSCM, Hassan Charfo, im August gegenüber der Zeitung Halo Noviny folgende Angaben über die Finanzierung der EU-Linkspartei gemacht: So erhält sie 500.000 € pro Jahr vom EU-Parlament. Die Mitgliedsbeiträge der Partei sind nach ihrer Größe gestaffelt. Die kleinsten Parteien zahlen 500 € pro Jahr, etwas Größere 1.500 – 2000 €, die 3. Kategorie (wahrscheinlich auch die KPÖ, welche 4.000 Mitglieder angibt) 5000 €, und die reichsten Parteien 20.000 €.
Charfo kritisiert die Anmietung eines Büros in Brüssel, das zu den teuersten Städten in Europa zählt. (Halo Noviny 19. August 2005).

II.: Die linken Pro-Europäer

Die Geschichte der EU-Linkspartei ist vor allem eine Geschichte der Formelkompromisse, der diplomatischen Verhandlungen auf höchster Ebene und der Verschiebungen. Der 1. Kongress der ELP hätte zuerst im Dezember 2004 und dann im April 2005 stattfinden sollen. Er wurde immer wieder verschoben. Auch der Tagungsort hat sich geändert. Ursprünglich war Barcelona vorgesehen gewesen. Wegen scharfer Streitigkeiten zwischen den drei spanischen Mitgliedsparteien musste dieser Plan aufgegeben werden. Jetzt tagt man in Athen. (Das – in der österreichischen Mitgliedschaft nicht kommunizierte – Angebot der KPÖ, den Parteitag in Wien zu veranstalten – wurde nicht angenommen).
Auch die nun vorliegenden Dokumente sind Ergebnisse von Formelkompromissen. Was die Organisation angeht, ist der Charakter der Partei noch immer nicht geklärt. Während die deutsche Linkspartei und die italienische Rifondazione von einem neuen politischen Subjekt auf EU-Ebene ausgehen, das für die Mitgliedsparteien verbindliche Beschlüsse fassen kann und soll, sieht die Französische KP die ELP als Ort der gemeinsamen Diskussion und der Aktion. Die FKP lehnt die Einzelmitgliedschaft in dieser Partei weiterhin ab, während Italiener, Deutsche und auch Österreicher darauf drängen, dass man in allen Ländern auch direkt Mitglied der EU-Linkspartei werden kann. Eigentlich muss der Kongress eine Entscheidung über diese Frage treffen.
Auch die politischen Thesen, die dem Athener Kongress vorgelegt werden, haben einen Zwittercharakter. Deshalb hat die Französische Partei beschlossen, in Athen ein Achtpunkteprogramm für konkrete Aktionen als eigenen Antrag vorzulegen. Die Thesen selbst hätten, wie auf der Tagung des Parteivorstandes im September betont wurde, einen „zu ideologischen Charakter“. (Übrigens war die FKP die einzige Mitgliedspartei, in der sich auch die Grundorganisationen mit diesen Thesen beschäftigt haben und in der die Diskussion darüber öffentlich gemacht wurde).
In den Thesen selbst sind einige fortschrittliche Forderungen enthalten. Das betont auch „Essere Communisti“ in der oben erwähnten Stellungnahme. Allerdings werden diese Vorschläge zum Teil dadurch entwertet, dass sich die Linkspartei eindeutig als „proeuropäische Kraft“ definiert und das „europäische Sozial- und Gesellschaftsmodell“ der Erscheinungsform des Imperialismus in den USA positiv gegenüberstellt.
Ich meine, dass eine internationalistische Partei und auch internationale Zusammenschlüsse von kommunistischen und Linksparteien weder pro- noch antieuropäisch sein dürfen. Sie müssen von den sozialen Interessen der arbeitenden Menschen ausgehen und deshalb gegen die EU auftreten, die ja ein Zusammenschluss im Interesse der transnational operierenden Konzerne ist, die ihren Hauptsitz in europäischen Staaten haben.
„Essere Communisti“ charakterisiert das politische Profil der Linkspartei, wie es sich in den Thesen ausdrückt, als jenes einer linkssozialdemokratischen Bewegung, die sich sowohl vom vorherrschenden Neoliberalismus und der Pro-Nato-Orientierung der meisten sozialdemokratischen Parteien Europas als auch von erklärten antikapitalistischen, antiimperialistischen oder linksgerichteten Positionen unterscheidet.
Es gibt bei der EU-Linkspartei demnach nur die vage Vorstellung eines „neuen Sozialkontrakts für das 21. Jahrhundert“. Es fehlt jede Erwähnung des Sozialismus als eines strategischen Zieles oder der Schaffung einer Gesellschaftsordnung, die eine Alternative zum Kapitalismus darstellt. Die Kommunistische Bewegung werde überhaupt nicht erwähnt.

III: Kerneuropa der Linken statt europaweiter Kooperation

Das führt uns zur Hauptschwäche dieser EU-Linkspartei aus marxistischer Sicht. Ganz bewusst wurde sie als EU-Partei mit einem linken „Kerneuropa“ als Zentrum konzipiert. Lassen wir den deutschen Genossen Helmut Ettinger selbst sprechen: „Die Entscheidung die EL zunächst für den Bereich der EU und assoziierte Staaten und Beitrittskandidaten zu konzipieren, hat sich als richtig erwiesen. Den Kern bilden Parteien, die seit langem eine enge bi- und mulilaterale Zusammenarbeit pflegen.“ (Disput, Oktober 2005).
Eine Umwandlung dieser Partei in klassenkämpferischem Sinne soll ausgeschlossen werden. Ettinger: „Die Europäische Linke ist allerdings auch kein Verein, dem jeder nach Belieben beitreten kann, um ihn dann nach seinem Bilde umzuformen.“ (a.a.O.)
Wohin diese Haltung führen kann, hat KPÖ-Vorsitzender Walter Baier – wenn man den Genossen der KSCM glauben darf – bei einem Treffen in Prag demonstriert. Angesprochen auf die Frage, warum die Kommunistische Partei der Russischen Föderation nicht zur Teilnahme an der ELP eingeladen werde, soll er gesagt haben, dass das Fehlen solcher Parteien wie der KP der Russischen Föderation nicht geographische sondern ideologische Gründe habe. (Halo Noviny, 19. August 2005).

Die Mehrheit der Kommunistischen Parteien Europas beteiligt sich nicht an der Arbeit der EU-Linkspartei. Von den mehr als 40 kommunistischen und alternativen Linksparteien, die in den EU-Staaten aktiv sind (wenn wir Europa als Kontinent betrachten gibt es etwa 60 davon) sind nur 16 der EL beigetreten. Alle anderen haben sich mehr oder weniger von dieser Vereinigung distanziert, sind entweder nur als Beobachter vertreten oder bleiben gänzlich außerhalb dieses Prozesses.

Dazu gehören alle fortschrittlichen Parteien Großbritanniens, die meisten Linksparteien Skandinaviens, fast alle KPs Osteuropas und des Baltikums und so einflussreiche und starke Kommunistische Parteien wie die KP Portugals, die KP Griechenlands und die KP Böhmens und Mährens. Der Vorsitzende der KP Luxemburgs, Ali Rückert, macht in einer Erklärung zum EL-Kongress in Athen auf folgende Tatsache aufmerksam: „Auffallend ist, dass in der ELP, die vorgibt die Linke in Europa zusammenführen zu wollen, kommunistische Parteien mitmachen, welche während der letzten Jahre alles daran setzten, eine weitergehende Zusammenarbeit und einen Zusammenschluss kommunistischer Parteien auf europäischer Ebene zu verhindern. Heute grenzen sie sogar kommunistische Parteien aus verschiedenen Ländern aus und geben stattdessen der Zusammenarbeit mit »linken« Parteien, welche die dortigen kommunistischen Parteien offen bekämpfen, den Vorzug, wie das unter anderem für Griechenland, Luxemburg und Portugal zutrifft.“
Die EU-Linkspartei war bisher kein Mittel zur Überwindung der Spaltung der Linken in Europa, sondern hat im Gegenteil das gegenseitige Misstrauen verstärkt, sie hat die Rechtsentwicklung der Führungen und bei den innenpolitischen Orientierungen einiger Mitgliedsparteien beschleunigt und sie befördert Illusionen in den Charakter und in die Reformierfähigkeit der EU. Die arbeitenden Menschen in Europa brauchen aber keinen linken Arzt am Krankenbett der EU, sondern tatkräftige und konkrete Unterstützung in allen ihren Aktionen.

Die steirische KPÖ hat sich stets gegen den Beitritt der KPÖ zur EU-Linkspartei ausgesprochen und lehnt eine Mitarbeit in ihren Strukturen ab.
Wir schlagen vor, dass unsere Partei so bald wie möglich die Mitgliedschaft in einen Beobachterstatus umwandelt. Das könnte mithelfen, die europaweite Zusammenarbeit der kommunistischen und Linksparteien in Europa auf eine neue Grundlage zu stellen und das entstandene gegenseitige Misstrauen zurückzudrängen.

Ich persönlich kann dem Vorschlag unserer italienischen Genossen von „Essere Communisti“ – einer Strömung im Rahmen der Rifondazione Communista – sehr viel abgewinnen, ein Forum zur Koordinierung der Zusammenarbeit aller Kräfte, die in Europa links von der Sozialdemokratie stehen, ins Leben zu rufen. Vorbild dafür könnte das lateinamerikanische Sao Paolo-Forum sein. Wenn die Europäische Linkspartei Schritte in diese Richtung machen könnte, wäre einiges gewonnen. Es ist aber wohl nicht zu erwarten, dass dies auf dem Kongress in Athen passieren wird.

28. Oktober 2005