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Parteder: Was die Leute wirklich brauchen

Rede auf der Landesversammlung der steirischen KPÖ

Franz Parteder

Was die Leute wirklich brauchen
Referat auf der Landesversammlung der steirischen KPÖ, 9.8. 07

Heute haben wir eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Wir fassen auf unserem Treffen den Beschluss über die steirische Kandidatur bei der vorgezogenen Nationalratswahl und wollen ohne Illusionen in eine schwierige Auseinandersetzung gehen.

Zuerst aber möchte ich Folgendes hervorheben: In den vergangenen Wochen haben wir gesehen, wie groß der Hass der Rechtsextremen und der Neonazis auf unsere Partei wirklich ist. Die Einbrüche in unser Parteiheim in Kapfenberg und diese Hakenkreuz-Schmierereien, das waren keine Kleinigkeiten, sondern Zeichen dafür, wen diese Kreise als ihre wirklichen Widersacher sehen. Deshalb gilt heute unser Dank dem Clemens Perteneder und allen Kapfenberger Genossinnen und Genossen. Ihr habt mit dafür gesorgt, dass alles aufgeklärt wurde, und Ihr habt die Öffentlichkeit darüber informiert, was wirklich passiert ist. Damit habt ihr unserer Sache einen großen Dienst erwiesen.
Die steirische KPÖ wird immer wieder und auf allen Ebenen gegen Rechtsextremismus und Neonazismus vorgehen und das strikte Einhalten des Verbotsgesetzes und des österreichischen Staatsvertrages fordern. Das ist für uns eine Ehrensache.

Genossinnen und Genossen!

ÖVP und SPÖ haben diese Nationalratswahl am 28. September mutwillig vom Zaum gebrochen, damit sie danach unter Umständen 5 Jahre lang ohne große Störungen durch die Öffentlichkeit ihre unsoziale Politik fortsetzen können. Anfang Juli ist nämlich nicht die gescheiterte Bundesregierung zurückgetreten, sondern es wurden bloß Neuwahlen ausgerufen. Die Große Koalition regiert ungeniert weiter und wird zumindestens bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung im Amt bleiben.
Auch nach der Wahl könnte uns wieder eine Regierung aus SPÖ und ÖVP ins Haus stehen.

Die Nationalratswahl findet in einer Zeit statt, in der die Unzufriedenheit breiter Teile der Bevölkerung mit Teuerung und Sozialabbau noch nicht dazu geführt hat, dass sich eine massenverbundene fortschrittliche Alternative gebildet hat, die in der Lage wäre, den Widerstand und den Protest auch bis in den Nationalrat zu führen. Dabei meinen 75 Prozent der Bevölkerung, dass es ihnen wegen der Teuerung schlechter geht als vor einem Jahr. Außer der KPÖ steht keine politische Kraft glaubwürdig auf der Seite dieser Menschen.
Ein allgemein formulierter offener Brief, das ist noch keine Opposition im Sinne der arbeitenden Menschen, der Rücktritt eines Betriebsratsvorsitzenden von allen Parteifunktionen, weil er auf der Nationalratswahlliste nicht berücksichtigt wurde, das ist sicherlich nicht der notwendige Widerstand gegen eine Regierungspolitik des Sozialabbaus. Und auch der Versuch einiger Personen und Gruppen, jetzt eine linke Liste zusammenzubringen, erfolgt ohne Verbindung mit der Bevölkerung und mit Aktivitäten an der Basis.

Die steirische KPÖ hat gerade in den letzten Wochen und Monaten gezeigt, dass sie eine offene Partei ist. Ich erinnere an die Eröffnung der Hrdlicka-Ausstellung, die uns noch allen lange im Gedächtnis bleiben wird. Die Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Menschen ohne Parteibindung hat bei uns Tradition. Das zeigen auch die parteifreien Gemeinde- und Betriebsräte, die auf unseren Listen kandidieren. Wir sind eine selbständige und bündnisfähige Partei und wir wollen das auch bleiben.
Wir von der steirischen KPÖ sind offen für neue Formen des Antretens bei Wahlen. Leider sehen wir bei dieser Nationalratswahl bis zum heutigen Tag keine erfolgversprechende neue Form einer Bündnisliste.
Deshalb kandidieren wir bei dieser Nationalratswahl eigenständig und in Kooperation mit der Bundes-KPÖ.

Wir stützen uns auf unsere Arbeit

Wir stützen uns dabei auf unsere Arbeit in der Steiermark.
Die Leute kennen Ernest Kaltenegger und die anderen Landtagsabgeordneten der KPÖ, sie kennen Stadträtin Elke Kahr und die Mandatarinnen und Mandatare der KPÖ in den Gemeinden, sie kennen unseren Arbeiterkammerrat Peter Scherz und unsere Betriebsräte. Vor allem wissen sie in der Steiermark, dass man sich auf uns auch nach einer Wahl verlassen kann.
Ein Grossteil des Politeinkommens von KPÖ-MandatarInnen wird für soziale Zwecke verwendet, die Sprechstunden in Graz und in den Bezirken sind für viele Menschen oft die letzte Hoffnung.
Und auch unsere politischen Initiativen sind wirkungsvoll: Das reicht von der Kampagne gegen das Geschäft mit der Spielsucht bis zur Initiative für soziale Energiepreise und für wirksame Maßnahmen gegen die Teuerung. Und es war die KPÖ, welche die geplante Erhöhung der Bürgermeistergehälter in der Steiermark an die Öffentlichkeit gebracht hat.
In der Auseinandersetzung mit der EU haben wir immer wieder gezeigt, dass wir für demokratische und soziale Alternativen zu diesem Europa der Konzerne und der Generäle eintreten.

Eine Etappe auf unserem Weg

Allein als KPÖ werden wir nicht zu einer großen, wirkungsvollen fortschrittlichen Bewegung in Österreich kommen – ohne die steirische KPÖ wird es aber auch nicht gehen.
Die Nationalratswahl 2008 ist eine Etappe auf diesem Weg. Wir werden mit unseren bescheidenen Mitteln darauf hinweisen, was die arbeitenden Menschen wirklich brauchen, wir werden versuchen, die Scheindiskussionen der Parteien und der selbsternannten Rebellen mit konkreten Vorschlägen und Initiativen zu konfrontieren. Einige davon sind im Wahlaufruf enthalten, den wir heute zur Abstimmung stellen.

Das alles wird nicht leicht sein. Darüber haben wir keine Illusionen. Unsere finanziellen Mittel sind auch sehr bescheiden. Trotzdem können wir optimistisch sein. Die KPÖ hat nämlich in der steirischen Bevölkerung keinen schlechten Ruf.

Unsere Landesliste drückt nach der Vorstellung des Landessekretariates eine deutliche Verjüngung aus, die wir auch in unserer täglichen Arbeit sehen. Wer wie ich schon über 60 Jahre alt ist, freut sich darüber, dass in der steirischen KPÖ die 40jährigen und die noch Jüngeren immer verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen. Das zeigt nämlich, dass die Alterspyramide in unserer Partei in Ordnung ist und dass die Hoffnung des politischen Gegners auf unser Aussterben vergeblich ist.
Wir haben in der steirischen KPÖ Veteraninnen und Veteranen, die ihre wertvolle Erfahrung weiter geben, wir haben die mittlere Generation und wir haben eine aktive und kritische Jugend, die uns dadurch davor bewahrt, selbstzufrieden und nachlässig zu werden.

Genossinnen und Genossen!

Als Spitzenkandidaten auf der Landesliste schlagen wir deshalb den Grazer Bezirkssekretär Manfred Eber vor, der sich in den zweieinhalb Jahren seiner Tätigkeit in der Steiermark schon gut eingearbeitet hat. Er wird anschließend einige Worte an Euch richten.
An zweiter Stelle kandidiert Claudia Klimt-Weithaler. Sie ist unsere jüngste Landtagsabgeordnete, sie hat sich durch ihr engagiertes Auftreten großes Ansehen in der Öffentlichkeit geschaffen und wird auch in diesem Wahlkampf sehr darauf achten, dass die Interessen der Frauen, der Kinder und der Jugendlichen in unserem Auftreten nicht zu kurz kommen.
Wir hoffen, dass die Landesliste insgesamt ein ausgewogenes Verhältnis der Bezirke, der Berufsgruppen und auch zwischen Parteimitgliedern und anderen fortschrittlichen Menschen ausweist, die der Partei nicht angehören, aber eng mit uns zusammenarbeiten.
Die Wahlkreislisten werden von den Bezirken autonom erstellt.
In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zu diesem Vorschlag.

Zum Abschluss: Wir werden es bis zum 28. September nicht leicht haben. Deshalb dürfen wir nie vergessen, wie wichtig unsere tägliche Arbeit für die Leute ist, denen es nicht so gut geht. Damit schaffen wir nämlich das notwendige Vertrauen, das auch über den Wahltag hinausweist.
Wir nehmen die Leute ernst (egal, ob sie Arbeitslose, Pensionisten, Arbeiter oder Schriftsteller sind). Es wird wahr genommen, dass wir nicht nur vor der Wahl da sind, sondern immer.
Aber jetzt stehen wir ganz konkret vor einer schwierigen Wahl.

11. August 2008