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Neutralität ist ein Zukunftskonzept

Ernest Kaltenegger: Ansprache am Nationalfeiertag 2005

Heuer ist ein besonderer Nationalfeiertag. Vor 50 Jahren, am 26. Oktober 1955, hat der österreichische Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und KPÖ gegen die Stimmen der FP-Vorgängerpartei das Gesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs beschlossen. Daran muss man immer erinnern, wenn sich die FP heute aus wahltaktischen Gründen als Gralshüterin der Neutralität aufspielen will.
Seit 1967 wird dieser Nationalfeiertag offiziell begangen.
Für uns steirische KommunistInnen ist dieser 26. Oktober 2005 aber auch aus einem anderen Grund ein besonderer Tag: Es ist dies der erste Nationalfeiertag seit 1969, an dem die KPÖ im Landtag vertreten ist. Das ist für uns sehr erfreulich.

Was die Neutralität unseres Landes angeht, die wir an diesem Nationalfeiertag feiern sollen, so muss man feststellen, dass die Gefühle mehr als gemischt sind, wenn man an das Schicksal denkt , das ihr die bestimmenden Kräfte in der NATO, in der EU und auch in Österreich zugedacht haben.

Im Gedenkjahr 2005 hat man nicht völlig verschweigen können, warum Österreich neutral geworden ist und was die Neutralität der österreichischen Bevölkerung an Positivem gebracht hat. Man hat in einigen Ausstellungen und auch hie und da im Fernsehen auch sehen können, wie die aktive Neutralitätspolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Stellung der Republik Österreich gestärkt hat. Aber das alles ist als eine Sache der Vergangenheit dargestellt worden.

Es wird behauptet, dass die Neutralität nach dem Ende des Sozialismus in Osteuropa und für Österreich als EU-Mitglied ein überholtes Konzept wäre. Ganz bewusst wird Scheibchen für Scheibchen von der Neutralität ein Stück nach dem anderen abgeschnitten. Der Artikel 23 f der Bundesverfassung ermöglicht die Teilnahme des Bundesheeres an Kampfeinsätzen der EU in aller Welt. Österreich beteiligt sich mit dem Aufbau von multinationalen Schlachtgruppen am Aufrüstungskurs der EU. und auch der auch ansonsten unverständliche Ankauf von Eurofightern und ihre Stationierung im Aichfeld ist vor allem in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Annahme der EU-Verfassung hätte unsere Neutralität vollends zu einem Stück Papier gemacht.
Das ist nicht eingetreten: Die Mehrheit der Bevölkerung in Frankreich und den Niederlanden hat mit ihrem Nein zu diesem Vorhaben der Mächtigen auch der Neutralität in unserem Lande einen guten Dienst erwiesen.
Die österreichische Neutralität ist kein Auslaufmodell! Eine aktive Neutralitätspolitik vorausgesetzt, könnte sie vielmehr dazu beitragen, Alternativen zu einer militärisch hochgerüsteten Supermacht EU zu entwickeln. Die KPÖ bekennt sich zur Neutralität und kann für sich mit Fug und Recht sagen, dass sie über fünf Jahrzehnte hindurch diese Errungenschaft der Zweiten Republik immer vehement verteidigt hat.
Die erwähnten Volksabstimmungen haben uns noch etwas gezeigt: Es ist möglich, durch Initiativen von unten dem Kurs der Herrschenden etwas entgegenzusetzen. Das ist auch der Grund, warum wir die Initiative für ein Friedensvolksbegehren unterstützt haben und unterstützen. An diesem Nationalfeiertag bitte ich darum, die Einleitung dieses Volksbegehrens mit der eigenen Unterschrift möglich zu machen.

Sehr verehrte Anwesende! Liebe Genossinnen und Genossen!

Bereits gestern war für uns ein besonderer Tag: Die vier gewählten Landtagsabgeordneten der KPÖ haben ihre Arbeit im Landhaus aufgenommen. Wir sehen die Unterstützung durch über 44.000 Steirerinnen und Steirer als Verpflichtung dafür an, auch auf dieser Ebene eine konstruktive und konsequente Opposition im Interesse der arbeitenden Menschen und der sozial Schwachen zu sein.
Wir werden dabei auch die Anliegen der Region Aichfeld-Murboden in den Landtag bringen. Gemeinden wie Knittelfeld und Fohnsdorf haben sich dagegen ausgesprochen, dass alle Eurofighter in Zeltweg stationiert werden. Das Land Steiermark hat die Aufgabe, diese Forderung der Region konkret zu unterstützen. Nach der Landtagswahl am 2. Oktober haben SPÖ und KPÖ im Landtag eine Mehrheit von 29 Stimmen. Auch die Grünen sind gegen die Eurofighter. Eine Willensbekundung des Landtages gegen die Stationierung der Eurofighter in der Region wäre also möglich.
Sie ist umso notwendiger, weil sich die versprochenen Kompensationsgeschäfte und Arbeitsplätze in der Region in Luft auflösen, wie wir dies mit den 250 Arbeitsplätzen bei FACC passiert ist, die man monatelang den Fohnsdorfern versprochen hat und die jetzt in Oberösterreich entstehen werden.

Es gäbe an diesem Nationalfeiertag sehr viel zu sagen. Gestattet mir, am Ende meines Redebeitrages an einen Genossen zu erinnern, der erst vor kurzem für immer von uns gegangen ist: An Franz Leitner. Erstmals seit 35 Jahren ist auch die KPÖ wieder im Steiermärkischen Landtag vertreten. Franz Leitner war dort der bisher letzte Vertreter unserer Partei als Abgeordneter von 1961 bis 1970. Von 1958 bis 1979 war er Landesobmann der KPÖ in der Steiermark. Mit ihm ist ein politisches und menschliches Vorbild gegangen. Als Häftling im Konzentrationslager Buchenwald trug er durch seinen Mut und seine Opferbereitschaft dazu bei, dass hunderte jüdische Kinder überlebt haben. Dafür wurde er von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet.

Als Landtagsabgeordneter war Franz Leitner ein konsequenter Interessensvertreter der arbeitenden Menschen und der sozial Schwachen.
Er wird uns immer ein Vorbild bleiben.

27. Oktober 2005